Boki zeigte sich in der Doppelstadt gerne mit seinem Ferrari. Foto: SWR

Zwangsprostitution, Menschenhandel und Steuerhinterziehung in VS. Auslieferung nicht in Sicht. Mit Kommentar

Villingen-Schwenningen - Mit dem Rotlicht-König Armin Culum, genannt "Boki", zappelte ein richtig dicker Fisch an der Angel der bosnischen Justiz. Die Chance, dass er dann den deutschen Fahndern ins Netz geht, war groß. Doch Boki wurde freigelassen und damit schwindet die Hoffnung, ihn wegen seiner kriminellen Machenschaften in der Doppelstadt belangen zu können.

Die Ermittlungen um Boki sind hierzulande längst eingetütet. Klar ist: "Boki" wird per internationalem Haftbefehl wegen Zwangsprostitution, Menschenhandels und Steuerhinterziehung gesucht. Tatorte waren unter anderem "Bokis" Bordells in Villingen-Schwenningen – eines davon, das 2009 im Zentrum der Razzia stand, ist noch heute in Betrieb. So groß angelegt der Zugriff der Ermittler damals auch war – "Boki" selbst ging ihnen nicht ins Netz: Er hatte Wind von der geplanten Festnahme bekommen und sich rechtzeitig ins Ausland abgesetzt.

Dort, in seiner Heimat Bosnien, ist er seither für die deutsche Justiz nicht greifbar. Trotz internationalen Haftbefehls. "Da werden Verhandlungen geführt, immer wieder", bestätigte Polizeisprecher Dieter Popp bereits im vergangenen Jahr gegenüber unserer Zeitung.

Brüder sollen Kontakt zu Mörder gehabt haben

Doch diese führten nicht zum Erfolg – nicht einmal zu Beginn dieser Woche, als "Boki" gemeinsam mit seinem Bruder Nermin im Zusammenhang mit einem ganz anderen mutmaßlichen Delikt in Bosnien festgenommen worden ist. Denn kurz bevor nahe der Stadt Banja Luka im Norden von Bosnien-Herzegowina der bekannte Geschäftsführer eines Sicherheitsdienstes und einer Bäckerei nach einem heftigen Schusswechsel umgebracht wurde, sollen die Brüder Kontakt mit den mutmaßlichen Tätern gehabt haben. Bei dem überfallähnlichen Angriff am Montagabend war neben dem Geschäftsmann auch sein Leibwächter und einer der Täter erschossen worden.

Aufgrund der Verbindung zu der von den bosnischen Behörden als Mord gewerteten Tat seien die Culums 50 Kilometer vom Tatort den Behörden ins Netz gegangen, wie bosnische Medien berichteten. 24 Stunden später seien sie jedoch nach Auskunft des dortigen Polizeidirektors wieder in Freiheit entlassen worden – und zwar aus "rechtlichen Gründen".

Bei der Staatsanwaltschaft Konstanz, die den Haftbefehl gegen "Boki" aufgrund seiner Taten in Deutschland erwirkt hatte – sind die Vorgänge in Bosnien aber nicht bekannt. "Darüber liegen uns keine Erkenntnisse vor", erklärt Pressesprecher Andreas Mathy auf Anfrage des Schwarzwälder Boten. Es würde seit der Flucht von Culum in seine Heimat ein Auslieferungsersuchen geben, welches jedoch bislang ohne Erfolg blieb. Und auch im Zuge der kurzzeitigen Festnahme, sei bei der Staatsanwaltschaft "nichts eingegangen". Informationen unserer Zeitung zufolge, wonach der Haftbefehl gegen "Boki" im Sommer diesen Jahres seine Gültigkeit verlieren soll, möchte Mathy "aus ermittlungstaktischen Gründen" nicht kommentieren.

