Nach dem Wahldebakel gab es für die Sozialdemokraten beim Heringsessen viel zu diskutieren. Streitthema waren die AfD-Erfolge, gerade in Lahr, sowie der Umgang mit Spitzenkandidat Olaf Scholz. Der Wahlkreisabgeordnete blickt optimistisch nach vorne.
Etwa 45 Genossen und Gäste kamen in den „Schützen“ in Herbolzheim – neben Johannes Fechner auch Parteimitglieder von der Basis und frühere Abgeordnete aus Land- und Bundestag. Am Aschermittwoch könne man den Kopf leeren und kritische oder lustige Worte äußern, so Karl-Rainer Kopf, der für die Kreisgruppe Süd des Ortenaukreises mit dem Landkreis Emmendingen eingeladen hatte. Doch den wenigsten war zum Lachen zumute. Fechner sprach von einer „historischen Niederlage“ der SPD bei der Bundestagswahl. Die Bürger hätte man mit Inhalten überzeugt, aber wegen Kanzlerkandidat Scholz hätten viele ihr Kreuz nicht bei den Sozialdemokraten gemacht: „Olaf war ein Klotz am Bein.“ Das sahen in Herbolzheim nicht alle so, wie sich zeigen sollte. Zudem hätten, so Fechner, viele „die Schnauze vollgehabt vom Dauerzoff in der Ampel“.
Das AfD-Ergebnis sei „unverdient hoch“. Das liege auch daran, dass CDU und SPD keine Spitzenkandidaten gehabt hätten, die „gezogen“ hätten. Nun gelte es, Politik für die Mitte zu machen. Um Jobs zu sichern, Bürger und Unternehmen zu entlasten, Migration zu ordnen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, brauche es Geld.
Fechner wünscht sich Pistorius als Vize-Kanzler
Fechner freut sich, dass CDU-Kanzlerkandidat Merz nun doch an die Schuldenbremse ran wolle. Es laufe wie schon oft: „Die CDU gewinnt die Wahl und wir die Koalitionsverhandlungen.“ Nicht alle sind überzeugt: „Das wäre schön“, so ein Genosse in zweifelndem Ton.
Fechner hält eine stabile Regierung bis Ostern für möglich und dringend notwendig. US-Präsident Trump wolle Europa spalten und kleinhalten, es brauche ein starkes Europa. In der Regierung müsse die SPD treibende Kraft sein: „Ich nenne es den Merz-Schrittmacher, das ist die Rolle der SPD.“
Der Partei- und nun auch Fraktionsvorsitzende Lars Klingbeil ist für Fechner der „Mann der Zukunft“. Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius müsse eine starke Rolle spielen, ihn wünscht sich Fechner als Vize-Kanzler – und hätte sich ihn als Kanzlerkandidat vorstellen können: „Dann hätten wir anders abgeschnitten.“
An Infoständen zeigten sich viele von Scholz überzeugt
Roland Hirsch, SPD-Fraktionsvorsitzender im Lahrer Gemeinderat, glaubt nicht, dass es mit Pistorius gelungen wäre, ein deutlich besseres Ergebnis einzufahren. Dennoch hofft er auf ihn als Vize-Kanzler. Es sei außerdem ein Fehler Klingbeils gewesen, so Hirsch weiter, Pistorius nicht frühzeitig angewiesen zu haben, öffentlich auf eine Kandidatur zu verzichten. Hirsch betont – wie Günter Schrempp, ehemaliger Landtagsabgeordneter –, dass Scholz oft falsch dargestellt worden sei: Man vergesse schnell, vor wie vielen politschen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen er gestanden habe. Dass sich niemand in der Partei für das Wahl-Desaster verantwortlich erklärte, wundert Hirsch.
Eine Genossin berichtet, am Infostand hätten ihr viele Bürger gesagt, dass man froh sein könne, dass es Scholz in dieser Position gegeben habe. Zudem sei es „bescheuert“ gewesen, so die Genossin, Migration immer wieder aufs Neue zu diskutieren. „Es ist nicht durchgekommen, dass manche Sachen rechtlich nicht möglich sind,“ fand sie. Das habe auch Stimmen für die AfD gebracht.
Steffen Schmidt, stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbands Emmendingen, kritisiert, dass Parteikollege Robin Mesarosch auf einem wenig attraktiven Platz auf der Landesliste gelandet sei – obgleich er auf Social-Media enorm viele Menschen erreiche. Mesarosch wird nicht Teil des neuen Bundestags sein.
Ein Grund für das schlechte Abschneiden der SPD liege in den Koalitionsverhandlungen mit der FDP, war von einem Genossen zu hören. Dort hätte die FDP Dinge geschrieben, „die sie hinterher wohl vergessen hat“. Sie seien der „Streithammel“ der Koalition gewesen. Eine weitere Genossin betont, dass auch nach dem Koalitionsvertrag noch viel passieren könne, als Beispiel nennt sie den Ukrainekrieg. Man müsse ein bisschen flexibel bleiben. Dass es ein Stück weit an politischer Bildung fehle, monierte ein weiterer SPDler.
Laut Caroli muss die SPD nun Bilanz ziehen
Walter Caroli, früherer Lahrer Stadtrat und Landtagsabgeordneter, kam in seinem Beitrag vor allem auf die Wahlerfolge der AfD zu sprechen. Dabei verwies er auf Christine Amann-Vogt, Vorsitzende der Lahrer AfD-Gemeinderatsfraktion, und ihren vielfach kritisierten Facebook-Post (wir berichteten mehrfach). Im Folgenden ging er auf das Ergebnis der AfD in Lahr ein: 31,4 Prozent holte die Partei dort bei der Bundestagswahl.
„Demokratie muss wehrhaft sein, nicht nur nach außen“, so Caroli. Es sei nun die Hauptaufgabe der Partei, in der breiten Bevölkerung, vor allem in der Arbeiterschaft, staatsbürgerliche Verantwortung wieder ins Gewissen zu schreiben. Die Stimmen für die AfD in Lahr kämen nicht nur von Russlanddeutschen, sondern zum Teil auch aus traditionellen SPD-Bezirken wie der Südstadt. Man müsse nun ehrlich Bilanz ziehen.
Die Debatte in Herbolzheim zeige, so Fechner abschließend, dass die Partei lebe. Zum Schluss wurden mit Wolfgang Miessmer an der Ziehharmonika „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ und „Die Gedanken sind frei“ gesungen.
Wandel in der SPD
Kurz nach der Wahl löste Klingbeil, der gemeinsam mit Saskia Esken Parteivorsitzender der SPD ist, Rolf Mützenich als Fraktionsvorsitzenden ab. Auf einem Sonderparteitag im Juni soll die restliche Führungsspitze gewählt werden soll.