Reinwald Kranner konnte das Publikum der Seelbacher Freilichtspiele als Don Quijote überzeugen. Foto: Kiryakova

Begeisterte Zuschauer und nicht enden wollender, minutenlanger Applaus: Die Premiere des Theaterstücks „Don Quijote“ im Rahmen der Freilichtspiele am Samstag im Seelbacher Klostergarten war ein voller Erfolg.

Dieses Stück zu sehen macht Spaß. Regisseurin Katja Thost-Hauser inszeniert ihren „Don Quijote“ köstlich humorvoll und zugleich fast zärtlich berührend. In dieser Darbietung ist alles geboten: Skurrilität und Tiefsinn, Gefühle und Emotionen, garniert mit Gesang, Tanz und Gitarrenklängen. Nicht zuletzt faszinierte das ganze Ensemble mit einem mitreisenden Spiel.

Thost-Hauser bleibt sich auch bei dieser Inszenierung treu. Sie bedient sich der literarischen Vorlage, bettet aber die Handlung in die Gegenwart ein, verwebt eine Geschichte in eine andere. Dieses gestalterischen Griffs, in dem die Abenteuer von Don Quijote Aktualitätsbezug bekommen, bedient sich die Regisseurin meisterhaft. Die Wirklichkeit und die Sicht auf die Dinge sind keine festen Größen, sie sind veränderbar und jeder ist für sie verantwortlich.

„Ist es nicht zu einfach, jemand für verrückt zu halten, nur weil wir es nicht verstehen?“ Eine Vielzahl von Anspielungen auf die moderne Gesellschaft – wie der Kampf Don Quijotes gegen eine menschliche Windmühle und zwei „feindliche“ Heere (vom Publikum gespielt) – bieten den Zuschauern Interpretationsmöglichkeiten und laden zum Nachdenken ein.

Reisegruppe stellt ein Abbild der Gesellschaft dar

Daneben wird viel gelacht. Aber Vorsicht: Hinter den komisch wirkenden Szenen erscheint das gar nicht so komische Bild unserer Gesellschaft – mit ihren Vorurteilen und ihrem stetigen Verlangen nach Perfektion und Kontrolle. Ein kleines Abbild dieser Gesellschaft ist die deutsche Reisegruppe, die auf einer Fahrt in Spanien verunglückt und an einer Tankstelle in einem abseits gelegenen Ort in der Provinz La Mancha strandet. Ein Scherz in Richtung „die Deutschen“ – diese erkennt man an „weißen Socken und Sandalen“ – und eine spanische Schnulze á la Julio Iglesias läuten die Ankunft der Reisegesellschaft ein. Nonnen, ein Hippie-Pärchen, eine alleinerziehende Mutter mit ihrem Sohn Tim (in seiner ersten großen Rolle der Seelbacher Samuel Faißt) und ihre Freundin, ein Ehepaar, ein Vater mit seinen pubertierenden Töchtern und ein Arzt bilden die Gruppe. „Endlich ein Fleckchen, dem sich die moderne Welt entzogen hat“, freut sich Dr. Lilienthal (Reinwald Kranner).

Was dem einen Freud ist, ist des anderen Leid. Die Stimmung kippt, nachdem sich herausstellt, dass dort es keinen Handyempfang gibt und so schnell auch keine Hilfe kommen wird. Um die Gruppe und vor allem Tim zu erheitern, beginnt der Tankwart Nacho (Christian Peter Hauser) die Geschichte von Don Quijote zu erzählen. Hier glänzten alle Darsteller aus Seelbach und Schuttertal, die die Reisegesellschaft spielen, mit ihrer Präsenz und Leistung.

Die Zuschauer quittierten die Vorführung mit viel Applaus. Foto: Kiryakova

Ein besonders guter Griff ist der Regisseurin mit der Besetzung der Rolle von Don Quijote gelungen. Reinwald Kranner aus Wien, der das erste Mal dabei ist, scheint geradezu prädestiniert für die Rolle des Junkers zu sein. Sowohl seine schauspielerische als auch gesangliche Darbietung mit „Born to be wild“ überzeugten: Erst als Deklamation und im Duett mit dem Tankwart, dann mit dem gesamten Ensemble gesungen, brachte der Junker von der traurigen Gestalt das Publikum zum Toben. Die musikalische Begleitung durch Gernot Kogler (Gitarre) und Bethold Mäntele (Saxofon) sowie mit spanischen Rhythmen komplettierte die Atmosphäre und lockerte die Handlung auf.

Die Zuschauer erlebten in Seelbach eine unterhaltsame, bunte und spielfreudige Inszenierung eines Romans, der auch 400 Jahre nach seiner Erscheinung hochaktuell zu sein scheint.

Wie im Roman stirbt Don Quijote auf der Bühne. Die Figur des Junkers lebt aber weiter. „Ich werde deine Geschichte weitererzählen“, verspricht Tim.

Weitere Aufführungen

Vier weitere Aufführungen des Stücks stehen noch an: Mittwoch, 13. September, Freitag, 15. September und Samstag, 16. September. Beginn ist jeweils um 18 Uhr. Bei der letzten Vorstellung am Sonntag, 17. September, treten die Darsteller bereits um 15 Uhr auf die Bühne.