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Zwiespältige Reaktionen auf neues Realschulkonzept.

Haslach - Vor Kurzem hat die Landesregierung eine Gesetzesvorlage beschlossen, die der Realschule unter anderem ein höheres Gewicht verleihen soll. Wir fragten in Wolfach und Haslach bei den Rektoren der dortigen Realschulen nach, wie sie das Konzept beurteilen.

Über das Thema Schule wird nicht nur viel diskutiert, sondern in steter Regelmäßigkeit müssen sich Schüler, Lehrer und Eltern auf von der Politik beschlossene mehr oder weniger gravierende Änderungen einstellen.

Jetzt hat die Landesregierung Baden-Württemberg eine Gesetzesvorlage auf den Weg gebracht, mit dem erklärten Ziel, die Realschule weiter zu stärken und auf die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft und das geänderte Schulwahlverhalten zu reagieren. So hatten im vergangenen Schuljahr nach einer Mitteilung des Kultusministeriums 55 Prozent der Schüler der fünften Klassen der Realschule eine entsprechende Empfehlung, 24 Prozent eine für die Haupt-/Werkrealschule und 21 Prozent eine für das Gymnasium.

Mehr Poolstunden

Kernpunkte des neuen Konzepts sind der Unterricht und die Notengebung in den Klassen 5 und 6 (Orientierungsstufe) auf mittleren Niveau (M) sowie der Unterricht in den Klassen 7 bis 10 entweder auf dem grundlegenden Niveau (N) oder auf dem mittleren Niveau, in Gruppen innerhalb der Klasse oder in getrennten Klassen. Dazu kommt die Erhöhung der sogenannten Poolstunden von derzeit acht auf 13 im kommenden Schuljahr. Bis zum Schuljahr 2020/21 steigt deren Zahl sukzessive auf 20.

Die zusätzlichen Stunden sollen für die Umsetzung des neuen Konzepts in Klasse 7, die Differenzierung in Klasse 8 sowie für die gezielte Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen in Klasse 9 (Hauptschule) und 10 (Realschule) eingesetzt werden, so die An-gaben der Pressestelle der Landesregierung.

Viele Veränderungen

Das neue Konzept löst beim Rektor der Realschule und Leiter des Heinrich-Hansjakob-Bildungszentrums Haslach, Christof Terglane, nicht gerade Begeisterungsstürme aus. "Die Schlagzahl der Veränderungen hat deutlich zugenommen und das setzt uns zu", zeigt er sich leicht genervt von der erneuten Korrektur des bisherigen Wegs. Inhaltlich bewertet er "das, was da vom Kultusministerium gekommen ist", zwiespältig. Er begrüßt die besseren Möglichkeiten zur Differenzierung innerhalb des Unterrichts durch die sukzessiv steigende Anzahl von Poolstunden.

Frustration droht

Skeptisch dagegen beurteilt er die Absicht, dass in der Orientierungsphase, also in den Klassen 5 und 6, grundsätzlich auf dem M-Niveau, unterrichtet und benotet werden soll. "Wir sehen es an unserer Schule als Pflicht an, jedem Schüler gerecht zu werden. Es gibt Eltern, die sich nicht an die Bildungsempfehlungen halten und für deren Kinder das M-Niveau nicht angemessen ist", so Terglane. "Entweder schaffen sie es zukünftig in der Orientierungsstufe oder eben nicht; wenn nicht, dann sind sie frustriert. Das halte ich für fatal. Ich bin der Überzeugung, dass mindestens bis zur siebten Klasse zumindest in den Hauptfächern auch weiterhin Lernangebote sowohl auf dem G- als auch auf dem M-Niveau gemacht werden sollten, um allen Schülern gerecht zu werden und niemanden abzuhängen. Entsprechend wurde und wird am Schulzentrum auch unterrichtet."

Über die Frage, wie es im kommenden Schuljahr weitergehen soll, hat sich laut Terglane das Kollegium in diversen Konferenzen bereits Gedanken gemacht. "Bei uns gibt es Überlegungen, die Schüler nach der Orientierungsstufe auch in der siebten Klasse noch zusammen zu lassen und nur in den Hauptfächern Deutsch, Mathe und Englisch die Klasse zu trennen, aber in allen anderen Fächern, auch den naturwissenschaftlichen, gemeinsam zu unterrichten", erläutert der Schulleiter, der gerne das unter dem damaligen Kultusminister Andreas Stoch eingeführte augenblickliche Konzept beibehalten hätte. Aus seiner Sicht stellt das neue Konzept, wenn es denn verabschiedet werden sollte, seine Schule im organisatorischen Bereich vor einige Herausforderungen.

Förderunterricht

Auch der Rektor der Real-schule Wolfach, Franz Kasper, sieht in der Tatsache, dass in der Orientierungsstufe vor-wiegend auf dem M-Niveau unterrichtet und benotet werden soll, gerade auch vor dem Hintergrund des Wegfalls der verbindlichen Grundschulempfehlung die Gefahr, "dass das ein oder andere Kind Probleme hat, die Anforderungen des mittleren Niveaus erfüllen zu können". "Diese Kinder unterstützen wir in den Klassen 5 und 6 durch zusätzlichen Förderunterricht in Deutsch, Mathematik und Englisch." Darüber hinaus sei in den genannten Fächern jeweils für eine Wochenstunde pro Kernfach eine zweite Lehrkraft anwesend, um ganz gezielt einzelne Kinder fördern zu können.

"Ab der siebten Klasse besteht künftig die Möglichkeit der äußeren Differenzierung, das heißt, wir können diejenigen Kinder, die Probleme haben dem M-Niveau zu folgen, entweder in separaten Kursen oder - abhängig von der Schülerzahl - als eigene Klasse auf dem grundlegenden Niveau weiterführen. Dies ist eine Entwicklung, die wir sehr begrüßen, da unseres Erachtens sowohl die Kinder, welche auf dem G-Niveau lernen als auch diejenigen, die auf dem Realschulniveau unterrichtet werden, wesentlich zielgerichteter und individueller gefördert und gefordert werden können", so Kasper. "Wir sind der Auffassung, dass hierin ein wesentlicher Vorteil im Vergleich zur Binnendifferenzierung innerhalb einer großen Klasse von bis zu 30 Schülern liegt."

Planungssicherheit

Der Rektor betont, dass nach wie vor das Bestreben seiner Schule darin liege, möglichst alle Schülerinnen und Schüler zum Realschulabschluss zu führen. In der Gesetzesvorlage werde der Bildungsauftrag der Realschule klar herausgestellt. Noch nicht festlegen möchte sich Kasper in der Frage nach der detaillierten Umsetzung des neuen Konzepts. "Was die Organisationsform ab Klasse 7 anbelangt, so werden wir uns, wenn das Gesetz verabschiedet ist und Planungssicherheit besteht, am Bedarf orientieren und so flexibel reagieren, um ein auf unsere Bedürfnisse und Gegebenheiten abgestimmtes Angebot machen zu können", hält er sich derzeit mehrere Optionen offen.