Eine Vielzahl an Plakaten wirbt im Raum Sulz um die Wählergunst - hier in Holzhausen. Foto: Heidepriem

Am 23. Februar haben die Sulzer Bürger in Kernstadt und Teilorten die Wahl: Soll die Stadt ihre Waldflächen an Windkraftanlagenbetreiber verpachten oder nicht? Zwei Bürgerinitiativen engagieren sich derweil zu diesem Thema. Wir haben beide gefragt, was ihre Befürchtungen sind, sollten sie die Wahl "verlieren".

Die beiden Gemeinderatsmitglieder Daniel Bonanno (FW) und Andre Amon (SPD/GAL) von der "Initiative Pro Wind Sulz a.N." erklären, was sie befürchten. Dabei geht es darum, dass trotzdem Windräder kommen, unsere Klima-Verantwortung, fehlendes Geld im städtischen Haushalt, das Waldsterben und den Reibach für Besitzer privater Flächen.

 

Windräder kommen trotzdem

Bei Pro Wind ist man sich einig: Es werden Windräder kommen, egal wie die Abstimmung ausgehe. Vor allem im Bereich Binsenwasen (Richtung Dornhan/Weiden) sei jetzt schon abzusehen, dass der Bürgerentscheid nur drei von zehn geplanten Windrädern verhindern kann. Heißt für Bonanno und Amon: "Wir können die Windräder dann hinter den Stadtgrenzen sehen - aber Sulz profitiert dann eben nicht von den Anlagen."

Auch hinter der "Dicke" in Bergfelden, im Bereich "Lochwald" bei Heiligenzimmern, weist der benachbarte Regionalverband Neckar-Alb in seinem Teilregionalplan zudem eine Vorrangfläche für Windkraftanlagen aus. Hier könnten trotz Ablehnung der Bürger in Sulz und Vöhringen weiterhin Anlagen auf privaten Flächen oder alternativ im Staatswald auf Sulzer Gemarkung entstehen.

Weiterhin könnten an anderen Stellen im Gebiet der Stadt Sulz am Neckar Windräder auf Privatgrund entstehen. "Der Bürgerentscheid betrifft nur das Rechtsgeschäft der Stadt", also die Verpachtung der eigenen Flächen, erklärt es Amon.

Und Windenergieanlagen auf privaten Flächen seien weniger reguliert. Bei diesen müsse nur der gesetzliche Mindestabstand zu Wohnbebauung eingehalten werden. Auf den Flächen der Stadt wiederum plane man eine Vorgabe zum Abstand von 1000 Metern - 300 Meter mehr, als der Windenergieerlass Baden-Württemberg empfiehlt.

Wir werden unserer (Klima-)Verantwortung nicht gerecht

Nach Überzeugung von Pro Wind muss jede Region ihren Teil zum Klimaschutz leisten. Und wenn wir nicht hier und jetzt Klimaschutz durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien, eben auch Windkraft, vorantreiben, verschiebe man das Problem nur "zeitlich und örtlich."

Streichungen im städtischen Haushalt

Die beiden Gemeinderäte sehen die Mitbürger schon schimpfen, wenn Dinge aus dem städtischen Haushalt gestrichen werden müssten. Die fehlenden Mittel werden wehtun, sind sich beide sicher. Als Beispiele für solche Projekte nennen sie die Rathaussanierung in Sigmarswangen und den Hochwasserschutz in Sulz, Fischingen und Bergfelden. Aber auch Kindergartengebühren und die Umgestaltung des Wöhrd und der Innenstadt fallen den beiden ein.

Was von Windrädern auf privaten Flächen bliebe, sei letztlich nur die Gewerbesteuer. Diese bewege sich höchstens im fünfstelligen Rahmen und müsse mit dem Bund geteilt werden.

Der Wald wird sterben

"Der Wald wird ganz bestimmt sterben, wenn jeder so denkt wie die Gegner", erklärt Amon. Windkraft - auch im Wald - sei die einzige Chance, den Wald langfristig zu retten. Dass es dem Stadtwald auf der Dicke nicht gut geht, bestätigte Mitte November auch Förster Karlheinz Mertes gegenüber dem Gemeinderat: „Mir sterben die Bäume schon jetzt flächendeckend weg“ - und es müsse wegen des Klimawandels bereits in vielen Bereichen künstlich aufgeforstet werden. Reduziere man die Treibhausgase massiv, könne das allgemeine Waldsterben jedoch noch verhindert werden, so Mertes' Hoffnung.

Laut Prognose sterbe der Monokultur-Nadelwald in 20 bis 25 Jahren. Und natürlich müssten Bäume für die Windräder gefällt werden, geben die beiden zu - aber der Projektierer hätte auch ein finanzielles Interesse daran, möglichst wenige Bäume selbst fällen zu müssen. Denn jeder Baum geht vom Kontingent des Wirtschaftswalds ab, welches den Einschlag auf 11.000 Festmeter pro Jahr begrenzt. Das entspricht je nach Baumart und Durchmesser zwischen 3000 und 13.000 Bäumen.

Private machen großes Geld

"Ja, es geht ums Geld" bestätigt Bonnanno die Vorwürfe der Gegner. Das streite keiner ab - "Projektierer machen das nicht aus Selbstlosigkeit." Bei Windrädern sei der Ertrag pro Fläche auch riesig. Dabei vergleicht Bonanno den Ertrag der Windräder mit dem einer Firma mit rund 500 Beschäftigten, für welche noch viel mehr versiegelte Fläche notwendig wäre.

"Jeder muss beitragen, jeder kann profitieren", heißt es. Doch das dem Bürger bei Absage an die Windräder auf städtischen Flächen finanzielle Chancen entgehen, ist den beiden Gemeinderäten ein Dorn im Auge. Denn von den fünf Windrädern auf der Dicke soll eines genossenschaftlich organisiert werden. So sollen Bürger von sieben bis zehn Prozent Rendite profitieren können. Das ist eine Vorgabe der Kommune für die städtischen Flächen - die aber auf privaten Flächen nicht gilt. Und wenn die Stadt je doch noch ein solches Projekt auf eigenen Flächen ermöglichen will, wird das unter Umständen nicht mehr möglich sein. Denn zwischen Windparks gelten Mindestabstände. Also heiße das für diese Chance: jetzt oder nie.

Befürchtungen der Windkraft-Gegner

Die Bürgerinitiative "GEGENWIND-KRAFTGRUPPE Sulz - Dornhan - Vöhringen" hatte ebenfalls die Chance, auf die aus ihrer Sicht fünf wichtigsten Punkte einzugehen. Diese wurde aber über Wochen nicht wahrgenommen. Erst auf mehrfache Nachfrage wurde eine Antwort auf unsere Frage abgelehnt.