Ein junger Syrer, der erst vor acht Jahren nach Deutschland floh, wird nun für acht Jahre die Geschicke einer Gemeinde lenken – mindestens im Kreis Calw ist das bislang beispiellos.
1990 Wahlberechtigte entschieden am Sonntag darüber, wer Ostelsheims neuer Bürgermeister wird. Zum ersten Mal durften hier auch schon 16-jährige bei einer Bürgermeisterwahl mit abstimmen. Noch bis kurz vor Schließung des Wahllokals um 18 Uhr trudelten die letzten Wähler ein, um ihre Stimme abzugeben.
Ein glasklarer Favorit ließ sich bei den vor dem Rathaus Umherstehenden bis zuletzt nicht ausmachen. „Es ist schwierig zu sagen“, meinte ein junger Mann zum Wahlausgang. Die Spannung lag in der Luft – auch weil nicht klar war, ob es eine zweite Wahl geben wird.
Die Kandidaten
Der 29-jährige gebürtige Syrer und als Flüchtling nach Deutschland gekommene Ryyan Alshebl warf als erster Kandidat seinen Hut in den Ring. Mit einem Fünf-Punkte-Plan für Ostelsheim, einem Auftritt mit Boris Palmer und vielen Vor-Ort-Terminen machte der Althengstetter Verwaltungsfachmann im Wahlkampf auf sich aufmerksam. Sicher war er sich seiner Sache trotzdem nicht. „Aufgeregt“, meinte er zu seiner Stimmung, als er um kurz nach 18 Uhr am Rathaus eintraf.
Der 42-jährige Ostelsheimer Marco Strauß präsentierte sich den Bürgern als Verwaltungsexperte mit gutem Netzwerk in die Landes- und Bundespolitik. Ostelsheim sah er im „Dornröschenschlaf“ und forderte Investitionen in allen Bereichen. „Ich fühle mich gut“, gab sich Strauß während der Auszählung vor dem Rathaus optimistisch.
Für Mathias Fey, 1964 geboren und aus Bad Wildbad, war es nicht die erste Bürgermeisterwahl. Schon an mehreren Orten im Kreis Calw und darüber hinaus hatte er sich beworben – bisher erfolglos. Als selbsterklärter „Schultes zum Anfassen“ sorgte er vor allem mit dem Vorschlag eines Oktoberfestes für Furore. Am Wahlabend selbst war Fey nicht in Ostelsheim.
Die Wahl
„Null Komma Null Probleme“, so beschrieb der Noch-Bürgermeister Jürgen Fuchs den Wahltag. Um 18 Uhr begann schließlich die Auszählung der Stimmzettel durch die Verwaltung und Gemeinderatsmitglieder im Veranstaltungssaal des Rathauses. Draußen drängten sich die Schaulustigen an der Fensterfront. Landrat Helmut Riegger, der Althengstetter Bürgermeister Clemens Götz, seine Amtskollegen Stefan Feigl (Simmozheim) und Jens Häußler (Gechingen) sowie auch andere Bürgermeister aus dem Landkreis waren ebenfalls vor Ort.
Um kurz vor 19 Uhr stand das Ergebnis dann fest. 1361 Ostelsheimer gingen zur Wahl – davon 385 per Brief – was einer Beteiligung von 68,39 Prozent entspricht. Davon entfielen 753 Stimmen (55,41 Prozent) auf Ryyan Alshebl, 591 auf Marco Strauß (43,49 Prozent) und 15 Stimmen auf (1,1 Prozent) auf Mathias Fey. Es gab zwei ungültige Stimmen.
Als Bürgermeister Fuchs das Ergebnis verkündete, brach großer Jubel aus. Denn Ryyan Alshebl hat damit die Wahl im ersten Durchgang für sich entschieden. Er wird also für die nächsten acht Jahre Ostelsheims neuer Bürgermeister. Ihm standen die Tränen in den Augen. Sein Konkurrent Marco Strauß war der erste Gratulant.
Die Stimmen danach
"Sprachlos“ sei er, meinte Alshebl direkt danach. Er bedankte sich bei allen Wählern, seinen Konkurrenten und der Verwaltung. „Wir werden uns in Zukunft häufiger begegnen“, meinte er zu den vielen Bürgern, die ihn umringten. „Ostelsheim hat heute ein Zeichen für die ganze Bundesrepublik gesetzt“, so Alshebl – und zwar für „Toleranz und Weltoffenheit“. Er sei motiviert, meinte er im Nachgang. Jetzt werde aber erst einmal gefeiert, jedoch nicht zu lange. Denn morgen müsse er wieder im Althengstetter Rathaus arbeiten.
„Es gehört sich so“, meinte Marco Strauß dazu, dass er Alshebls erste Gratulant war. „Gemischte Gefühle“, beschrieb er seine eigenen Emotionen. „Ich wünsche ihm alles Gute und viel Erfolg“, so Strauß zu Alshebl. Er werde die Entwicklung im Auge behalten. „Ich habe aus dem Wahlkampf sehr viele positive Erfahrungen mitgenommen“, zog er für sich ein positives Fazit.
„Die Gemeinde ist weltoffen“, stellte auch Landrat Helmut Riegger fest. „Integration funktioniert im Landkreis Calw“, meinte er mit Bezug auf Alshebls Biografie. Dieser musste dann noch ganz viele Hände schütteln und Glückwünsche entgegennehmen. Es war zu spüren, dass viele an diesem historischen Moment teilhaben wollten.
Wie gehts weiter?
Ryyan Alshebl ist noch nicht ab sofort Bürgermeister. Fuchs’ Amtszeit geht noch bis zum 17. Juni. Am 18. Juni gibt es dann eine offizielle Amtseinführung für Alshebl. Dann beginnt offiziell die achtjährige Amtszeit.