Wolfgang Grupp sitzt an seinem Schreibtisch. Im Hintergrund sitzt sein Sohn Wolfgang Grupp junior. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Seit 53 Jahren führt Wolfgang Grupp das Textilunternehmen Trigema in Burladingen (Zollernalbkreis). Anfang April wurde der Unternehmer 80 Jahre. Ans Aufhören denkt er noch nicht. Stattdessen kämpft er mit steigenden Gaspreisen.

Im Interview spricht der Unternehmer, auf dessen Schreibtisch man einen Computer vergeblich sucht, zudem über den Tankrabatt, den Fluch von Smartphones und Homeoffice. Und er verrät, wer die Idee für das T-Shirt mit seinem Konterfei hatte.

 

Herr Grupp, Sie sitzen mitten in einem Großraumbüro, jeder kann mithören und sehen, wer zu Ihnen kommt. Brauchen Sie im Büro gar keine Privatsphäre?
Wolfgang Grupp: „Ich habe hier keine Geheimnisse. Jeder meiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kann sehen und hören, mit wem ich rede. Das ist kein Problem. Diese offenen Büros habe ich schon 1971 eingeführt. Geschlossene Türen habe ich nicht ausgehalten, weil ich nicht direkt wusste, wer anwesend ist. So habe ich alles im Überblick.“

Mit Homeoffice muss Ihnen niemand kommen?
Grupp: „Auch wir haben während der Pandemie Homeoffice angeboten. Aber ich halte nicht viel davon. In der Textilproduktion benötige ich meine Leute, die permanent zusammenarbeiten, direkt vor Ort. Unsere Produktion ist sehr flexibel, ich muss konstant steuern, brauche die Kommunikation hier im direkten Umfeld. Mit Homeoffice kann ich daher nichts anfangen. Und ich habe auch den Eindruck, dass unsere Mitarbeiter aufgrund des gesellschaftlichen Austauschs froh sind, im Büro sein zu können.“

Trigema-Boss Wolfgang Grupp: „Mit Homeoffice kann ich nichts anfangen“

Was halten Sie von Video-Konferenzen?
Grupp: „Nichts. Ich bevorzuge das Telefon. Auch größere Firmen können mich direkt anrufen, in der Regel erreichen sie mich auch. Und wer bei mir anruft, der erhält auch sehr schnell eine Antwort auf seine Fragen. Ich verstehe nicht, wieso einige aufwendig einen Termin mit mehreren Leuten für eine Video-Konferenz organisieren. Wenn man mich anrufen würde, würde ich zwei Sätze zum aktuellen Stand sagen und alles wäre erledigt.“

Nutzen Sie ein Handy?
Grupp: „Ja, aber wenn ich im Büro bin, dann liegt es ausgeschaltet im Schrank.“ 

Wieso?
Grupp: „Das Handy habe ich nicht, um im Büro zu telefonieren, sondern nur, um erreichbar zu sein, wenn ich unterwegs bin. Ich habe mir Anfang der 70er Jahre ein Handy aus den USA besorgt, damals waren die noch verboten. Ich wollte dafür sorgen, dass ich erreichbar bin, auch wenn ich mal gerade in den Produktionshallen unterwegs war. Diese roten Suchzeichen, die ertönten, wenn man mich erreichen wollte, war ich leid. Parallel habe ich mir ganz am Anfang, als dies möglich war, auch ein Autotelefon zugelegt. Ich erinnere mich noch ganz genau, das Autotelefon kostete DM 25.000,00 und die Monatsgebühr lag bei ca. DM 250,00, aber schon damals war für mich ganz wichtig, immer erreichbar zu sein!“

Wolfgang Grupp im Interview: „Wer mich erreichen will, kann mich anrufen“

Sind Smartphones mit den ganzen Apps ein Segen oder ein Fluch? 
Grupp: „Wenn es ein Fluch ist, dann bin ich selbst schuld. Alles was Fluch ist, nutze ich nicht. Sie können mir gerne eine WhatsApp schicken, aber es kann sein, dass ich erst drei, vier Tage später zufällig sehe, dass Sie mir geschrieben haben. Wer mich erreichen will, kann mich anrufen. Aber WhatsApp… - ich habe noch nicht mal einen Computer, die E-Mails werden mir ausgedruckt. Ich rufe die Menschen an und spreche mit ihnen. Der persönliche Kontakt ist mir wichtig.“

Die meisten Glückwünsche zu Ihrem 80. Geburtstag gab es demnach auch per Post?
Grupp: „Das war unterschiedlich. Insgesamt hat mich gewundert, wie viele Glückwünsche ich bekommen habe. Es waren Hunderte. Ganz viele Absender kannte ich gar nicht.“ 

