Wolfgang Klotz (von links), Roland Obermaier und Paul Theurer engagieren sich mit ihrem Verein gegen den Windradbau in Ostelsheim. Foto: Felix Biermayer

Der Verein „Freie Landschaft Ostelsheim“ (FLO) engagiert sich gegen den Windradbau im Ort. Er hofft, dass sich die Bürger bei der Abstimmung am 13. April gegen das Projekt aussprechen – und versucht sie nun von einem „Nein“ zu überzeugen.

Am 13. April haben es die Bürger in der Hand: Sie können darüber abstimmen, ob die Kommune den vom Gemeinderat geschlossenen Gestattungsvertrag mit den Stadtwerken Tübingen (SWT) zum Bau dreier 262 Meter hoher Windräder im Lochwald aussteigt. Dass es den Bürgerentscheid überhaupt gibt, das geht auf das FLO-Konto. Der Verein hatte dafür mehr als 1000 Unterschriften gesammelt und dem Gemeinderat übergeben. Der stimmte im Januar dann für die Durchführung des Plebiszits.

 

„Eigentlich undemokratisch“

„Wir konnten es nicht glauben“, erinnert sich FLO-Schatzmeister Wolfgang Klotz an den Moment, als er von dem Gestattungsvertrag erfuhr. Denn zum einen habe es kürzlich erst eine Bürgerbefragung gegeben, in der sich eine Mehrheit gegen Windräder im Ort aussprach. Sich darüber hinwegzusetzen, sei „eigentlich undemokratisch“, findet der zweite FLO-Vorsitzende Theurer. Zum anderen habe der Gemeinderat 2012 den Bau von deutlich kleineren Anlagen abgelehnt. Die Gründe: zu wenig Wind und Artenschutz.

Als er von den aktuellen Plänen erfahren habe, seien sie aktiv geworden, so Klotz. Ein Verwaltungsjurist hätte sie beraten und ihnen wenig Hoffnung gemacht. Deshalb versuchten sie es auf einem anderen Weg. Im Dezember hätten sie die Unterschriften gesammelt und FLO gegründet. Seit Anfang des Monats ist der Verein offiziell eingetragen. Vergangene Woche genehmigte der Gemeinderat die Vereinsfördermittel.

Knapp 1100 Euro bekommt FLO von der Kommune. Dazu kommen knapp 3000 Euro aus den Beiträgen der etwa 60 Mitglieder – und noch rund 9000 Euro an Spenden von Ostelsheimern, so Klotz. Damit finanzierten sie ihre „Kampagne“: FLO-Flyer, Banner, die um den Ort aufgestellt sind, eine Rechtsberatung und den Info-Abend, der diesen Freitag in der Gemeindehalle stattfindet. „Wir brauchen weitere Spenden“, so FLO-Vorsitzender Obermaier. Man wisse ja nicht, wie es nach dem Bürgerentscheid weitergeht.

Unwirtschaftlich und laut?

Doch warum ist FLO gegen den Windradbau? „Warum müssen die Dinger im Lochwald stehen?“, fragt Klotz. Baden-Württemberg sei eine der windärmsten Regionen in Deutschland, die geplanten Windräder gehörten zu den größten Anlagen an Land. Ohne die EEG-Umlage seien die Anlagen nicht wirtschaftlich. Zudem befürchtet er eine Belastung durch Lärm, Infraschall oder Schattenschlag sowie eine Gefahr für Gewässer und Tiere. Er mutmaßt, dass Infraschall einen Einfluss auf die Fruchtbarkeit der in der Nähe gehaltenen Rinder habe. Dass in Norddeutschland auch in der Nähe der viel zahlreicheren Windräder Tiere gehalten und solche, wie andere geschilderte Probleme selten aufträten, kommentiert Klotz so: „Mich interessiert Ostelsheim“.

Die Risiken lägen bei den Ostelsheimern, die Chancen bei den SWT. Dass die Kommune über die Anlagen jährlich 300 000 Euro einnehmen könne, sieht er als „Milchmädchenrechnung“. Es handele sich dabei um Geld aus der EEG-Umlage – und das stamme aus Steuermitteln. Das Projekt sei eigentlich unwirtschaftlich. Zudem befürchtet er, dass Leute aus dem Ort wegziehen oder gar nicht erst herziehen, sollten die Anlagen stehen. Das führe zu weniger Gewerbe- und Einkommensteuereinnahmen für die Kommune.

Persönliche Anfeindungen

Obermaier erzählt von großer Unterstützung aus dem Ort. Man wolle sachlich argumentieren und den Ort nicht spalten. Vereinzelt gebe es persönliche Anfeindungen. Die Kommentarfunktion auf Facebook habe FLO abgestellt. Auf der FLO-Seite prangt ein Bild, auf welchem die Anlagen neben dem Ulmer Münster und dem Stuttgarter Fernsehturm stehen – im Vordergrund liegt Ostelsheim. Dass die Windräder darauf viel größer erscheinen, als sie später vom Ort aus zu sehen wären, stört Klotz nicht. „Es ging um den Größenvergleich“, sagt er. Er sehe keinen Grund, das Bild auszutauschen.

Info-Abend

Zum Info-Abend am Freitag hat FLO einen Bürger aus Baiereck eingeladen. In dem Ort bei Göppingen leiden laut einer Umfrage der dortigen Verwaltung viele Anwohner unter dem Lärm der Anlagen. „Obwohl bei der Genehmigung alle Grenzwerte eingehalten wurden“, so Klotz.

Zudem kommt der frühere Hamburger SPD-Umweltsenator Fritz Vahrenholt, der bei RWE und Shell zeitweise für die erneuerbaren Energien zuständig war. Vahrenholt ist umstritten. Er sieht die Sonnenaktivität als einen Grund für den Klimawandel. Seine 2011 veröffentlichten Prognosen hat die Realität widerlegt. Viele Wissenschaftler widersprechen Vahrenholts Thesen. Ist so jemand ein guter Gast, wenn man um Sachlichkeit in der Debatte bemüht ist? „Dass er wissenschaftlich kontrovers ist, das ist so“, sagt Klotz. FLO wollte aber jemanden einladen, der das Thema „von der Energieseite her“ beleuchte. Dafür sei Vahrenholt der richtige Referent.

Klotz sagt, er werde das Ergebnis des Bürgerentscheids akzeptieren. Obermaier will das Ergebnis abwarten, und dann mit den FLO-Mitgliedern „Möglichkeiten ausloten“. Dass die Ostelsheimer am Ende doch auf Windräder schauen – es sind ebenfalls Anlagen im benachbarten Dätzingen geplant – glaubt Klotz nicht. Die dortigen Bewohner würden Windräder nicht akzeptieren, ist er sich sicher. „Wenn sie stehen, ist es zu spät“, sagt er.