So sah die Sulzer Volksbank nach der Sprengung aus. Foto: Heidepriem

Über ein Jahr nach den Explosionen in der Sulzer Volksbank stehen die mutmaßlichen Täter nun in Bamberg vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft verliest die Anklage - und spricht unter anderem von "mafiösen Strukturen".

Für ihre kriminellen Machenschaften waren die Automatensprenger teils wohl auch mit einem Fiat 500 unterwegs - und ohne Schuhe. Beim Prozess vor Gericht kam es nun nach mehreren Verschiebungen zur Verlesung der Anklage. Und die brachte neue Details ans Tageslicht.

Für den Mammutprozess wurde eine Turnhalle der Bundespolizei hergerichtet. Unter höchsten Sicherheitsauflagen startete das Verfahren gegen 16 Bandenmitglieder. Darunter auch die Sprenger aus Sulz.

Die Angeklagten

Angeklagt wegen der Volksbank-Sprengung sind der 26-jährige O., der 28-jährige E. und der 29-jährige S. - ein weiterer in Sulz beteiligter Mittäter konnte noch nicht ermittelt werden und bleibt unbekannt.

Das Verfahren ist in zwei Anklagen unterteilt worden. Die Sprenger von Sulz sind gemeinsam mit einem weiteren Angeklagten (G.) Teil der weniger umfangreichen Anklageschrift. O., E., G. und S. waren wohl ab 2021 oder früher Teil einer Gruppe, von der ein Großteil bereits festgenommen wurde.

Beim Prozessauftakt Anfang des Jahres hatte ein Angeklagter zwei Mittelfinger gezeigt. Foto: Daniel Löb/dpa

In der anderen Anklage werden die anderen zwölf Banksprenger abgehandelt, die unter anderem für die Taten in Kappel-Grafenhausen und Empfingen verantwortlich sein sollen.

Die Bande

Wie die Staatsanwaltschaft beschreibt, war die niederländische Bande gut vorbereitet. In wechselnder Besetzung vom Sprengsatzbauer über den Logistiker bis hin zum Fahrer und Sprenger war alles wohl präzise geplant.

Vorab hatte die Bande einen Späher mit einem Audi A3 oder einem VW Passat zu den Banken geschickt, der die Lage auskundschaften sollte. Zudem suchte der Späher einen Unterschlupf in Form einer Scheune oder Garage als Rückzugsort, wenn es Probleme beim Knacken der Automaten geben sollte.

Ein Angeklagter wird beim Prozess-Neubeginn in die Bamberger John F. Kennedy-Halle geführt. Foto: Daniel Löb/dpa

Bei den Taten selbst kam einer von zwei hochmotorisierten Audi RS 6 zum Einsatz. Die Anreise fand wohl regelmäßig über die Autobahn 52 statt. Die Autos hatten demnach eine Schnellwechsel-Einrichtung für die Kennzeichen, um diese ohne zu schrauben rasch tauschen zu können. Die Kennzeichen zum Wechseln stahl die Bande wohl auf P&R-Parkplätzen entlang ihrer Route.

Die Bande werde laut Bayrischem Rundfunk in Ermittlerkreisen der sogenannten "Mocro Mafia" zugeordnet. Die Bezeichnung stehe für Banden des organisierten Drogenhandels, die sich vornehmlich aus Marokkanern, Personen von den Niederländischen Antillen, aus Niederländern sowie Belgiern zusammensetzen. Im niederländischen Slang sei "Mocro" die Bezeichnung für Marokko. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte die "Mocro Mafia" unter anderem in den 2010er-Jahren mit einem Bandenkrieg und damit verbundenen dutzenden Auftragsmorden, darunter an dem Journalisten Peter R. de Vries.

Die Sprengerbasis

Die Basis der Sprenger war scheinbar erst eine Garagenbox, bis diese wohl von der Polizei observiert wurde. Ab dann zog die Bande um und richtete sich zur Tarnung in einer Autowerkstatt ein. In einem Gebäude hinter der Werkstatt entstand unter anderem eine versteckte Sprengstoffwerkstatt.

Um "mafiöse Strukturen" handle es sich hier laut Staatsanwaltschaft. Die Gewinne aus den Automatensprengungen sollten in weitere Verbrechen, wie Betäubungsmittelgeschäfte, investiert werden.

Zudem wurden stetig neue Mittäter angeworben, ausgebildet und eingesetzt. Das Vorgehen bei den Taten wurde stetig angepasst und weiterentwickelt.

Der Fiat 500

Zum Abtransport der Beute aus der Werkstatt wurde auf unauffälligere Autos gesetzt. Erst am 12. Mai - wenige Tage vor der Sprengung in Sulz - holten die Angeklagten nach einer der vorherigen Taten bei Frankfurt ihre Beute und "Tatmittel" vom abgestellten Fluchtwagen mit einem Fiat 500 ab.