Bei Polizeiaktion "Ezel" erneut ins Visier der Ermittler geraten

Der Gründer der "Tribuns", der Ex-Boxweltmeister "Boki" aus dem ehemaligen Jugoslawien, und sein Cousin Dado, der bei seinen Geschäften im doppelstädtischen Rotlichtmilieu seine rechte Hand gewesen sein soll, lassen es sich indes weiterhin in einem Dorf in Bosnien-Herzegowina gut gehen. Er soll dort Inhaber eines Sägewerks und Großgrundbesitzer mit entsprechenden Immobilien sein. Jedoch sind seine kriminellen Machenschaften, die ihm in Deutschland vorgeworfen werden, mittlerweile auch in seiner Heimat bekannt. Denn im Zuge der groß angelegten Polizeiaktion "Ezel" gegen Menschenhandel und Prostitution in Bosnien-Herzegowina, Österreich und Deutschland, in deren Zuge auch das Imperium des inzwischen verurteilten, inhaftierten und bekannten Bordellbetreibers Jürgen Rudloff ins Wanken geriet, stand Boki im Fokus der Ermittlungen. Er konnte sich damals, Ende 2014, jedoch erneut der Festnahme entziehen. Auf Bildern zu der damaligen Polizeiaktion ist derweil ein Porsche mit VS-Kennzeichen zu sehen, welches offenbar "Boki" gehört – diesen Schluss lassen zumindest die Initialien "BO" im Kennzeichen zu.

Immer wieder tauchen im Internet zudem selbstgedrehte Filmchen auf von dicken Autos und harten Boxtrainings der selbst ernannten, angeblich harmlosen Bruderschaft, bei der es nur um Freundschaft, nicht aber um Geschäfte gehe, wie Boki in einem Interview betonte. Einblicke in das neue Leben des einstigen Zuhälters, die für seine Opfer blanker Hohn sein müssen.

Sie mussten ihr altes Leben längst ganz weit hinter sich lassen, verstecken sich unter einer neuen Identität und tragen das ihnen zugefügte Leid doch noch immer ganz tief in sich. Eine Zwangsprostituierte, die in "Bokis" Bordell in Villingen für ihn anschaffen musste und dank des Zeugenschutzprogramms heute unter anderem Namen lebt, erzählte in einem Fernsehinterview von damals.

Das Geschäft lief gut – "es gab Tage, an denen man 3000 verdient hat, Tage, da hast du 5000 verdient", erzählt sie. Doch behalten durften die Frauen davon "nicht einen Euro". Systematisch seien Frauen als Prostituierte gehalten worden, "bis man nichts mehr reinbringt", wenn sie alt und verbraucht geworden sind. Und wer nicht spurte? "Dann wurdest du halt geschlagen", und dabei sollte man am besten "nicht laut sein", andernfalls sei ihnen der Mund zugehalten oder ein Kissen über den Kopf gezogen worden. Und notfalls sei man eben in den Wald gefahren worden, "da kannst Du so laut schreien wie Du willst", habe man zu ihnen gesagt.

Frauen seien systematisch als Prostituierte gehalten worden

In VS gab der Verein "Frauen helfen Frauen" den gedemütigten und ausgebeuteten Frauen aus "Bokis" Bordellen eine Stimme. Dorthin wurden nach den Razzien im doppelstädtischen Rotlichtmilieu die Zwangsprostituierten gebracht. Doch verweilt haben sie in VS nicht lange, obgleich es hier seit fast 20 Jahren ein Frauenhaus gibt. Diese Einrichtungen stehen bundesweit in Kontakt miteinander, betroffene Frauen werden in der Regel weit weg vom Ort des fürchterlichen Geschehens in andere Frauenhäuser gebracht. Noch am gleichen Tag der Razzia vermittelte der Verein Frauen helfen Frauen in Villingen die Damen, inklusive neuer Identität, in eine andere Region, weit entfernt.

Die Aufarbeitung dessen, was "Boki" und seinen Handlangern zur Last gelegt wird, wäre in den Augen des Vereins dennoch immens wichtig. Hier hofft man, dass die Ermittlungen rund um die Festnahme Bokis am Dienstag doch noch die Auslieferung des Rotlichtkönigs nach Deutschland zur Folge hat.

Kommentar: Vorgeführt

Von Cornelia Spitz

Besser kann man Zweifel an der Justiz kaum säen: Zuerst bekommt Boki 2009 von der groß angelegten Razzia Wind und kann vor den Fahndern nach Bosnien fliehen. Dort führt er ein feudales Leben, protzt im Internet mit dicken Sportwagen und einem ausschweifenden Lebensstil – welcher Hohn für die Opfer und Zwangsprostituierten aus den Bordellen in Villingen-Schwenningen! Unter unmenschlichen Bedingungen wurden sie als Liebessklavinnen gehalten – schockierende Berichte sind seit der in Teilen erfolglosen Razzia 2009 öffentlich geworden. Ein internationaler Haftbefehl sollte es richten. Doch abermals hält Armin Culum die deutsche Justiz zum Narren – seit zehn Jahren scheitern die Verhandlungen um seine Auslieferung. Mit der nun erfolgten Freilassung des Rotlichtkönigs nach seiner Festnahme in Bosnien wird dem die Krone aufgesetzt.