Verständigung ohne Worte: Torjubel funktioniert offensichtlich in jeder Sprache. Foto: Kleinberger

Ehrenamt: Sportverein Haslach integriert Flüchtlinge in seine Mannschaften / DFB fördert den Einsatz

Aus den Lautsprechern in der Jahnsporthalle dringt Musik. Neun junge Flüchtlinge und ein Erwachsener spielen zu Clean Bandits "Rock a bye Baby" Fußball. Dann schaltet Norman Dold die Musik ab. "Okay, Pause!", ruft der Trainer. "Die Reporterin ist hier, von der ich euch erzählt habe", sagt er in die Runde. Er spricht deutlich, aber nicht übertrieben.

Die Reporterin steht etwas verloren, auf rosa Socken, neben ihm. Neun Augenpaare schauen neugierig. "Für die Fotos", ergänzt der Trainer. "Wer von euch möchte nicht fotografiert werden?" Einer hebt die Hand. Dold stellt ihn kurzerhand ins Tor.

Die Halle ist kühl an diesem Morgen kurz nach halb elf. Das Training hat, wie jeden Samstag, bereits um 10 Uhr begonnen und wird zwei Stunden dauern. Wobei Training nicht unbedingt das richtige Wort ist. "Im Moment kicken wir eigentlich eher", erzählt Dold später. Richtiges Training gibt es dann draußen, wenn es wärmer ist. Wie bei den aktiven Mannschaften: Die sind bei diesen Temperaturen auch nicht draußen unterwegs, erklärt der 26-Jährige, der neben diesem Engagement die B-Jugend trainiert und vor Kurzem sein Referendariat als Gymnasiallehrer für Geschichte und, natürlich, Sport begonnen hat.

Flüchtlinge in den Fußballsport zu integrieren: Das ist dem SV Haslach und ehrenamtlichen Helfern ein Anliegen gewesen, seit fest stand, dass der Stadt Flüchtlinge zugewiesen werden. SV-Vorsitzender Hans-Joachim Schmidt berichtet im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, dass der Verein sich bereits vor der Ankunft der ersten Geflüchteten Gedanken gemacht habe, wie diese Menschen erreicht werden können.

Kontakt über einfach gestaltete Flyer

Der Verein habe einfache Flyer gestaltet, auf denen die Sportarten mit Bildern und wenig Text vorgestellt wurden – und Telefonnummern der Ansprechpartner. Diese wurden unter anderem in der Stadt und in Schulen verteilt. "Zu dem Samstagstraining kann im Grunde jeder kommen", sagt Schmidt. An diesen zwei Stunden in der Jahnsporthalle trainiert keine feste Mannschaft.

Die meisten von denjenigen, die am Samstag beim Trainingsbesuch in der Halle sind, spielen aber bereits in den Jugendkadern. Das wiederum ist nur mit einem Spielerpass möglich, der Geld kostet. Und da kommt der Förderpreis "1:0 für ein Willkommen" ins Spiel. Die Egidius-Braun-Stiftung des DFB, die Bundesregierung und die Nationalmannschaft fördern mit diesem Preis das Engagement von Amateurvereinen, die Flüchtlinge integrieren (siehe Infokasten). Der Verein erhält einmalig 500 Euro. Der SV Haslach hat diesen Preis für das Engagement im Flüchtlingsbereich erhalten. Der Vorsitzende berichtet, dass dieser Betrag für etwa fünf bis sechs Spielerpässe ausreicht.

Schmidt macht klar, dass diese Arbeit nur funktioniert, wenn viele Ehrenamtliche mit im Boot sind. Jedes Zusatzangebot binde Kräfte. Entsprechend wichtig sei es, dass Helfer sich mit Herzblut für die Sache einsetzten.

Aber macht ein solches Angebot bei Flüchtlingen, die oft von Unterkunft zu Unterkunft geschoben werden, überhaupt Sinn? Offenbar schon, wie Dold berichtet. Denn die meisten der Spieler in Haslach sind von Anfang an dabei. Manche kämen irgendwann nicht mehr wieder. Warum, wissen die Fußballer nicht.