Die Vorbereitung

Drei Tage später bereiteten O. und S. dann die nächste Sprengung in Sulz vor. Der Audi RS 6 wurde mit Benzin befüllt, Kanister und Werkzeug eingeladen. Die Garagenbox wurde dann von O. mit "Gegenobservationskameras" ausgestattet.

Am 16. Mai besorgte S. mit seinem VW Polo in Utrecht "Arbeitstelefone". Gegen 21.40 Uhr hatte E. dann mit einem Begleiter in der Nähe der Garagenbox das Kennzeichen eines Fiat 500 für die anstehende Fahrt geklaut. Etwa zeitgleich bereiteten O. und S. weiter das Tatfahrzeug an der Garage vor.

Die Sprengung

Gegen 22.50 Uhr machten sich O., S. und E. dann gemeinsam mit einem vierten, bislang Unbekannten auf den Weg nach Sulz. Auf dem Weg tauschten sie erneut die Kennzeichen. Am Folgetag gegen 3.54 Uhr kam die Bande dann in Sulz am Neckar an.

Ihr Ziel waren zwei Geldautomaten mit rund 226.000 Euro Inhalt. Dunkel gekleidet, mit Sturmhauben maskiert und Stirnlampen auf dem Kopf hebelten sie die Automaten auf, deponierten Sprengstoff über dem Geldausgabeschlitz und zündeten diesen.

Zu zweit oder zu dritt nahmen sie etwa 215.510 Euro mit und flohen mit ihrem dunkelgrauen Audi RS6. Es entstand Sachschaden am Gebäude und den Automaten in Höhe von rund 315.000 Euro.

Der Audi RS der Täter - fotografiert kurz vor der Flucht Richtung Autobahn A 81. Foto: Privat

Der Tag danach

Anhand einer neuen Taktik fuhren die vier nicht zurück in die Niederlande, sondern blieben in Deutschland und schlugen einen Tag später erneut zu. Dieses mal in Leipheim, wieder nachts um 3.07 Uhr. Ziel 65.000 Euro, aber nur 5.235 Euro landeten in den Taschen der Bande. In der Zwischenzeit folierten sie ihren Audi RS6 wohl in Schwarz um und tauschten das Kennzeichen erneut durch eines, welches auf dem Weg nach Sulz in Köln an einem VW Golf abmontiert wurde.

Einen Tag später kam die Gruppe gegen 5.25 Uhr wieder an der Garagenbox in den Niederlanden an. S. und E. waren dabei wohl ohne Schuhe unterwegs, was sich wohl durch die Vernichtung von Beweisen erklären lassen könnte. Denn die zwölf Bandenmitglieder aus der anderen Anklage hatten wohl immer wieder Beweise entlang der Autobahn weggeworfen oder gar verbrannt.

Die Bilanz

Insgesamt wurden laut Anklageschrift rund 273.000 Euro erbeutet. Es entstand ingesamt ein Schaden in Höhe von etwa 1.237.965 Euro.

Die Anklage

Die Angeschuldigten E. und S. sind wegen schwerem Bandendiebstahl in Tateinheit mit Zerstörung eines Bauwerkes in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in drei tatmehrheitlichen Fällen in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

Der Angeschuldigte O. wird wegen schwerem Bandendiebstahl in Tateinheit mit Zerstörung eines Bauwerkes in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in vier tatmehrheitlichen Fällen in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

Zudem muss O. - wohl Fahrer dieser Gruppe - damit rechnen, das ihm aufgrund seiner Fahrweise bei den vier Taten in Bretzfeld, Sossenheim, Sulz und Leipheim gegebenenfalls der Führerschein abgenommen wird.

Der Prozess

Bereits am ersten Verhandlungstag war der Prozess für die nächsten vier Termine ausgesetzt worden. Am 8. Mai sollte es dann weitergehen. Daraus wurde nun der 24. Juni.

Die Eröffnung der Verhandlung in Bamberg. Foto: Daniel Löb/dpa

Grund: Nur einen Tag vor Prozessbeginn war den Anwälten ein USB-Stick mit umfangreichem Aktenmaterial zugestellt worden, wie der Bayrische Rundfunk berichtet. Ende März erst habe es zudem eine Festplatte mit Videomaterial im Umfang von 18 Terabyte für die Anwälte gegeben - mit zu wenig Vorbereitungszeit für eine sinnvolle Verteidigung.

Den am Montag fortgesetzten Prozess verfolgten die Angeklagten mitunter gelangweilt und ohne den Kopfhörer mit der Übersetzung des Dolmetschers auf den Ohren. Von den Verteidigern kam zum neuerlichen Auftakt ein Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter sowie erneut ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens. Eine Entscheidung fällte die Kammer zunächst nicht. Laut einem Gerichtssprecher könnte diese am Mittwoch verkündet werden. Es droht damit weiter, ein zäher Prozess zu werden. Bislang sind Termine bis Ende Januar 2026 vorgesehen.