Das erste offizielle Bild von Saskia Esken nach dem Einzug in den Bundestag entstand am Montag vor der Sitzung des Kreistags-Kulturausschusses. Foto: Fritsch

Nach langem Zittern hat es die SPD-Kandidatin doch in den Bundestag geschafft. Lebensmittelpunkt wird der Wahlkreis bleiben.

Nordschwarzwald - Sie hat es doch geschafft. Die Sozialdemokratin Saskia Esken ist in den Deutschen Bundestag eingezogen. Und die Arbeit lässt nicht auf sich warten. Heute früh sitzt sie im Zug, um noch heute an der ersten Fraktionssitzung in Berlin teilzunehmen.

Die Freude im Nagolder Naturfreundehaus war groß, als am späten Sonntagabend endlich klar war: Der Kreis Calw hat neben dem Direktkandidaten Hans-Joachim Fuchtel (CDU) auch noch eine zweite Vertretung im Bundestag, die Sozialdemokratin Saskia Esken. Doch die Partei, die da in Nagold jubelte, veranstaltete deshalb keine Riesenparty. "Wir haben ganz verhalten gefeiert", erzählt die Neu-Abgeordnete Esken am Tag danach im Gespräch mit unserer Zeitung. Zu anstrengend war der Wahlkampf, zu nervenaufreibend der Ritt auf der Rasierklinge am Wahlabend.

Außerdem geht die Arbeit sofort los. Noch am Montagabend der erste Termin auf Landesebene. Am frühen Dienstagmorgen geht es dann für Saskia Esken mit dem Zug in die Bundeshauptstadt, wo noch am gleichen Tag die erste Fraktionssitzung über die Bühne gehen wird. Die alte und die neue Fraktion werden sich treffen.

Ob sie auch an dem kleinen Parteitag in Berlin am darauffolgenden Freitag teilnimmt oder teilnehmen muss, steht noch nicht fest. Dort will man unter anderem besprechen, wie sich die SPD zu möglichen Koalitionen stellt. Ob sie nun dabei ist oder nicht, die vielfach diskutierte Große Koalition sieht die neue Abgeordnete aus Bad Liebenzell skeptisch – und das nicht nur, weil die SPD aus der bisher letzten Großen Koalition nicht unbedingt gestärkt hervorging. Esken bereitet Sorgen, dass bei einer solchen Koalition nur eine Mini-Opposition vorhanden wäre, auch mit Blick auf die Konstellation im Bundesrat.

"Habe keine Angst, dass ich das alles nicht geregelt bekomme"

Doch Große Koalition hin oder her, das Leben der Saskia Esken wird sich stark verändern – zumindest unter der Woche. Denn schon am Tag nach ihrer Wahl stellt sie klar: "Mein Lebensmittelpunkt wird weiter mein Wahlkreis bleiben, und in Berlin werde ich meinen Job erledigen." Währenddessen werde ihr Ehemann gemeinsam mit ihren drei 14, 17 und 19 Jahre alten Kindern den Haushalt managen. Da passe es gerade perfekt, dass Eskens Ehemann vor Kurzem in Rente gegangen ist.

Auch was ihre politische Präsenz in ihrer Heimat angeht, hat die neue Abgeordnete schon konkrete Pläne, befindet sich schon auf der Suche nach einem Wahlkreisbüro. Das will sie mittendrin im Wahlkreis und "nicht in irgendeinem Teilort" einrichten. Momentan deutet alles darauf hin, dass sich das Büro in Nagold befinden wird.

Völliges Neuland ist für Esken dagegen das politische Berlin. Dort muss sie sich nicht nur ein eigenes Büro einrichten, sondern sich auch im Polit-Zirkus der Hauptstadt zurechtfinden. Doch bange davor ist ihr nicht, so sei sie einfach nicht gestrickt: "Ich habe keine Angst, dass ich das nicht geregelt bekomme", sagt sie selbstbewusst. Was das Büro angehe, könne sie auf Freunde in Berlin zählen. Und für Ratschläge in Bezug auf den Polit-Betrieb könne sie sich auf die Tipps ihrer Parteifreundin Katja Mast, der SPD-Abgeordneten für den Wahlkreis Pforzheim/Enzkreis und Generalsekretärin der baden-württembergischen Sozialdemokraten, verlassen. "Und außerdem kann ich noch auf die Fraktionsgeschäftsstelle bauen", sagt Esken.

Aber selbst die wird sie nicht auf die Zusammenarbeit mit dem anderen Abgeordneten aus ihrem Wahlkreis vorbereiten können: Hans-Joachim Fuchtel, mit dem Esken möglicherweise auch in einer Großen Koalition kooperieren muss. "Wenn es sein muss, wird das in diesem Fall schon klappen", meint Esken, der trotzdem schwant, dass es mit Fuchtel "nicht ganz einfach" werde. Eins kann sie jedoch schon jetzt versprechen: "Wir werden uns nicht auf die Füße treten."

Sind all diese Probleme gelöst und Fragen beantwortet, bleiben noch die nach ihren aktuellen politischen Posten. Sicher ist, dass sie ihren Sitz im Calwer Kreistag weiter behalten will. Sie werde sich mit Landrat Helmut Riegger in Verbindung setzen, um es möglich zu machen, dass die Termine der Ausschuss- und Kreistagssitzungen so gelegt werden, dass die Sozialdemokratin auch daran teilnehmen kann.

Noch nicht ganz klar ist, was mit ihrem Sitz im Bad Liebenzeller Gemeinderat passiert, zumal nächstes Jahr ohnehin Kommunalwahlen sind. Was ihren Posten im Vorstand des Landeselternbeirats angeht, wird sie den vorläufig noch behalten. Allerdings stehen auch da in naher Zukunft Vorstandswahlen an.

Kommentar: Trostmandat

Von Markus Katzmaier

Wahlen kennen Gewinner und Verlierer. Doch bisweilen verschwimmen diese Grenzen. Klarer Gewinner ist Hans-Joachim Fuchtel (CDU). Gewinner der Bundestagswahl ist aber auch der Kreis Calw, weil er künftig wieder durch zwei Abgeordnete in Berlin vertreten ist. Das zweite Mandat kommt Saskia Esken (SPD) zu. Erwartungsgemäß nicht aus eigener Kraft.

Genau genommen ist es die Schwäche der SPD, die ihr – wie schon Rainer Prewo – hilft, weil ihre Partei kein Direktmandat im Land holt und somit den Einzug über die Landesliste garantiert. Verloren und doch gewonnen. Einem in vielen Punkten schwächelnden Kreis kann es nutzen. Auch wenn ungewiss ist, wie die Arbeit der beiden Mandatsträger aussehen wird. Darf Esken als Opposition mit Fuchtel hart ins Gericht gehen oder wird sie Juniorpartnerin in einer Koalition? Letzteres dürfte ihr weniger liegen.