Ihre Erklärung?
Grupp: „Anscheinend vertrete ich Werte, die viele Menschen vermissen! Ich verstehe daher die Aufregung um meine Person nicht. Ich mache nichts Besonders. Ich habe ein bisschen Anstand, Respekt vor anderen oder mache einem Mitarbeiter klar, dass ich ihn schätze. Das war’s. Alles völlig normal.“

Wolfgang Grupp: „Nicht der Gier und dem Größenwahn ausgesetzt“

Dass Sie als eingetragener Kaufmann persönlich für Trigema haften, ist in unserer Gesellschaft mittlerweile nicht mehr normal.
Grupp: „Das ist traurig, aber die Verantwortung und Haftung zu übernehmen, ist für mich selbstverständlich! Kassieren, wenn es gut läuft und in schwierigen Zeiten Verluste dem Steuerzahler überlassen, das darf sicher nicht sein! Unsere Welt ist so verrückt. Ich schätze die alten Werte, bin traditionell. Ich hafte für alles, garantiere die Arbeitsplätze. Wenn ich jemanden bitte, bei mir zu arbeiten, dann kann ich ihn nach fünf Monaten nicht wieder entlassen! Ich verlange, dass jeder seine Leistung bringt – dafür gebe ich ihm eine sichere Arbeit.“

Wer führt in Deutschland ein Unternehmen so wie Sie?
Grupp: „Größere Betriebe mit einer Rechtsform als eingetragener Kaufmann? Ich kenne niemanden – Handwerksbetriebe einmal ausgenommen. Dabei wurde das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg ausschließlich mit persönlich haftenden KGs geschaffen. Damals hatten alle den Vorwärtsdrang, die wollten immer mehr, aber sie wussten, wenn sie einen Schritt zu weit gehen, sind sie in der Haftung. Deswegen waren die Entscheidungen überlegter, verantwortungsvoller und nicht der Gier und dem Größenwahn ausgesetzt.“

Zurück zu den Glückwunsch-Schreiben: Haben Sie allen zurückgeschrieben?
Grupp: „Selbstverständlich. Ich habe alle beantwortet. Ob per Mail oder Brief. Wer mir einen Brief geschrieben hat, hat ein Dankesschreiben mit einem Foto meiner Familie aus Dubai erhalten. Und wenn er geschrieben hat, dass seine Frau auch vor kurzem 80 geworden ist, dann bin ich auch darauf eingegangen und habe seiner Frau nachträglich ebenfalls gratuliert.“

Apropos: Pünktlich zu Ihrem Geburtstag haben Sie ein T-Shirt mit Ihrem Konterfei herausgebracht
Grupp: „Moment, das habe nicht ich herausgebracht. Meine Familie hat das organisiert und mich damit in Dubai überrascht. Ein T-Shirt mit meinem Kopf drauf… es war eine Idee meiner Frau!“

Durch Ihre Art und so wie Sie das Unternehmen führen, haben Sie große Popularität erreicht. Wen bewundern Sie?
Grupp: „Ich schätze echte Leistungsträger wie Herrn Reinhold Würth oder auch früher einen Lutz Merkle von Bosch. Das sind echte Leistungsträger. Ihnen wird nichts geneidet, sondern im Gegenteil alles gegönnt, aber wenn hohe Gehälter bezogen werden und Millionen Verluste produziert werden, dann habe ich Verständnis, dass man darüber diskutiert. Dies ist aber kein Neid, sondern das ist eine Frage der Gerechtigkeit!“

Wolfgang Grupp über den Ukraine-Krieg: „Noch Milliarden in Krieg investieren?“

Wie beurteilen Sie die Entwicklungen im Ukraine-Krieg?
Grupp: „Ich bin kein Putin-Verteidiger, aber wenn aus besten Freunden, mit denen man jahrzehntelang bewusst einseitige Verträge abgeschlossen hat und sich somit abhängig gemacht hat, dann plötzlich Todfeinde werden, dann kann etwas sicher nicht stimmen. Beendet werden kann der Krieg nur mit Diplomatie. Putin wird sich nicht besiegen lassen. Muss man jetzt noch Milliarden in den Krieg investieren, Zerstörung und tausende Tote in Kauf nehmen? Ich glaube nicht. Es ist an der Zeit zu versuchen, mit Diplomatie den Krieg zu beenden.“

Eine Folge des Krieges ist die Gas-Knappheit. Was machen Sie gegen die steigenden Energiepreise? 
Grupp: „Was soll ich machen? Es gibt noch keine Wasserstoffturbine, die ich bei uns nutzen kann. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die hohen Gaspreise zu bezahlen. Das Kuriose: 1986 haben wir von Öl auf Gas umgestellt, damals wollte das der Staat und hat das sogar subventioniert. Heute werde ich bestraft.“

