Karin Weißer (von links), Christina Obergföll, Sandra Boser, Stefan Wälte, Armin Hauff, Bürgermeister Thomas Geppert und VHS-Leiter Thomas Lang informierten auf dem Wochenmarkt über die Hilfsangebote. Foto: Kern

Das Alfa-Mobil hat am Mittwoch Halt in in Wolfach gemacht, um auf das Thema Analphabetismus aufmerksam. In der Ortenau sind schätzungsweise rund 34 000 Menschen betroffen. Im September soll in Wolfach darum ein neues Kursangebot starten.

Mehr als sechs Millionen Erwachsene in Deutschland haben nur sehr geringe Lese- und Schreibkenntnisse. Diese Kulturtechniken bilden jedoch die wichtigste Voraussetzung für die Teilnahme am kulturellen, sozialen und beruflichen Leben.

In der Ortenau wohnen schätzungsweise 34 000 Betroffene, informierte das Team des Alfa-Mobils vom Grundbildungszentrum (GBZ) Ortenau beim Aktionstag in Wolfach. Ab September will die örtliche Volkshochschule ein kostenloses Kursangebot starten. „Die Rahmenbedingungen sind gegeben, in Kleingruppen auf unterschiedlichen Niveaus zu arbeiten“, sagte VHS-Leiter Thomas Lang.

Kursangebot bei der VHS ab September

Er informierte gemeinsam mit dem Team des Alfa-Mobils über Hilfsangebote und wie diese aussehen. Im Vordergrund stehen soll ein Zeitangebot und eine Lehrkraft als Ansprechpartner bei Fragen. Die Lernenden werden nicht mit Inhalten berieselt, sondern arbeiten mit eigenem Material je nach Kenntnisstand.

Bürgermeister Thomas Geppert betonte in seiner Begrüßung, wie wichtig es sei, das Thema Analphabetismus gesellschaftlich ins Blickfeld zu rücken. Das Alfa-Mobil leiste einen bedeutenden Beitrag hinsichtlich des Abbaus von Berührungsängsten. „Diese aufsuchende Arbeit ist sehr wertvoll,“ schloss sich Landtagsabgeordnete Sandra Boser den anerkennenden Worten an. Die Staatssekretärin im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport ging in ihrem Grußwort auf die acht Grundbildungszentren im Land und deren Arbeitsweise ein.

Mit von der Partie war auch deren Botschafterin Christina Obergföll, die Betroffenen Mut machen will. „Es ist nie zu spät, Chancen zu ergreifen“, so die ehemalige Speerwurf-Weltmeisterin.

Die Ursachen für geringe Lese- und Schreibkenntnisse sind vielfältig, wie Karin Weißer, Leiter der Ortenau GBZ, erörterte. Kurz gefasst liegen sie überwiegend im Zusammenspiel gesellschaftlicher, schulischer und familiärer Faktoren. Die Betroffenen selbst zu erreichen, gelinge zwar ab und an, doch sehr wichtig sei das sogenannte „mitwissende“ Umfeld. Sie übernehmen Aufgaben, wie unter anderem Formulare ausfüllen, verhindern dadurch jedoch die Eigenständigkeit des Betroffenen.

Diese „Eingeweihten“ zur Kooperation zu erreichen, ist weiteres Bestreben des Alfa-Mobils.

Strategien, um prekäre Situationen zu umschiffen

Viele der Betroffenen „funktionieren“ im Alltag und entwickeln ausgeklügelte Strategien, prekäre Situationen zu umschiffen. Armin Hauff, der zum dritten Mal mit dem Alfa-Mobil tourt, lernte mit 45 Jahren das Alphabet. Er weiß um die Versagensängste und Minderwertigkeitsgefühle, den Leidensdruck und das Gefühl der Isolation. „Für mich war es ein harter Weg und ich brauchte einen langen Atem,“ bekennt der heute 62-Jährige.

Das Grundfundament des Lesens und Schreibens wurde nie stabil entwickelt. Die Eltern waren eingespannt in die Arbeit zwischen Feld und Reben. „Der Amtsarzt diagnostizierte einen Sprachfehler und ich sollte auf einer Sonderschule entsprechende Förderung bekommen – die aber fand nie statt“, erinnert sich Hauff. Heute ist es ihm eine Herzenssache, zu ermuntern und anzuspornen, die Hilfsangebote des Grundbildungszentrums anzunehmen.

„Alpha-Dekade“

Knut Becker von der Fachstelle für Grundbildung und Alphabetisierung Baden Württemberg unterstrich die ressortübergreifende Arbeit der „Alpha Dekade“. Sie wurde 2016 ausgerufen und ist auf zehn Jahre ausgelegt. Bis 2026 soll die Lese- und Schreibfähigkeit von Erwachsenen maßgeblich verbessert werden. Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit aus dem Komplex Kultur - Ländlicher Raum – Wirtschaft - Soziales sowie Wissenschaft/Kunst vertieft werden. Für die Kampagne stellte das Bundesbildungsministerium Fördergelder bis zu 180 Millionen Euro zur Verfügung.