Interreligiöser Weltgebetstag: Ursula August und ihr Mann in Begleitung des griechisch-orthodoxen Patriarchen. Foto: privat

Pfarrerin Ursula August berichtet über ihren Aufenthalt in Istanbul

Im Rahmen von "Dialog und Frieden der Religionen" berichtet Ursula August am Sonntag in Haslach über ihren fast siebenjährigen Aufenthalt als Pfarrerin der evangelischen Auslandsgemeinde in Istanbul. Wir sprachen im Vorfeld der Veranstaltung mit der Theologin.

Haslach/Marl. Rund sieben Jahre ist es her, da hat Ursula August ihre Stelle als evangelische Pfarrerin der Kirchengemeinde Marl-Hüls, in der sie zwölf Jahre tätig war,  gegen die bei der evangelischen Auslandsgemeinde in Istanbul getauscht. Dorthin war sie auf eigenen Wunsch hin entsandt worden. Dieser Ortswechsel hatte sich in der Biografie der Gemeindepädagogin und Theologin eigentlich angedeutet, denn seit vielen Jahren lag ihr der christlich-islamische Dialog am Herzen und war wichtiger Bestandteil ihrer Tätigkeit.

Reisefreudigkeit notwendig

"Die Arbeit in Istanbul bedeutet für mich Gemeindeseelsorge in der Riesenfläche und war für mich eine große Herausforderung, denn sie setzte eine stabile Gesundheit und eine große Reisefreudigkeit voraus". Mindestens einmal im Monat war  die Theologin mit dem Flugzeug zu Beerdigungen, Trauungen und Taufen unterwegs. August war mit ihrem Mann in die Metropole am Bosporus gezogen, ein Soziologe und Prädikant, der sich ehrenamtlich in der Gemeindearbeit einbrachte.

So groß das Gemeindegebiet war, so klein dagegen die Zahl der Christen in der Türkei. Gerade einmal 0,12 Prozent der Bevölkerung, das sind 200 000 Menschen, bekennt sich zum christlichen Glauben. Die evangelischen Christen sind dabei "die Minderheit innerhalb der Minderheit", wie es August beschreibt. Während Armenier, die jüdische Kulturgemeinde sowie die griechisch-orthodoxen Christen nach der Auslegung des Lausanner Vertrags die türkische Staatsbürgerschaft besitzen, besitzen die evangelischen Christen nur einen tolerierten Status. Das bedeutet, dass Aktivitäten wie einen Kauf- oder Mietvertrag abschließen über "natürliche Personen" abgewickelt werden müssen. "Da sind selbst das Anmelden von Strom und Heizung Herausforderungen", so August.

"Großes Ansehen"

Unproblematisch verlief dagegen die alltägliche Seelsorgearbeit. "Unsere Kirchengemeinde, die bereits seit 1843 besteht, genießt in der Stadt ein großes Ansehen. Wir erhalten Einladungen zu offiziellen Empfängen oder auch zu muslimischen Festen und der Bürgermeister unseres Stadtteils hat uns zu Weihnachten und Ostern Geschenke vorbei gebracht. Wir gehören einfach zum Stadtbild", beschreibt die 57-Jährige die Situation. "Wir sind für jeden sichtbar und bei uns  läuten auch die Glocken".

Innerhalb der christlichen Konfessionen gibt es  zahlreiche ökumenische Ansätze, wie beispielsweise ein regelmäßiger Gedankenaustausch zwischen den Geistlichen oder ein gemeinsames Flüchtlingsprojekt.

Interreligiöser Dialog

Als ähnlich intensiv bezeichnet die Theologin auch die Kontakte zu den islamischen Gemeinschaften. "Es gibt regelmäßige Besuche der Vorstände untereinander. Des Weiteren besteht ein persönlicher interreligiöser Dialog bei der seelsorgerischen Betreuung von Familien, in denen durch Einheirat ein Partner christlichen und der andere muslimischen Glaubens ist. Und durch die große Zahl der Erasmusstudenten findet auch auf universitärer Ebene ein interreligiöser Dialog statt. Und dann gibt es da noch den praktischen, im Alltag gelebten Dialog, vor allem bei Festen und Feiern", zählt August auf.

Das gleichermaßen freundschaftliche wie entspannte Verhältnis der Konfessionen und Religionen untereinander habe sich durch drei einschneidende Ereignisse verändert. Durch das von Erdogan gewonnene Verfassungsreferendum, den Putsch vom 15. und 16. Juli sowie die Terroranschläge der ISIS.  "Vor allem die Terroranschläge haben Angst und Verunsicherung ausgelöst, die dann auch für unsere Gemeinde Konsequenzen mit sich brachte. Entsandte von Firmen und Schulen haben ihre Familien zurück nach Deutschland geschickt", so August.

Während und nach dem Putsch  habe es keinerlei Störungen oder Eingriffe in die Kirchengemeinde oder gar Verhaftungen gegeben. Und nach den Terroranschlägen stand ein Polizeiwagen zum Schutz vor unserer Kirche", erinnert sich August an unruhige Tage. In der Folgezeit sei es aber nicht zur Isolation der christlichen Kirchen oder gar zu einer Deutschlandphobie gekommen. "Der Dialog muss weitergehen", fordert August mit Blick auf die politischen Ereignisse. "Die Kirchen haben in dieser Frage keinen Rückzug angetreten. Vom Glauben her ist es selbstverständlich, sich gegen jede Form von Gewalt und Terror aber auch gegen die Einschränkung von Menschenrechten und der Meinungsfreiheit zu wenden. Hierzu haben wir stets in friedvoller Form die Stimme erhoben", gibt sich die Liebhaberin guter Kirchenmusik kämpferisch.

Positive Bilanz

Seit dem Sommer wieder in Marl, sind August und ihr Mann wieder in Deutschland "angekommen". Die Bilanz der sechseinhalb Jahre in der Metropole am Bosporus fällt überwiegend positiv aus: "Es war für mich bereichernd und eine ganz große Herausforderung. Nach drei Jahren ist man am neuen Ort beheimatet. Man kann die Sprache, kennt die Institutionen und Ecken und hat neue Freunde gewonnen", resümiert August und ergänzt mit einem Anflug von Wehmut: "Das Weggehen ist leichter als die Rückkehr." Aber nicht nur Erfahrungen, sondern auch Wünsche hat die Theologin, die sich auch im Westfälischen weiter für den interreligiösen Dialog stark macht, mitgebracht.

"Wunsch wäre, dass die Kirchen als unverzichtbarer Bestandteil der türkischen Gesellschaft in ihrer Vielfalt bestehen bleiben und in der neuen Verfassung einen rechtlich abgesicherten Status mit allen Rechten und Pflichten erhalten. Wünschenswert wäre zudem, dass vor Ort eigenes theologisches Personal ausgebildet werden kann."

Info: Der Termin

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Der Termin

Im Rahmen einer Veranstaltung der Reihe "Dialog und Frieden der Religionen" berichtet die evangelische Pfarrerin Ursula August am Sonntag, 19. November, ab 17 Uhr in der Evangelischen Kirche Haslach unter dem Titel "Sieben Jahre in Istanbul" über ihre Erlebnisse während ihres Aufenthaltes in der Metrople am Bosporus.