Gas-Kosten bei Trigema: 6 Millionen Mehrkosten – „Machen nicht jedes Jahr so viel Gewinn“

Wie hoch sind Ihre monatlichen Kosten?
Grupp: „Wir zahlen statt 100.000 Euro in 2020 mittlerweile 500.000 bis 600.000 Euro. Statt 1,2 Millionen sind es jetzt sechs Millionen mehr – und wir machen nicht jedes Jahr so viel Gewinn.“

Wie kompensieren Sie das?
Grupp: „Ich habe stille Reserven. Und eine Druckerei, die T-Shirts bedruckt, aber leider kein Geld… Preise anheben können wir nicht so einfach, denn unsere Bekleidung braucht streng genommen niemand. Wenn Sie weniger Geld zur Verfügung haben, dann kaufen Sie nicht bei uns, sondern gehen zu Firmen, die nicht in Deutschland produzieren lassen und deutlich günstiger. Kurz: Wir müssen alles tun, was möglich ist, um Gas einzusparen, aber viel Spielraum haben wir nicht. Wir hoffen, dass es irgendwann aufhört und die Preise wieder fallen. Wir müssen da jetzt durch.“

Auch der Spritpreis ist gestiegen. Was halten Sie vom Tankrabatt?
Grupp: „Ich hätte den Tankrabatt nicht für alle eingeführt, sondern nur denen mit niedrigen Einkommen einen Zuschuss gegeben.“

Themenwechsel: Leidet Trigema unter Fachkräftemangel?
Grupp: „Wir stellen konstant jeden ein, der bei uns arbeiten will. Ich habe auch schon acht Ukrainerinnen eingestellt. Mittlerweile arbeiten bei uns Menschen aus bis zu 25 verschiedenen Nationen. Wer die Aufgabe richtig macht, hat einen sicheren Arbeitsplatz! Aber wir gleichen durch die Einstellungen nur die normale Fluktuation aus. Wir können dadurch gerade so eben die Marke von 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten.“

Wolfgang Grupp: „Schon vor 30 Jahren wollte kein Mensch nach Burladingen

Was macht es so schwierig?
Grupp: „Man muss eins wissen: Schon vor 30 Jahren wollte kein Mensch nach Burladingen. Und das, obwohl wir kein ganz unbekanntes und anständiges Unternehmen sind. Aber viele haben sich auf unsere Stellenausschreibungen gar nicht beworben, weil sie woanders Jobs bekamen. Daher haben wir sehr früh voll auf die eigene Ausbildung gesetzt.“

Wolfgang Grupp und Uli Hoeneß: Als Trigema aufs Trikot des FC Bayern wollte

Lufthansa und Eurowings streichen gerade munter Flüge, weil Personal fehlt. Haben Sie noch Ihren Hubschrauber-Piloten?
Grupp: „Dieses Problem haben wir Gott sei Dank nicht. Unser Pilot ist bei uns in die Verwaltung integriert, hat hier seinen Schreibtisch. Wenn er nicht fliegt, dann hilft er bei anderen Dingen mit. Und wenn ich ihm sage, dass wir morgen früh irgendwo hinmüssen, dann bereitet er alles vor.“

Eurowings: Auch Wolfgang Grupp wurde wieder Opfer von Flugstreichungen

Stundenlanges Anstehen an der Sicherheitskontrolle, abgesagte Flüge, das umgehen Sie dadurch geschickt. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation in der Luftfahrt?
Grupp: „Ich schimpfe natürlich. Ich musste neulich einen Vortrag in Hamburg halten. Ursprünglich wollte ich mit dem Hubschrauber fliegen, um dann auch noch ein paar unserer Test-Geschäfte besuchen zu können. Aufgrund einer Wetterfront wären wir aber nicht über den Harz gekommen, also musste ich kurzfristig auf Eurowings ausweichen. Morgens um 8.50 Uhr sollte es losgehen, als das Boarding schon hätte vorbei sein sollen, hatte es noch nicht mal angefangen. Da bin ich zum Schalter und habe mal nachgefragt, wie es denn aussieht. Meinen Sie, es hätte vorher einfach mal als Service eine Auskunft gegeben, dass sich der Abflug leicht verzögert? Zu Ehrenrettung muss ich aber sagen, dass wir am Ende pünktlich gelandet sind. Aber dann kam der Rückflug…“

