Ortsvorsteher Klaus Girstl händigte dem Baronspaar Christian II. und Nicole I. die Gemeindekasse aus. Viel zu holen war nicht.    Foto: Vögele

Wie in allen ihren Hochburgen haben die Narren auch in Reichenbach am Schmutzigen Donnerstag die Macht übernommen – mit Narrenbaumstellen und Rathaussturm. Bis Aschermittwoch werden sie dem öffentlichen Leben im Dorf ihren Stempel aufdrücken.

Das Baronspaar zog am Donnerstagvormittag mit seinem Gefolge von Schergässlern in die Schule und in die Kindergärten, um mit den Kindern die Fastnacht zu beginnen. Nachmittags rumorte es gewaltig rund um die Schergasse und den Lindenplatz.

Mit Narri und Narro verfolgten Groß und Klein das Aufstellen des Narrenbaums, der zuvor vom Narrensamen geschmückt worden war. Manche hielten den Atem an, bis der Baum sicher aufgepflanzt war. Für ihre Mühe wurden die fleißigen Helfer mit einer kräftigen Narrensuppe gestärkt, die auch den Zuschauern des Spektakels serviert wurde.

Narrensuppe gibt Kraft für das Stellen des Baums

Unter den Klängen der Musikkapelle stürmten die Narren am Abend das Rathaus. Ortsvorsteher Klaus Girstl und seine dienstbaren Geister ergaben sich ohne Gegenwehr der Überzahl an Narren. Er händigte dem Baronspaar Christian II. und Nicole I. die gähnend leere Gemeindekasse aus. Oberzunftmeister Thomas Fischer, Zunftmeister Armin Furtwängler und die Zunfträte verteilten die wohlverdienten Orden und alle feierten ausgelassen bei einem guten Tröpfchen den Triumph der Fasent.

Mit wohlgesetzten Worten verkündete das Baronspaar den Beginn seiner Herrschaft und versprach dem närrischen Volk eine glückselige Fasent. Nach viel Tamtam setzte sich der Hemdglunkerumzug dann zur Schergasse in Bewegung. In Nachthemden, mit „Saublodere“, Fackeln, Lampions und lärmendem Getöse strömte das närrische Volk der Schergasse zu, wie es das Reichenbacher Fasentlied, das immer wieder begeistert angestimmt wurde, besingt.

Im „Nörgler“ präsentierten sich bis spät in die Nacht die fantastischen Gruppen und Nachtwandler. Im Wachthisli, im Kuhstall, bei den Schutterschlurbi und Bänklehockern wurde gefeiert, was das Zeug hielt. Immer wieder tauchten närrische Gruppen in bunter Vielfalt aus der Dunkelheit auf, die dem „Schmutzigen“ in Reichenbach seit jeher ein besonderes Flair verleihen und diese Nacht bekannt machen.

Eine weitere Fastnachtstradition wird sehr gepflegt: Ungeduldig warteten schon am Freitag viele auf die Fasentzittung, die von den Schergässlern zum Kauf angeboten wurde. Sie kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Schon 1950 kam das erste Blättle heraus. So trägt die Fasentzittung nach mehr als 70 Jahren noch immer, getreu ihrem Motto: „Jedem zur Freud, keinem zum Leid“, zum Frohsinn und auch ein wenig zur Schadenfreude bei. Ein beliebter Denksport ist es dabei auch, herauszufinden, um welche Personen es sich dabei handelt, deren Missgeschicke so genüsslich ausgebreitet und glossiert werden. Doch ein närrischer Mensch nimmt das mit Humor, denn nur der ist ein echter Narr, der auch über sich selbst lachen kann.