Den Maibaum aufstellen, dazu ein Fest feiern und so den neuen Monat begrüßen: Das ist eine alte Tradition, die auch heute noch in vielen Dörfern und Städten hochgehalten wird. Viele Bräuche rund um den 1. Mai werden inzwischen jedoch weniger zelebriert. Aber welche sind das und woher kommt die Tradition?
Wo früher die Muskelkraft der Männer gefragt war, übernehmen heute (aus Sicherheitsgründen) oft Firmen oder die Feuerwehr das Aufstellen des Maibaums. Dennoch geht es vielerorts trotzdem feierlich zu: Musikvereine spielen, in Festzelten wird bewirtet, Menschen feiern miteinander. Das hat eine lange Tradition.
Woher kommt die Tradition des Maibaumstellens?
Doch woher kommt der Brauch des Maibaumstellens überhaupt? "Das kann man nicht so genau sagen", erklärt Professor Doktor Werner Mezger, Volkskundler und Germanist aus Rottweil: "Früher hat der Mai für die sichtbar neue Jahreszeit gestanden, auch wenn der kalendarische Frühling eigentlich schon früher beginnt. 'Alles neu macht der Mai' - so sagt es auch ein altes Sprichwort. Die Menschen haben so die neue Jahreszeit begrüßt."
Richtig sei, dass der Maibaum eigentlich auf Bayern konzentriert gewesen sei, seit langer Zeit jedoch auch im Südwesten eine Rolle spiele. In Rottweil sei der Maibaum beispielsweise bereits im 18. Jahrhundert nachgewiesen worden, so Mezger. Traditionell werde er mit bunten Bändern an den Zweigen oder einem Kranz geschmückt. Das variiere jedoch je nach Stadt oder Region. Weil der Maibaum früher oft von Handwerkern aufgestellt wurde, seien auch Handwerkerzeichen Bestandteil des traditionellen Maibaums.
Mezger findet, dass das Maibaumstellen und die damit verbundenen Feierlichkeiten eine tolle Tradition ist: "Dadurch wird das Vereinsleben stabilisiert. Außerdem bilden sich Sozialformen", erklärt er, weil der Tanz in den Mai und die Organisation dahinter noch heute die Menschen verbinde.
"Liebsmaien" und "Schandmaien" sieht man weniger
Einige Bräuche zum 1. Mai werden heutzutage jedoch weniger zelebriert: "Früher wurde den Mädchen heimlich ein Maibaum aufs Dach gesteckt. Das war meist ein kleines Tannenbäumchen, das wie auch der Maibaum mit bunten Bändern oder Papierblumen geschmückt war. Wichtig war, dass das Mädchen und ihre Familie nichts davon mitbekommen haben", erzählt der Volkskundler. Doch auch das Gegenteil vom sogenannten "Liebsmaien" sei auf so manchem Dach gelandet: Der "Schandmaien", der mit Konserven geschmückt oder sehr dürr war. Er sei den Mädchen auf das Dach gestellt worden, die keinen guten Ruf im Dorf oder der Stadt hatten. Natürlich sehe man diese Bräuche auch heute noch vereinzelt. Jedoch selten und eher noch in der ländlichen Region, so Mezger.
Das bestätigt auch Daniel Hirschmann, Vorstandsmitglied beim Bund der Landjugend Württemberg-Hohenzollern. Er selbst und seine Freunde seien jedoch in der Nacht zum 1. Mai unterwegs, um ihren Herzdamen einen geschmückten Maibaum zu stecken. Doch auch er kenne den Brauch vom "Schandmaien". Weniger traditionell, dafür umso amüsanter für die Bürger sei außerdem die Kalkspur, die man von Haus zu Haus ziehe, wenn man bei den Bewohnern ein Verhältnis vermute.
Traditionen weichen durch gesellschaftlichen Wandel
Auch andere Streiche seien früher und heute zum 1. Mai natürlich Tradition: "Damals hat man die Gartentore beispielsweise ausgehängt", weiß Werner Mezger. Eine Zeit lang haben Jugendliche außerdem oft Dinge mit Klopapier eingewickelt, erinnert sich der Volkskundler. In den vergangenen Jahren sei das jedoch weniger vorgekommen.
Dass die Tradition des Maibausteckens auf den Dächern nachlässt, begründet Mezger mit dem gesellschaftlichen Wandel. Früher hätten die jungen Mädchen meist noch bis zur Volljährigkeit im Elternhaus gewohnt, während heute viele Jugendliche schon relativ früh in ein eigenes Zuhause ziehen. Insofern habe das spektakuläre Maibaumstecken auf Familienwohnsitzen – immer mit dem Risiko, bemerkt zu werden – inzwischen seinen Reiz verloren. Heute gebe es andere Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme, wie beispielsweise über die sozialen Medien. Auch die Rollenbilder und der Umgang der Geschlechter miteinander sei anders als früher - "zum Glück, muss man sagen. Denn diese Heimlichkeit war natürlich eine kleinbürgerliche Verklemmtheit", weiß Mezger. Es sei natürlich gut, dass man heutzutage ganz unverschleiert eine Person, die man mag, ansprechen oder kontaktieren kann. "Die Welt ist dadurch vielleicht nicht mehr so bunt, aber normaler geworden."
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 29. April 2022 und wurde aufgrund der aktuellen Relevanz aktualisiert.