Hausach/Puebla - Die Hausacherin Charlotte Auel ist seit August 2017 in Mexiko und arbeitet dort als Freiwillige des Roten Kreuzes im Casa de Angeles in Puebla. Im dritten Teil ihres Auslandstagebuchs berichtet sie über die Weihnachtszeit.

In der Weihnachtszeit geht es in Mexiko deutlich weniger besinnlich zu als in Deutschland. Hier wird das Fest der Liebe sehr lebhaft mit einem Hauch von Karneval gefeiert. Auch die Weihnachtslieder sind flotter als das deutsche "Stille Nacht, heilige Nacht". Die Straßen sind mit bunten Lichtern dekoriert und auf den Plätzen und in allen Einkaufszentren stehen vollgeschmückte Weihnachtsbäume, deren Lichterketten gefühlt jede Millisekunde 50 Mal die Farbe wechseln.

Typisch mexikanisch in der Vorweihnachtszeit ist die sogenannte "Posada", zu deutsch "Herberge" – eine Weihnachtsfeier, die im Rahmen der Familie, aber auch im Freundeskreis, in den Sportvereinen und ähnlichem gefeiert wird. Bei einer traditionellen "Posada" wird die Suche von Maria und Josef nach einer Unterkunft nachgespielt. Ein Teil der Gruppe steht vor der Eingangstür und stellt die Suchenden dar. Der Gastwirt ist mit seinen Gästen im Haus. Abwechselnd wird mit Kerzen in der Hand gesungen, bis der Gastwirt sich schließlich dazu bereit erklärt, den werdenden Eltern eine Bleibe zu geben.

Was auf einer Posada nicht fehlen darf, ist die Piñata. Eine Piñata ist eine bunte, mit Süßigkeiten und Früchten gefüllte Pappkugel mit neun Zacken. Jede Zacke steht für eine Sünde. Mit verbundenen Augen und einem Stock in der Hand wird versucht, die sich auf und ab bewegende Pinata kaputtzuschlagen. Ich hatte das Glück, gleich auf zwei Posadas eine Piñata zerschlagen zu dürfen, und muss zugeben, dass dieses Spiel das Kind in einem weckt. Ganz gleich, ob die Person in der Mitte noch wild mit dem Stock um sich schlägt oder nicht: Sobald Süßigkeiten in der Mitte liegen, laufen alle gleichzeitig los und versuchen möglichst viele heruntergefallene Süßigkeiten zu ergattern. Ursprünglich kommt die Tradition der Posada von den Azteken, die im Dezember das Kommen des Kriegs- und Sonnengotts Huitzilopochtli feierten. Im Versuch, die Ureinwohner zu bekehren, nutzten die Spanier deren Sitte und passten sie dem christlichen Glauben an.

Mezcalprobe "verzaubert"

Das Weihnachtsfest selber habe ich mit Verónica, der mexikanischen Studentin, mit der ich zusammenwohne, Fabian, einem Mitfreiwilligen, und Verónicas Familie in der Hauptstadt des Bundesstaates Oaxaca, Oaxaca de Juárez, verbracht. Aufgrund der geografischen Lage im Süden Mexikos habe ich dann mal einen ganz anderen Heiligabend bei 25 Grad verbracht. Am Tag selber waren wir bei Monte Albán, der alten Zapotekenhauptstadt, die auf einer abgeflachten Bergkuppe nahe der Stadt thront. Von dort genießt man einen sensationellen Rundumblick auf Oaxaca.

Am Nachmittag ging es dann weiter zu einer Mezcalprobe in einer Brennerei nahe der Stadt. Oaxaca gilt als Welthauptstadt des Mezcals. Sein Bruder ist der Tequila. Während der Tequila aber nur aus der Pflanze der Blauen Agaven und im Bundesstaat Jalisco gewonnen werden darf, kann Mezcal aus sämtlichen Agavenarten und landesweit hergestellt werden, sprich Tequila ist Mezcal, Mezcal aber nicht zwangsläufig Tequila. Manche Mexikaner schreiben dem Mezcal sogar eine heilende Wirkung zu. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass unser Verkäufer jedes Mal, wenn wir eine Sorte Mezcal probierten, ein Gläschen mittrank. Zitat des Verkäufers: "El Mezcal no te pone borracho, te pone mágico" – "Mezcal macht dich nicht betrunken, er verzaubert dich". Besonders beliebt ist der Mezcal mit einer Insektenlarve der Agave, die auf dem Boden der Flasche schwimmt. Die Larve soll dem Getränk einen besonderen Geschmack verleihen. Für mich allerdings schmeckten alle Sorten gleich brennend und rauchig, sodass Mezcal nicht gerade zu meinen Lieblingsgetränken zählt.

Am Abend waren wir in einem Restaurant im Zentrum der Stadt gemeinsam essen. Neben uns auf der Straße zogen Musikgruppen, Tänzer und verkleidete Kinder, die die Weihnachtsgeschichte darstellten, vorbei. Hier fühlte ich mich mehr an Karneval als an Weihnachten erinnert. Es herrschte eine fröhliche und ausgelassene Stimmung und manche Leute schlossen sich spontan dem Umzug auf der Straße an, um zu tanzen.

Silvester habe ich dann mit Verónica und ihrer Familie bei ihnen zu Hause in Cuernavaca verbracht. Um Mitternacht haben wir zu jedem der zwölf Glockenschläge eine Traube gegessen. Bei jeder Traube darf man sich für das anstehende Jahr etwas wünschen.

Mir ist klar geworden, wie schnell hier die Zeit vergeht. Schon in diesem Jahr werde ich wieder deutschen Boden unter den Füßen haben. Bis dahin habe ich aber zum Glück noch acht Monate Zeit, Erlebnisse zu sammeln und zu berichten. Aus Mexiko die besten Wünsche für ein frohes, neues Jahr!

Info: Die Piñatas

Die Piñatas sind bunt gestaltete Figuren, heutzutage aus Pappmaché, früher aus mit Krepp-Papier umwickelten Tontöpfen, die bei Kindergeburtstagsfeiern mit Süßigkeiten, traditionell jedoch mit Früchten gefüllt sind. Sie sind in Lateinamerika, vor allem in Mexiko, zur Weihnachtszeit und in Spanien zu Ostern verbreitet.