Repro: Schrader Foto: Schwarzwälder-Bote

1933 werden auch im Kinzigtal zahlreiche "Scheiterhaufen" entzündet

Von Frank Schrader

Alljährlich findet am 23. April der "Welttag des Buches" statt. Daher sei daran erinnert, dass im Dritten Reich ein bedeutender Teil der Literatur verboten und kurz nach Hitlers Machtergreifung 1933 bei öffentlich inszenierten Bücherverbrennungen auch im Kinzigtal dem Feuer übergeben wurde.

Mittleres Kinzigtal. Nach den Bücherverbrennungen durch Studenten am 10. Mai 1933 in Berlin und anderen Großstädten rief der badische Gebietsführer der Hitlerjugend (HJ), Friedhelm Kemper (1906-1990), die Bevölkerung und alle Bibliotheken im Land Baden dazu auf, die "jüdischen Schmutz- und Schundschriften" bei der örtlichen HJ abzuliefern, damit dieser "Bücherdreck" auf dem "Scheiterhaufen der jungen deutschen Revolution" verbrannt werden könnte. Der HJ-Gefolg- schaftsbannschulungsleiter Wilhelm Fritsch (1907-1987) forderte darüber hinaus in einem Aufruf in der Wolfacher Tageszeitung "Der Kinzigtäler", bei dieser Aktion auch die Noten der "neudeutschen Novemberling-Komponisten" wie "Korngold, Weill & Co." zu verbrennen, die mit ihrer "Negermusik" zum "kulturellen Niedergang" Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg beigetragen hätten.

Als offizieller Rahmen für die Bücherverbrennungen im Kinzigtal diente das "Fest der deutschen Jugend" am Tag der Sonnwendfeier, dem 24. Juni 1933.

Die in Wolfach von Hauptlehrer und NS-Jungvolkführer Alfred Metzler organisierte und ursprünglich auf dem Kreuzbergsattel geplante Sonnwendfeier musste wegen des starken Regens in die Turnhalle (heute Schlosshalle) verlegt werden. Bei seiner Rede sprach Metzler über die "verzehrende und reinigende Kraft des Feuers und über das unglaublich viele, was morsch, faul und verhöhnt war in unserem Volk der Denker und Dichter". Nach dem "Flammenlied" stimmte NSDAP-Ortsgruppenführer Alfred Albanus ein "Sieg Heil" auf den "Führer" an. Das "Jungvolk" sprach den "Feuereid" und alle leisteten als Sprechchor den "Rütlischwur"“. Nach dem Horst-Wessel-Lied marschierte die HJ zu den Tennisplätzen auf der Insel, wo heute die Realschule steht, und verbrannte die von ihr eingesammelten "Schmutz- und Schundschriften".

"Sittenlose Bücher und Schriften" im Feuermeer

In Hausach fand zur gleichen Zeit das "öffentliche Verbrennen" der von der Hitlerjugend eingesammelten "sittenlosen Bücher und Schriften" nach Ansprachen von Jugendführer Herbener und NSDAP-Ortsgruppenführer Hackelberg auf dem Schlossberg statt. In Haslach warfen die HJ und der Bund Deutscher Mädel (BDM) bei der Sonnwendfeier auf dem Sportplatz die "Druckerzeugnisse eines zurückliegenden undeutschen Zeitalters in das prasselnde Feuermeer". Wegen des schlechten Wetters wurde das "Fest der Jugend" in Schiltach auf den 1. Juli 1933 verschoben. Vor dem von Kunstmaler Eduard Trautwein (1893-1978) entworfenen Heldenkreuz auf dem Schrofen wurde ein Sonnwendfeuer entzündet. Nach einer Ansprache von Bürgermeister Eugen Groß wurden die von der HJ in Schiltach eingesammelten "Schmutz- und Schundschriften" ins Feuer geworfen, um den "volksfremden, literarischen Unrat" zu vernichten.

Bei der Sonnwendfeier in Bad Rippoldsau am 25. Juni 1933 marschierten die "Schüler, SA, HJ, Amtswalter der NSDAP" und sämtliche Vereine zum "hellleuchtenden Johannisfeuer". Stützpunktleiter Schenz hielt die "Feuerrede", in der er darauf hinwies, dass der "undeutsche Geist" verschwinden müsse. Die noch vorhandenen schwarz-rot-goldenen Fahnen des "einstigen marxistischen Systems" wurden "unter großem Beifall den Flammen" übergeben. Auch in Gutach fand wegen des Regens die Sonnwendfeier erst am 25. Juni statt, bei der nach Reden des Bürgermeisters Wöhrle, Hauptlehrers Borell und Propagandaleiters Richard Oehler eine "alte Flagge“" verbrannt wurde. Ortsgruppenführer Kanzler beendete mit einem Dankwort die Feier.

Nicht erwähnt werden im "Kinzigtäler" Bücherverbrennungen bei den Sonnwendfeiern in St. Roman am 18. Juni 1933 auf dem Kohlplatz, in Oberwolfach am 24. Juni beim Musikpavillon und in Kinzigtal am 28. Juni am "Eckle".

Eine regionale Tradition ist zu einem internationalen Ereignis geworden: 1995 erklärte die Unesco den morgigen 23. April zum "Welttag des Buches", dem weltweiten Feiertag für das Lesen, für Bücher und die Rechte der Autoren. Die UN-Organisation für Kultur und Bildung hat sich dabei von dem katalanischen Brauch inspirieren lassen, zum Namenstag des Volksheiligen St. Georg Rosen und Bücher zu verschenken. Im SchwaBo werden wie gewohnt am "Welttag des Buches" viele Büchertipps erscheinen.