Die Hoffnungen klammerten sich damals am letzten Handysignal von Dirk Brünker – eine große Suchaktion nach dem 61-Jährigen war die Folge. Nun gerät dieses Signal erneut in den Fokus und sorgt bei der Familie für Spekulationen, was mit dem Villinger passierte.
Der nächtliche Großeinsatz am 4. Januar 2023, 13 Tage nachdem Dirk Brünker in Villingen spurlos verschwand, war eine der letzten großen Hoffnungen, den 61-Jährigen doch noch lebend zu finden.
In einem Waldgebiet zwischen Brigachtal-Klengen und Grüningen rückten an jenem Abend Rettungshundestaffeln aus ganz Süddeutschland an – rund 100 Einsatzkräfte verschiedenster Organisationen waren am Ende vor Ort, um die Fährte des Vermissten aufzunehmen. Am Ende vergebens. Dirk Brünker blieb weiter verschwunden.
Dass ausgerechnet in diesem Waldstück nach dem groß gewachsenen Ex-Kicker des FC 08 Villingen gesucht wurde, hing mit dem Signal seines Mobiltelefons zusammen. Denn an dem dortigen Funkmast hatte sich das Handy von Brünker den Ermittlungen zufolge zuletzt eingeloggt.
Das hatte damals auch ein Polizeisprecher gegenüber unserer Redaktion erklärt und damit den Hintergrund der großangelegten Suchaktion genannt. Da eine direkte Ortung fehlschlug, analysierten die Beamten die letzten Datenströme des Mobiltelefons.
Letztes Signal in der Nacht des Verschwindens
Laut Auswertung wurden diese eben an einem Sendemast nördlich von Grüningen empfangen – zudem fand in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember die Ausbuchung des Handys statt. Also genau in jener Nacht, in der Dirk Brünker verschwand. Die damalige Erläuterung: Es war nicht auszuschließen, dass der Vermisste mit dem Ringzug nach Klengen oder Grüningen gefahren und dort ausgestiegen ist.
Nachdem man am 9. März die Leiche des 61-Jährigen aus der Brigach bei Donaueschingen barg, waren sich die Beamten hingegen sicher: Brünker stürzte bereits in Villingen in die Brigach, starb wohl durch Ertrinken. Ein Unglück also. Dass der Villinger trotz intensiver Suche nicht gefunden wurde, könne – so die Erklärung der Polizei – auch daran liegen, dass der Körper unter Wasser an einer Wurzel hing und er erst später an die Oberfläche gedrückt wurde.
Zehn Kilometer in 24 Minuten zurückgelegt
Die Familie und das beauftragte Berliner „Recherche Zentrum“ um die Journalisten Nadine Saeed und Luke Harrow haben nun aber Zweifel an der offiziellen Version geäußert. Seit knapp einem Jahr recherchieren sie zu den Umständen des Verschwindens. Ein wichtiger Anhaltspunkt hier ist ebenso dieses letzte Signal.
Denn laut Saeed und Harrow geht aus den Ermittlungsakten der Beamten hervor, dass das Handy von Brünker in der Nacht seines Verschwindens innerhalb von 24 Minuten rund zehn Kilometer fortbewegt hatte. Eingeloggt sei es demnach zunächst am Mast im Kopsbühl und dann eben an diesem kleinen Funkmast bei Grüningen gewesen, der laut der Journalisten in einem überschaubaren Radius bis kurz hinter Brigachtal Signale sendet.
Wurde er in ein Auto gezwungen?
Dieser schnelle Ortswechsel sei nicht durch ein Treiben des Körpers in der Brigach zu erklären, machen sie deutlich. Eine solche Strecke könne in so kurzer Zeit nur in einem Auto oder mit dem Zug zurückgelegt werden. Eine Zugfahrt von Dirk Brünker konnten die Ermittler – so erklären die Journalisten – jedoch nicht nachweisen. „In den Akten wurde vermerkt, dass ein ‚zwangsweises Verbringen mit einem Auto‘ die einzige Erklärung ist“, so Saeed. Heißt: Man hielt es für möglich, dass der Vermisste in ein Auto gezwungen wurde.
Aufgrund der intensiven Suchmaßnahmen und dem fehlenden Auffinden von Brünker sei laut den Ermittlungen ein Suizid oder ein Unglücksfall „immer unwahrscheinlicher“ geworden. Das Recherche Zentrum erklärt, dass die Polizei deshalb „intensiv in Richtung eines Tötungsdeliktes“ ermittelte. Auch habe es Tatverdächtige gegeben, so die Journalistin im Gespräch mit unserer Redaktion.
Polizeipräsidium wiegelt Anfrage ab
Beim Abschlussbericht der Polizei heißt es dann jedoch: Ein Fremdverschulden könne ausgeschlossen werden. Die Familie und die Journalisten sehen deshalb Widersprüche zu den zwischenzeitlichen Ermittlungen – insbesondere aufgrund des schnellen Ortswechsels des Handys. Nun soll ein neues Gutachten das Bewegungsprofil in der Nacht seines Verschwindens genau rekonstruieren.
Wie bringt die Polizei diese Handyspur mit einem Unglücksfall in Einklang? Eine Anfrage unserer Redaktion bringt kein Licht ins Dunkel – denn die Führungsebene des Konstanzer Präsidiums wiegelt diesbezüglich ab, eine Beantwortung sei „derzeit nicht möglich“.
Polizeisprecherin Tatjana Deggelmann erklärt schriftlich: „Durch die Beantwortung der aufgeführten Fragen könnten sich Rückschlüsse auf geheimhaltungsbedürftige polizeiliche Arbeitsweisen und Taktiken im Zusammenhang mit der Suche nach vermissten Personen ergeben.“ Zudem würde die Polizei „durch die Auskünfte möglicherweise die privaten Interessen Schutzwürdiger – wie das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen – verletzen“.
Verwaltungsgericht entscheidet jetzt über Akten
Ein zentraler Kritikpunkt der Familie und der Recherche-Organisation ist zudem weiterhin, dass die Ermittlungsbehörden nicht die gesamten Akte herausgegeben haben. „Es ist das Recht der Familie zu erfahren, was passiert ist“, heißt es von den Journalisten. Auch hier beruft sich die Polizei auf eine notwendige Geheimhaltung zu der polizeilichen Ermittlungsarbeit.
Mithilfe eines Anwalts wolle man die vollständigen Akten nun einklagen, erklärt Harrow. Hierzu habe man bereits ein entsprechendes Verfahren beim Verwaltungsgericht Freiburg angestoßen. Wann es hier eine Entscheidung gibt, ist jedoch noch unklar.