Etwa 120 Menschen versammeln sich am Sonntagabend im Karlsgarten in Donaueschingen, um an einer Mahnwache gegen rechts teilzunehmen. Foto: Denise Kley

120 Menschen versammeln sich am Sonntag im Karlsgarten. Sie protestieren gegen rechts. Im Vorfeld überschatten jedoch Hasskommentare im Netz die Aktion. Dort rufen die Verfasser der Kommentare zu Gewalt auf. Nun ermittelt die Polizei.

Im Donaueschinger Karlsgarten ist am Sonntag kurz vor 18 Uhr noch wenig los: nur etwa 30 Menschen haben sich dort eingefunden. Das Aktionsbündnis für Demokratie und Vielfalt hatte am Samstag kurzfristig eine Mahnwache gegen rechts organisiert, Organisatoren sind Martina Wiemer und Dirk Hetzer. Doch um Punkt 18 Uhr füllt sich der Park plötzlich. Eltern mit ihren Kindern, Senioren und Jugendliche, ausgestattet mit Lichtern, Fackeln und Laternen versammeln sich in einem Halbkreis um Wiemer und Hetzer. Auch Vertreter aus der Politik, darunter der Gemeinderats-Fraktionsvorsitzende der SPD, Jens Reinbolz, der Kreisvorsitzende der FDP, Patrick Leismann, und die Bundestagskandidaten Derya Türk-Nachbaur (SPD) und Mark Hohensee (FDP) sind vor Ort.

 

Doch weshalb wurde die Aktion so kurzfristig geplant, nachdem in den vergangenen zwei Monaten keine Protestaktion gegen rechts in Donaueschingen stattgefunden hat? Martina Wiemer erläutert in ihrer Ansprache, dass die Münchner Sicherheitskonferenz und die Ansprache des US-Vizepräsidenten J.D. Vance am Freitag, 14. Februar, Auslöser gewesen seien. In der Ansprache thematisierte Vance die angeblich fehlende Meinungsfreiheit in Europa und sprach davon, dass er „Brandmauern für undemokratisch“ halte. Weiter plädierte er dafür, mit Parteien zu koalieren, die gegen die demokratischen Grundwerte auftreten. „Das können wir so nicht stehen lassen, da müssen wir auf die Straße“, sagt Wiemer. „Wir dürfen uns nicht alleine fühlen, sondern müssen gemeinsam aktiv sein. Für eine offene Gesellschaft, für ein offenes Europa, für ein Miteinander, für eine starke Demokratie.“

Co-Organisator Dirk Hetzer (mit Mikrofon) heißt die Teilnehmer willkommen. Foto: Denise Kley

Auch Dirk Hetzer geht in seiner Ansprache auf die drohenden Gefahren für die Demokratie ein, vor welchen der am Samstag verstorbene FDP-Politiker und frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum immer gewarnt habe, wie Hetzer ausführt. „Er war ein großartiger Demokrat und hat gegen rechts immer klare Worte gefunden“, so Hetzer. Deshalb zündet er seine Kerze auch im Gedenken an Gerhart Baum an.

Eltern bringen Kinder mit zur Mahnwache

Niklas Stahlbrand aus Hüfingen ist mit seiner Familie hier. Die dreijährige Lotta hält ein leuchtendes Einhorn in der Hand, welches als Laterne für den Martinsumzug gebastelt wurde. Heute erfüllt diese einen anderen Zweck, wie Stahlbrand sagt. „Eigentlich gehen wir nicht regelmäßig demonstrieren. Aber in diesen Zeiten ist es notwendig. Die Politik der AfD erachten wir als unsolidarisch und ausländerfeindlich. Wir stehen für eine faire und gleichberechtigte Gesellschaft.“

Simone und Manuel Zimmermann aus Donaueschingen haben zu der Mahnwache auch ihre Kinder mitgebracht. Die Tochter hält eine Regenbogenflagge vor sich, die mit einer Lichterkette aufgepeppt wurde. „Es ist wichtig, dass unsere Kinder in einem freien, demokratischen Deutschland aufwachsen“, so Simone Zimmermann. Deshalb blicken die Eltern auch mit viel Sorge auf die anstehende Bundestagswahl. „Wenn man jetzt kein Zeichen setzt und Haltung bezieht, kann es sein, dass man in ein paar Jahren nicht mehr protestieren darf. Und sich dann denkt: Hätte man doch damals mehr getan“, so Simone Zimmermann.

Teilnahme als Bürgerpflicht

Auch Christina Suppanz, Ortschaftsrätin (SPD) in Wolterdingen, sieht es als ihre Bürgerpflicht an, bei der Mahnwache Präsenz zu zeigen. Sie ist mit Freunden aus der Ukraine gekommen, die vor dem Krieg geflohen sind und nun in Gütenbach wohnen und hier in der Region arbeiten. „Die Zeiten sind schwierig. Aber davon dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen. Wir müssen für unsere Demokratie einstehen.“ Gemeinsam singen die Teilnehmer die Lieder „Die Gedanken sind frei“ und „We shall overcome“, während der Karlsgarten zu einem Lichtermeer wird. Knapp 120 Personen zählt die Polizei bei der Veranstaltung, zwei Einsatzwagen stehen an den Zugängen zum Park.

Das erhöhte Polizeiaufkommen hat auch seinen Grund: Auf Facebook wurde die Mahnwache in der Gruppe „Café Bar – Donaueschingen, Bräunlingen und Hüfingen“ am Samstag mit einem Flyer angekündigt. Darunter finden sich verstörende Kommentare, welche Nutzer teils mit ihrem Klarnamen hinterließen. Zum Beispiel steht unter der Ankündigung der Kommentar: „Eigentlich hoffe ich, dass da auch mal ein Auto reinfährt.“

Jens Reinbolz zeigt sich erschüttert

Jens Reinbolz, der sich mit den Kommentaren auseinandersetzte, ist hierüber erschüttert. „Welche Tonalität da angeschlagen wird, ist kaum zu glauben.“ Die Namen der Verfasser, die zu Gewalt aufriefen, und Screenshots der Kommentare wurden der Polizei weitergeleitet. Aber dennoch ziehen Wiemer und Hetzer ein positives Fazit. „Die Zahl von rund 120 Teilnehmern ist im Hinblick auf die Kurzfristigkeit sehr erfreulich und bildet die Vielfalt hier in Donaueschingen ab.“ Die Stimmung sei friedlich gewesen. „Und das ist für mich, auch nach den Kommentaren in den Sozialen Medien, das Wichtigste“, so Dirk Hetzer.

So wird Hetze geahndet

Straftat
Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern geht das Bundeskriminalamt (BKA) gegen Hass und Hetze im Internet vor. Bei Hasskommentaren kommen unterschiedliche Straftatbestände aus dem Strafgesetzbuch in Betracht. Volksverhetzung ist dabei die Straftat mit dem am weitesten reichenden Strafrahmen: dabei kann laut Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Unter Volksverhetzung fallen unter anderem die Leugnung des Holocaust oder Hetze gegen Menschen einer bestimmten Gruppe, Hautfarbe, Religion oder Weltanschauung. Strafbar ist außerdem die öffentliche Aufforderung zu Straftaten. Auch wenn diese Aufforderung ohne Erfolg bleibt, können Täter dennoch zur Verantwortung gezogen werden – gemäß Paragraf 111 Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe. Mehr Informationen unter https://www.bka.de/MeldestelleHetzeImInternet