Der Tisch verschwindet allmählich unter Bergen von Papier. Foto: Schwarzwälder-Bote

Selbsterversuch: Redakteurin nimmt an Buchbinde-Werkstatt für Lehrer teil / "Jeder kann Buchhersteller werden"

Ich war mir ziemlich sicher gewesen, dass ich scheitern würde. Und Peter Holland, der die Buchbindewerkstatt für Lehrer im Rahmen des Leselenzes leitet, war sich sicher gewesen, dass er das verhindern würde, als ich ihm das sagte. Jetzt sitze ich hier und weiß nicht, wie man ein Blatt Papier faltet. Rechte Ecke auf die linke Ecke oder anders herum? Oder ist das sogar egal? Hilfesuchend blicke ich mich um. Und ich habe Glück, dass meine Mitstreiter alle Lehrer sind. Als hätte sie einen sechsten Sinn dafür, dass ich nicht klar komme, ist meine Nachbarin zur Stelle und erklärt mir, wie das Blatt Papier zu einem kleinen Heft wird – ganz geduldig und in bester Lehrermanier. Es spielt tatsächlich keine Rolle, welche Seite ich zuerst umknicke. Ein paar Handgriffe später halte ich ein kleines Heftchen in der Hand. So also hat Peter Hollands Verlag Hochrother seinen Anfang genommen.

"Als meine Freundin und ich uns 2008 überlegten, dass wir einen eigenen Verlag gründen wollten, wussten wir durch Kontakte, was uns erwartet", berichtet er zu Anfang der Werkstatt. "Wir wussten, wie es in deren Wohnung und vor allem auf deren Konto aussah: Die Wohnung voll mit Papier, das Konto leer. Und wir hatten kaum Geld und keinen Platz."

Die Lösung: Thermobindemappen. Bei einer Firma habe Holland Mappen aus Feinleinen gefunden, die nur ein paar Cent kosteten und innen schon mit einem Klebestreifen versehen waren. Das einzige, was er dann noch brauchte, um Bücher zu binden, war ein Thermobindegerät. "Damit lassen sich Einzelstücke in Eigenproduktion herstellen", so Holland. So etablierte er den Hochrother-Verlag in Berlin als kleinen Verlag, der pro Jahr etwa zehn bis 15 Titel publiziert, wobei der Lyrikanteil bei zirka 90 Prozent liegt.

So weit müssen wir es nicht bringen. In der Werkstatt geht es darum, ein paar grundlegende Handgriffe zu erlernen, mit denen Lehrer zum Beispiel die Werke ihrer Schüler als hübsche Heftchen verpacken können. Und ich vielleicht meine Artikel. Aber das ist noch nicht alles: "Sie sind hier nicht nur zum Basteln da", meint Peter Holland. "Es geht ein bisschen auch um die Philosophie. Jeder kann Buchhersteller werden." Mit diesen Worten stellt er mehrere Kisten auf den Tisch und räumt sie aus. Alle recken neugierig die Köpfe, um zu sehen, was man so alles braucht, um ein "Buchhersteller" zu werden. Cutter-Messer, Lineale, Nadeln, Zeichenblöcke und mehrere Tüten, deren Inhalt noch verborgen bleibt, verteilt Holland an die Werkstatt-Teilnehmer.

Die erste Aufgabe ist einfach. Sogar für mich. Von einem Zeichenblock reißt jeder ein Blatt herunter und soll es dann einmal quer und dann einmal der Länge nach falten. Kein Problem. Als es aber dann darum geht, mit dem Cutter-Messer in der Mitte des Papiers eine Linie zu ziehen, bleibt mein Schneidegeräte mehrere Male stecken und die Linie ist alles andere als gerade. Das ist aber glücklicherweise nicht schlimm. Ich schaffe es trotzdem, das Papier korrekt zu einem Heft zu falten. Ich muss nur noch die Seiten durchnummerieren, dann habe ich mein erstes "Buch" gebunden. Die erste Seite lasse ich dabei aber aus, denke ich mir doch, dass das die Titelseite sein muss. Leider mache ich hier einen Denkfehler. Schließlich kommt um das gefaltete Papier ja noch ein Umschlag. Das, was ich gerade gefaltet habe, ist nur der Innenteil. Also erfinde ich kurzerhand die Seitenzahl Null. So passt es. Irgendwie.

Wir lernen noch ein paar weitere Falttechniken kennen und wie man ein Buch mit Nadel und Faden bindet, bevor wir unser "Meisterstück" produzieren sollen: Einen gefalteten Innenteil mit einem farbigen und einem durchsichtigen Karton als Umschlag. Mittlerweile stapeln sich Hefte und Papierseiten auf dem Tisch. Papier, Papier, überall Papier! Ich wähle einen hellblauen Karton und mache mich an die Arbeit. Zuschneiden will ich die Seiten aber nicht und belasse ihr Format. Man muss es ja nicht gleich zu Anfang übertreiben.

Falten, erstes Papier, zweites, drittes. Das Gelernte ist hängengeblieben. Dann geht es ans Vernähen. Und da zögere ich. Vorhin hatten wir das Heft durch drei Löcher gebunden. Nun sollen es fünf sein. Zwar hatte Peter Holland erklärt, wie das geht und dass das Prinzip das gleiche ist. Aber ich bekomme das Gehörte mit dem, was vor mir liegt, einfach nicht zusammen. Doch ich habe eine Idee, wie es gehen könnte und fange einfach an. Und tatsächlich: Es funktioniert. Ich muss nur noch einen Knoten binden und das Heft ist fertig. Mehr noch: Es hält. Wirklich schön ist es zwar nicht, trotzdem bin ich stolz. Dennoch bin ich froh, dass ich normalerweise nur schreiben muss – und mich nicht darum kümmern muss, wie es produziert wird.                  Charlotte Reinhard