Die Schwarzwälder Kischtorte mit Totenkopf statt Kirsche schmeckt nicht jedem Betrachter. Museums-Geschäftsführerin Margit Langer (links) und der wissenschaftliche Leiter der Einrichtung, Thomas Hafen (rechts) hatten zur ersten Gesprächsrunde eingeladen. Diskussionsteilnehmer waren (von links) Wolfram Paul, Klaus Karlitzky, Uwe Baumann, Jean-Philippe Naudet, Willy Heine und Tim Otto Roth. Foto: Störr

Gesprächskreis widmet sich dem Thema "Heimat loves you" anhand der Schwarzwaldmalerei

Seit zehn Jahren gibt es im Gutacher Freilichtmuseum Vogtsbauernhof die sonntäglichen Matinee-Veranstaltungen. Jetzt wurde erstmals ein Gesprächskreis initiiert, der sich dem Thema "Heimat loves you" anhand der Schwarzwaldmalerei widmete.

Gutach. Als wissenschaftlicher Leiter des Museums führte Thomas Hafen ins Thema ein. "Eigentlich ist der Gesprächskreis zunächst so etwas wie eine verkappte Ausstellungseröffnung", befand Hafen angesichts der künstlerisch neu gestalteten Bahnunterführung durch Stefan Strumbel.

Darüber hinweg rausche mehrmals am Tag die epochale Schwarzwaldbahn und dahinter komme das Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof. "Ein idealer Ort, um über Heimat nachzudenken, ein guter Ort für einen Schwarzwälder, der nach seinen Wurzeln sucht", unterstrich Hafen.

Doch "Kirschtorte mit Totenköpfen", "Kuckucksuhren mit Kalaschnikow" oder "Bollenhutmädchen mit Banane" klinge ganz anders, als "Schwarzwaldhaus vor Waldkulisse", "Ginsterlandschaft vor Hügelkette" oder "Schwarzwaldmädchen beim Kirchgang".

Ob Landschaften per se schon altmodisch oder Kuckucksuhren in Pink automatisch modern seien, ob das eine die alte Heimat und das andere die Neue wäre oder ob das Traditionelle – nur weil altbekannt – schon verstaubt sei, galt es zu überlegen.

"Verträgt der Schwarzwald vor lauter Klischees und Postkartenmotive überhaupt etwas anderes? Braucht die Kunst den Schwarzwald – oder braucht der Schwarzwald die Kunst?", stellte der wissenschaftliche Museumsleiter provokante Fragen.

Kreative Leute

Mit einer kleinen Bilderschau und einem Querschnitt durch unterschiedliche künstlerische Annäherungen an den Schwarzwald leitete Hafen zur Diskussion über.

"Es pulsiert etwas, es gibt viele kreative Leute, die sich mit dem Schwarzwald auseinandersetzen", so Hafen.

Es scheine etwas im Fluss zu sein und Gutach könne aufgrund der Malerkolonie als künstlerische Mitte des Schwarzwaldes gesehen werden.

Schließlich stehe der Bollenhut heute weltweit für den Schwarzwald und habe sich mit den Malern Wilhelm Hasemann und Curt Liebich verbreitet. Trotzdem ließen sich die Maler nicht nur auf Idylle reduzieren, wie Jean-Philippe Naudet als Leiter des Gutacher Kunstvereins erklärte.

Sozialkritik erkennen

"Es wäre arrogant und ignorant, wenn man nicht auch die Sozialkritik in den Werken und Skulpturen der Maler sehen wollte", so Naudet.

Das Gutacher Kriegerdenkmal sei mit der Trauernden das beste Beispiel für die Kritik Liebichs an seiner Zeit. Und doch hätten Hasemann und Liebich zusammen mit etwa 200 Künstlern, die sie damals nach Gutach gebracht hatten, im Bollenhut einen Mythos geschaffen, von dem noch heute profitiert werde.

In wie weit die Kunst etwas mit Denkmalschutz zu tun hatte, beantwortete der Hornberger Künstler Willy Heine als ehemaliger Stadtbaumeister und verwies auf die gesetzliche Verpflichtung zur Umsetzung von Kunst an öffentlichen Neubauten.

Für ihn geht die Schwarzwaldmalerei immer mehr ins Abstrakte, dort sieht er die Zukunft. Uwe Baumann von der Kunstgruppe "Kosmos Schwarzwald" wies das vierte "K" des Kommerzes neben der Kunst, Kultur und Kulinarik weit von sich. "Kunst wird nicht gemacht, um einen Markt herzustellen, sondern um eine Position zu beziehen", betonte er.

Kunst sei das "Denk mal" und "Fühl mal", die Spielräume würden reizen, oft werde Kunst mit Kultur verwechselt. "Unterm Bollenhut haben viele Lügen Platz", meinte Baumann dann im Bezug auf sein aktuelles Thema, den Schwarzwälder Schinken. Auf die Frage, ob der Schwarzwald die Kunst verändere – oder die Künstler den Schwarzwald - gab es keine eindeutige Antwort.

Kein statisches Ideal

Für den promovierten Künstler Tim Otto Roth aus Oppenau ergibt sich "ein eigenartiges Spannungsfeld aus Kultur und Natur des Schwarzwaldes, das sich dynamisch entwicklt".

So sei in den 1980er Jahren das Waldsterben thematisiert worden: "Ein statisches Ideal des Bollenhutes gibt es nicht", so Roth. Als Forstwirt sehe er im Schwarzwald eine forstindustrielle Landschaft mit überwiegend Fichten und Tannen, als Kulturhistoriker sehe er beispielsweise die Mühlen und Sägen als Vorposten der Zivilisation. "Es ist spannend, was sich daraus entwickelt", meinte Roth.

Ständiger Wandel

Cartoonist Klaus Karlitzky lebt in Freiamt und ist nach eigenen Angaben "ganz im hier und jetzt" und reagiert mit seiner Kunst darauf. Der Betrachter sei zu allen Zeiten mit entscheidend für die Kunst gewesen und die Wahrnehmung unterliege einem ständigen Wandel. "Die Heimat liebt nicht uns – wir müssen die Heimat lieben. Denn nur, was man liebt, wird entwickelt."

Wolfram Paul aus Altensteig sah in erster Linie die Entwicklung der Bild-Herstellung von der ursprünglichen Malerei bis in die digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten. "Für mich ist es immer spannend, wie die Künstler ihre Bilder schufen und den Schwarzwald im Gesamten sahen", so Paul.