Leselenz-Stipendiatin Synke Köhler verbrachte drei Monate in Hausach. Foto: Stangenberg

Literatur: Stadtschreiberin Synke Köhler präsentiert bei Lesung ihren Erzählband "Kameraübung"

Eine Geschichte aus dem Alltag ganz gewöhnlicher Menschen. Im Rathaus liest Synke Köhler aus ihrem Buch "Kameraübung". Die Berlinerin verabschiedet sich mit einer Lesung von Hausach und seinen Bewohnern.

Hausach. Synke Köhler verbrachte die vergangenen drei Monate als Stadtschreiberin in Hausach. Die 46-Jährige erhielt das Leselenz-Stipendium. Im Sitzungssaal des Rathauses stellt die Schirftstellerin Passagen aus ihrem Werk "Kameraübung" vor. Den Erzählband hat die gebürtige Dresdenerin in diesem Jahr veröffentlicht.

Mit der Wahl-Berlinerin Synke Köhler komme bereits die sechste Stipendiatin aus der Bundeshauptstadt, führt der Leselenz-Kurator José F. A. Oliver die Zuhörer in die Lesung ein. Er habe Köhlers Prosa sehr gerne gelesen und bezeichnet ihre Arbeit als "großartig".

Die Zuhörer im Sitzungssaal des Hausacher Rathauses sind zunächst still, als Köhler am Rednertisch Platz nimmt und ihre Lesebrille aufsetzt. "Vielen Dank, dass ich in Hausach sein durfte", sagt sie ganz ruhig. Eine Lesung aus ihrem Buch "Kameraübung" ist keine Premiere, aber in Hausach etwas Neues: "Ich lese heute eine Geschichte, die ich sonst nie lese. Aber man macht ja immer etwas Anderes", sagt die Autorin.

Während Köhler beginnt, regnet es draußen. Ein ungemütlicher Herbstsonntag. Die Stipendiatin erzählt ganz unaufgeregt die Geschichte von einem älteren Mann, der an einem kühlen Sommertag über die Beziehung zu seiner Frau Barbara nachdenkt. Barbara scheint dement zu sein.

Synke Köhler lässt die Zuhörer an den Gedanken des Ehemanns teilnehmen. Gerhard berichtet aus seinem Alltag mit Barbara, zu der er auf Grund ihrer Demenz keinen Zugang mehr hat. Er fühlt sich selber alt, nimmt Medikamente und spürt manchmal Angst, wenn seine Frau neben ihm in Bett liegt.

Synke Köhler beschreibt mit der Geschichte die Erinnerungen eines Mannes an das Kennenlernen mit seiner Frau, ihre 30-jährige Ehe, die beinahe wegen seiner Affäre mit einer gewissen "Ella" auseinandergebrochen wäre, den gemeinsamen Sohn und das Gefühl, dass Barbara für ihn schon lange eine Fremde gewesen sei.

Autorin stellt den Alltag in den Mittelpunkt

Köhlers Geschichte zeichnet sich durch kurze Sätze aus. Da sind keine endlos verschachtelten Sätze. Die Sprache ist nicht abstrakt oder von Fremdwörtern durchzogen. Köhler beschreibt den Alltag eines Menschen in einem ganz ruhigen und verständlich Stil. Genau das soll auch ihr Buch "Kameraübung" rüberbringen: Eine Sammlung von Geschichten, die Ausschnitte aus dem Alltag darstellen und von einer Kamera festgehalten wurden. Im Mittelpunkt stehen keine übernatürlichen Wesen, Naturgeister oder Tiere – sondern Menschen, mit denen sich die Leser identifizieren können.

Die 46-jährige Autorin präsentiert mit dem Buch erstmals Prosa. Sie schreibe sonst Lyrik, berichtet Köhler im Gespräch mit dem SchwaBo. Während ihres Aufenthalts in Hausach wohnte und arbeitete sie im Molerhiisle an ihrer Masterarbeit. Köhler studierte Psychologie, ist Grafikerin, studierte außerde, an der Drehbuchwerkstatt München und absolvierte uletzt den Masterstudiengang "Literarisches Schreiben" am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig.

"Kann man Schreiben eigentlich studieren?", fragte Kurator Oliver die Autorin. Köhler ist ehrlich und sagt, dass sie im Studium sicherlich Stilistisches gelernt habe. Gleichzeitig habe ihr nicht gefallen, dass an der Universität stets nach den Fehlern gesucht werde, anstatt "auch ’mal das Gelungene hervorzuheben", so Köhler. Nach dem Studium habe sie zunächst wieder zu sich selbst finden müssen.

In Hausach hat die Berlinerin schließlich einen Großteil ihrer Masterarbeit geschrieben. Eine neue Erfahrung sei für Köhler das Schreiben einer Kolumne für eine Tageszeitung gewesen. Hierfür hat sich die 46-jährige auch von Hausach inspirieren lassen. Die Zuhörer im Rathaus lachen, als sie die fiktive Geschichte des Jungen Davids vorliest. Hier fließen Köhlers eigene Erfahrungen mit den Menschen, Orten und der Landschaft im Kinzigtal ein.

Für das Stipendium ist die Autorin das erste Mal in den Schwarzwald gereist. "In Hausach konnte ich mich auf das Schreiben konzentrieren, war ganz auf mich gestellt und hatte nicht so viel Ablenkung wie in Berlin", erzählt die Leselenz-Stipendiatin.

Schwarzwälderkirschtorte und Bollenhut – das seien sicherlich Bilder gewesen, die sie vor ihrem Aufenthalt von der Region hatte, antwortet Köhler auf die Frage des Kurators Oliver. Ihr habe vor allen Dingen die Schwarzwaldbahn gefallen: "Mit der kann man überall hinfahren", sagt die Berlinerin, die sonst das U-Bahnfahren gewohnt ist.

Landschaftlich schön, aber gleichzeitig anstrengend sei für die 46-Jährige der Kinzigtalradweg gewesen. "Als Stadtmensch waren die Anstiege der Straßen für mich hoch", sagt sie. Da habe sie auch mal vom Fahrrad absteigen müssen. "Das Runterfahren hat aber Spaß gemacht", lacht Köhler. "Ich freue mich, dass Ihre Arbeit hier in Hausach Früchte getragen hat", sagt Kurator Oliver zu der Stadtschreiberin und überreicht ihr als Erinnerung den "Hausacher Narren-Codex".