Lassen Sie mich raten: Chaos?
Grupp: „Irgendwann am Nachmittag sollte ich zurückfliegen. Der Flug fiel aus. Ich wurde auf 18:55 Uhr umgebucht. Auch dieser Flug wurde gecancelt. Ich bin am Ende mit dem Zug gefahren, um auf Nummer sicher zu gehen. Ich hatte schließlich auch keine Sachen zum Übernachten dabei. Die Bahn hatte dann auch eine Stunde Verspätung. Ich kam aber um 23:15 Uhr in Stuttgart. Die Eurowings aus Hamburg, ist wie ich gehört habe, dann schließlich nach zwei zuvor annullierten Flügen, um 0:15 Uhr gelandet.“

Wie groß ist ihr Vertrauen in unser Bankensystem?
Grupp: „Ich habe mal gesagt ‚Wer Geld hat, dem reicht eine Bank. Wer kein Geld hat, dem nützen zehn Banken auch nichts.‘ Wir arbeiten mit der Volksbank zusammen. Da sind wir bestens aufgehoben. Solange es keine Minuszinsen gab, hatte ich nur Festgeldkonten, keine Anlagen. Das hat sich erst im Laufe der letzten Jahre geändert, so dass wir mit der Hamburger Berenberg-Bank und der Metzler Bank in Frankfurt zusammenarbeiten. Die Inhaber sind beide gute Freunde von uns und gehen damit automatisch sehr verantwortlich mit unseren Einlagen um.“

Trigema-Boss Grupp: „Kraftwerke länger laufen lassen“

Wie geht Trigema mit den Herausforderungen des Klimawandels um?
Grupp: „Ich wundere mich, dass wir als Gesellschaft bei einer so wichtigen Sache so lahm agieren. Alles, was dem Klima dient, versuchen wir bei Trigema auch so ressourcenschonend wie möglich umzusetzen.“

Muss die Politik nicht mehr unternehmen?
Grupp: „Mich wundert, dass man Atomkraftwerke nicht länger laufen lässt. Sie würden kurzfristig die Probleme eher lösen und wären weniger schädlich fürs Klima! Die Maßnahmen gegen den Klimawandel müssen konsequenter angegangen werden. Aber schauen Sie sich die Genehmigungsverfahren von Windrädern an. Da darf man sich nicht wundern, dass alles sehr schleppend in der Vergangenheit vorangegangen ist!“

So entspannt Trigema-Chef Wolfgang Grupp (80)

Wie häufig gehen Sie noch auf die Jagd?
Grupp: „Hin und wieder. Aber ich muss nicht jeden Tag etwas schießen. Ich schieße den Bock nicht Anfang Mai, wenn er noch grau ist. Ich liebe es, draußen in der Natur zu sitzen. Ansonsten bin ich sehr verantwortungsvoll bei der Jagd.“

Wie entspannen Sie?
Grupp: „Wenn sich das Büro ab 17 Uhr so langsam leert, atme ich erstmal durch. Dann arbeite ich noch in Ruhe ein paar Sachen auf, das ist nach einem eng getakteten Tag auch fast schon entspannend. Am Wochenende freue ich mich, wenn meine Frau und ich ins Allgäu in unser Jagdhaus fahren. Dann genieße ich die Natur, die Sonne, gehe vielleicht abends auf Ansitz. Sonntagabend freue ich mich dann aber auch, wieder zurück in Burladingen zu sein. Denn Montag geht es ja wieder los. Und wissen Sie, was Sie bisher nicht gefragt haben?“

Wieso arbeitet Wolfgang Grupp eigentlich noch?

Nein?
Grupp: „Wie lange ich noch arbeiten will.“

Wie lange wollen Sie noch arbeiten?
Grupp: „Das schönste im Leben ist es, von anderen das Gefühl zu bekommen, noch gebraucht zu werden. Wenn man Sie nicht mehr gerne sieht und Sie das Gefühl haben, alle wären froh, dass Sie weg wären, dann ist es fatal. Wenn Sie anderen zur Last fallen, dann ist das Leben nicht mehr lebenswert. Aber ich habe noch das Gefühl, dass ich gebraucht werde. Daher sitze ich noch hier.“

Grupp über die größten Fehlentscheidungen in 53 Jahren Trigema

Was hätte ich noch fragen sollen?
Grupp: „Was meine größte Fehlentscheidung gewesen ist in meinen 53 Jahren.“

Es gab keine…
Grupp:
„Genau. Ich habe zig Entscheidungen getroffen, die ich immer korrigiert habe, wenn ich merkte, dass sie mit Blick auf neue Erkenntnisse nicht mehr ganz richtig waren! Somit waren es sicher keine Fehlentscheidungen!“

Wählen Sie eigentlich noch CDU?
Grupp: „Jetzt wieder, weil Friedrich Merz dran ist. Mit Frau Merkel, unter der die CDU auf einen Tiefstand gesunken ist, war ich nicht glücklich.“