Foto: Schwarzwälder Bote

Sigmaringen. Das »Grüne Zentrum« des Fachbereiches Forst ist nicht weit. Kein Wunder, dass sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann so wohl fühlt im Sigmaringer Stadtteil Laiz, der so gar nicht Stadt ist. Mitten im Ort, gleich unterhalb der Kirche St. Peter und Paul, bewohnt der katholische Grüne das ehemalige Gasthaus Lamm, das alte Kienle-Haus.

 Die Nordseite ziert ein grüner Vorhang aus Efeu und anderen Gewächsen. Über der Tür senkt ein molliges Schaf demütig – oder angriffslustig? – den Kopf. Fensterläden aus dunklem Holz dominieren die Fassade des schmucken Hauses. Auf dem schlichten Briefkasten steht »Kretschmann«. Nein, der Landesvater macht kein Hehl daraus, dass und wo er in Laiz wohnt. Dort geht er gerne zum Schützenverein und singt im Kirchenchor. Dort kennen ihn die Leute als einen der Ihren. Dort will Winfried Kretschmann bleiben.

»Das Haus ist für mich und meine Frau einfach zu groß«

Gestern bestätigte ein Sprecher des Staatsministeriums einen Bericht von »Bild«, dass Familie Kretschmann nicht in die landeseigene Villa auf dem Gelände des Schlosses Solitude umziehen wird. »Das Haus ist für mich und meine Frau einfach zu groß«, wurde Kretschmann in dem Bericht zitiert. Bis jetzt wohnt in dem zweigeschossigen, repräsentativen Gebäude der frühere Regierungschef und heutige EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU). Demnächst will er aus der Dienstvilla des Landes jedoch ausziehen.

Der Amtsnachfolger Oettingers, Stefan Mappus (CDU), hatte sich ebenfalls dazu entschieden, nicht in die Villa einzuziehen und war mit Frau und Kindern in Pforzheim geblieben. Und auch der Vorgänger von Oettinger, Erwin Teufel (CDU), blieb die gesamten 14 Jahre seiner Amtszeit lieber im trauten Eigenheim in Spaichingen (Kreis Tuttlingen), mit Blick auf den Dreifaltigkeitsberg. In der Landeshauptstadt hatte er lediglich ein Zimmer bei den Barmherzigen Schwestern im Stuttgarter Marienhospital.

Dort jedenfalls scheint Kretschmann noch nicht angeklopft zu haben. Wie auch immer: Der 63 Jahre alte Ministerpräsident bewohnt mit seiner Familie schon seit Jahrzehnten das Haus in Laiz. Eine Villa im Stuttgarter Schlosspark, das passt nicht zu dem bodenständigen Mann aus dem Donautal. Der Heimat wichtig nimmt. Am Wochenende ließ er sich im kleinen Sonderbuch auf der Schwäbischen Alb beim Dorffest in festlicher Manier durch den Ort kutschieren, in dem er einst die Grundschule besucht hat.

Villa? Nein, danke!

Offenbar sind ihm Prachtbauten grundsätzlich suspekt. Auch bei seinem Arbeitsplatz, dem Staatsministerium in der Villa Reitzenstein, ist sein Motto – Villa? Nein, danke! Im 21. Jahrhundert aus einem Schloss heraus zu regieren, sei für die politische Ästhetik »nicht ganz so einfach«. Er liebäugelt mit einem Regierungssitz in Volksnähe und einem dauerhaften Auszug aus der Villa Reitzenstein.

Doch zurück zum Wohngebäude: Die Dienstvilla liegt auf dem Gelände des Schlosses Solitude. Dem vom Herzog von Württemberg, Karl Eugen, zwischen 1763 und 1767 erbauten Schloss war ein Wirtschaftsgebäude angegliedert. An dessen Stelle wurde in den Jahren 1968/69 während der Regierungszeit von Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) eine zweigeschossige Villa errichtet, die ganz auf die Wohnbedürfnisse seiner Familie mit fünf Kindern zugeschnitten war. Außer den Räumen für repräsentative Anlässe ließ er im Keller auch ein Schwimmbad einbauen. Filbinger wohnte von 1970 an auf der Solitude. Und auch noch einige Jahre nach seinem Rücktritt (August 1978) war er Mieter des Landes.

Im September 1984 zog dann sein Nachfolger Lothar Späth (CDU) in das Gebäude und ließ den Pool im Keller in eine Sauna umbauen. Auch Späth blieb weit über seinen Rücktritt im Januar 1991 hinaus Bewohner der Villa. Die Regierungschefs wohnen allerdings nicht kostenlos in dem Haus. Auch Oettinger zahlt Miete. Die genaue Höhe ist unbekannt.

Die bewegte Geschichte der Villa zeigt: Es gibt keine Regel, die besagt, dass der Ministerpräsident dort wohnen muss. Und mit dem Efeu-umrankten Haus in Laiz steht der bedächtige Kretschmann – ohnehin von manchen auch »grüner Erwin Teufel« genannt – eher in der Tradition des langjährigen Landesvaters aus Spaichingen. Dort ist Kretschmann ja auch geboren. Naturliebhaber, Wanderer, Biologielehrer: Da ist der Wohnort Laiz wohl authentisch und konsequent.