Die ersten Flüchtlinge waren in Haslach Mitte März des vergangenen Jahres eingetroffen. Anfangs, erinnert der junge Trainer sich, hat die Kommunikation "mit Händen und Füßen" funktioniert. "Das Tolle ist: Der Fußball verbindet ohne Worte", sagt Dold und lächelt. Mittlerweile verstehen die Flüchtlingskinder alle Deutsch. "Besonders die Jüngeren haben in den vergangenen Monaten einen großen Sprung gemacht", lobt Dold ihre Sprachkenntnisse.

Während des Gesprächs im Flur der Jahnsporthalle geht mehrmals die Tür auf. "Kommst du wieder spielen?", drängeln die jungen Fußballer. Es macht ihnen Spaß, das ist ihnen anzumerken. Die Uhrzeit spiele da aber durchaus eine Rolle, berichtet Dold. Wegen einer anderen Veranstaltung habe er das Training einmal um eine Stunde vorverlegt. Das war wohl ein wenig zu früh.

Er hole die Flüchtlinge vorm Training immer ab, wirft er ein. Mit dem Privatwagen? "Nein", sagt Dold und deutet nach draußen. "Mittlerweile haben alle Fahrräder, wir fahren dann gemeinsam hierher." Auch bei eisigen Temperaturen. Die Fahrräder sind für die Mobilität der Flüchtlinge so wichtig wie vernünftige Sportkleidung für die jungen Sportler.

Vernünftige Sportschuhe sind ein Dauerthema

Während Dold vom beginnenden Referendariat berichtet und davon, dass er hofft, sein Ehrenamt trotzdem aufrecht erhalten zu können, kommt Marius Lurk aus der Halle in den Flur. Er ist ein Freund des jungen Trainers, lebt mittlerweile nicht mehr in der Region, aber hilft aus, wenn er zu Besuch ist. "Hast du noch Schuhe in 41?", fragt er und macht mit einem Paar Fußballschuhe eine Handbewegung in Richtung Glastür. "Die hier sind ihm schon wieder zu klein." Lurk geht in die Umkleide, größere Fußballschuhe suchen. In der Halle kickt einer der Jungs in Socken.

Anfangs hätte die Gruppe gar keine Schuhe gehabt, berichtet Dold. Aber Tina Tränkle und Manuela Matt – die er beide mit Nachdruck als "absolut wichtiges Bindeglied zwischen SV und Flüchtlingen" lobt, so haben sie die Jungs anfangs auch hergebracht – hätten sich dafür eingesetzt, dass die jungen Flüchtlinge Schuhe bekommen. Die sind aber ein Dauerthema: "Die Jungs wachsen brutal schnell aus den Schuhen", sagt Dold. Spenden seien immer gern gesehen.

Der Junge wird diesmal weiter auf Socken kicken. Als Dold schließlich wieder in die Halle geht, spielt ihm einer der Jungs sofort den Ball zu.                                            

 INFO

"1:0 für ein Willkommen"

> Hintergrund

Die Flüchtlingsinitative "1:0 für ein Willkommen" hilft Amateurvereinen, Angebote für Flüchtlinge anzustoßen und wurde im Jahr 2015 ins Leben gerufen. Die DFB-Stiftung Egidius Braun, Nationalmannschaft und Bundesregierung haben 2015 und 2016 insgesamt 600 000 Euro zur Verfügung gestellt. Aus diesem Topf sollen Fußballvereine, die Flüchtlinge integrieren, mit einer "Starthilfe" in Höhe von jeweils 500 Euro gefördert werden. Oder, wie der DFB es 2015 in einer Pressemitteilung ausdrückte: "Die nach DFB-Ehrenpräsident Braun benannte Stiftung fördert mit ihrer Initiative Fußballvereine, die sich speziell für Flüchtlinge engagieren, beispielsweise Ideen zur Integration von Flüchtlingskindern entwickelt und konkrete Hilfsmaßnahmen ergriffen haben."

> Vereine

Der SV Haslach hat die Förderung 2016 erhalten. Darüber hinaus wurden in der nördlichen Ortenau außerdem der Fußballverein Lahr-Dinglingen, der SC Lahr, die TJSpG Lahr, der FC Lahr-West, der FV Ettenheim und der SC Kappel gefördert.