Die Arbeiten für die Hesse-Bahn in der Anliegergemeinde Althengstett sind noch nicht abgeschlossen, die Vorfreude auf die Inbetriebnahme bei Bürgermeister Rüdiger Klahm aber groß. Foto: Thomas Fritsch

Bürgermeister Rüdiger Klahm äußert sich über Großprojekte, Meilensteine und künstliche Intelligenz im Rathaus.

Im Interview richtet der Althengstetter Rathauschef seinen Blick zurück und voraus. Was für ein Jahr liegt hinter der Gäugemeinde? Und welche Herausforderungen bringt das neue? Außerdem verrät er, was sein schönster Moment 2024 war.

 

Ganz allgemein gefragt: War 2024 ein gutes Jahr für Ihre Stadt/Gemeinde? Und warum oder warum nicht?

Das zu Ende gehende Jahr war aus meiner Sicht ein gutes Jahr für die Gemeinde. Wir konnten uns mit einigen Zukunftsprojekten für die Gemeinde befassen und diese „aufs Gleis“ setzen. Außerdem hat die Bürgerschaft bei der Kommunalwahl einen äußerst konstruktiven Gemeinderat und Ortschaftsräte für die nächsten fünf Jahre gewählt und damit für Kontinuität gesorgt.

Was war 2024 der wichtigste Meilenstein für Ihre Gemeinde?

Aus meiner Sicht, dass wir es geschafft haben, innerhalb von einem Jahr, das Thema Glasfaseranschluss für die Gesamtgemeinde Wirklichkeit werden zu lassen und dabei weitgehend auf eine eigene finanzielle Beteiligung verzichten können. Die UGG wird als unser Partner das Netz innerhalb der geschlossenen Ortschaften aller drei Ortsteile eigenwirtschaftlich ausbauen. Anfang Dezember 2024 hat die Gemeinde noch den Zuschlag aus einem Förderprogramm des Bundes zum Lückenschluss über 250 000 Euro erhalten, mit dem auch noch einige Liegenschaften außerhalb des Ortsgebietes angeschlossen werden können. Althengstett wird digital. Das ist ein Meilenstein für die gesamte Bürgerschaft, dass die Infrastruktur der Zukunft schon bald in allen Ortsteilen verfügbar sein wird.

Welches Projekt wird für Ihre Kommune 2025 das wichtigste sein?

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich vielleicht irgendwann im Laufe des Jahres 2025 korrigieren muss, stehen jetzt alle Signale auf Grün, was den Start der Hermann-Hesse-Bahn und damit den direkten Bahnanschluss von Althengstett an die Region Stuttgart, betrifft. Ein Mammutprojekt, sowohl bezüglich der Kosten, als auch des Bauumfangs. Die Gemeinde Althengstett freut sich, dass dieses Projekt endlich ab 2025 starten kann.

Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Was für eine Regierung wünschen Sie sich?

Um ganz ehrlich zu sein, eine große Koalition unter Führung der CDU. Wurde diese Konstellation in den vergangenen Jahrzehnten oft als Notnagel gesehen und großen Koalitionen eine gewisse Trägheit nachgesagt, so waren große Koalitionen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland jedoch auch immer stabile Anker, welche den Bürgern Halt gegeben haben. Gerade das ist aus meiner Sicht bei der aktuellen weltpolitischen Lage und auch der daraus resultierenden innenpolitischen Lage in Deutschland, dringend erforderlich. Die Bürgerinnen und Bürger haben Zukunftsängste, um den eigenen Arbeitsplatz, den eigenen Wohlstand, die eigene Versorgung. Die allgemeine Lage in der Ukraine, im Nahen Osten und auch die Regierung Trump benötigt ein stabiles Deutschland in einem stabilen Europa. Aus meiner Sicht ist die Zeit nicht mehr reif für innovative politische Experimente, wie es die Ampel war. Persönliche traue ich nur einer großen Koalition zu, wieder für Ruhe und Stabilität im Politikbetrieb zu sorgen. Dabei halte ich Friedrich Merz gegenüber Olaf Scholz für den geeigneteren Bundeskanzler.

Wenn Sie plötzlich Bundeskanzler wären – würden Sie das Amt annehmen? Und worum würden Sie sich zuerst kümmern wollen?

Diese Frage stellt sich nicht. Ganz grundsätzlich würde ich jedoch sagen, dass ein Demokrat, der sich mit dem Grundgesetz vollständig identifiziert, das Amt des Bundeskanzlers nie ablehnen kann.

Meiner Meinung nach ist das Problem der irregulären Migration am Dringendsten von einem Bundeskanzler zu lösen und dann selbstverständlich auf europäischer Ebene. Das Problem der ungelösten Migrationsfrage strahlt auf ganz Europa ab. In den Mitgliedsstaaten dominiert zunehmend der Nationalismus, es werden Regierungen gewählt, die sich zunehmend von Europa abwenden und glauben, dass die Lösung von Problemen nur national erreicht werden kann. Dies ist aus meiner Sicht ein Irrweg. Nur ein stabiles und florierendes Europa sichert uns Frieden und Wohlstand, auch in den kommenden Jahrzehnten.

Dabei bin ich überzeugt, dass die Vorteile der Europäischen Union viel stärker herausgestellt werden könnten und von den Bürgern auch sehr viel deutlicher wahrgenommen werden würden, wenn die irreguläre Migration und die Verteilung der Migranten nicht immer wieder zum Zankapfel der EU-Mitgliedsstaaten untereinander werden würde. In den vergangenen Jahren führte dies zudem dazu, dass die deutsche Bevölkerung das Gefühl bekam, hier eine deutlich größere Last zu tragen, als andere EU-Staaten und auch dies führt dazu, dass extreme Parteien bei uns einen starken Zulauf erfahren, welcher die Bildung von stabilen politischen Mehrheiten in der Bundesrepublik Deutschland deutlich erschwert. Damit steht unsere Demokratie insgesamt auf dem Prüfstand. Sofern die Frage der irregulären Migration gelöst wäre, würden die extremen Parteien ihr Kernthema verlieren, was sich dann auch wieder in Wahlergebnissen ausdrücken und die Demokratie insgesamt stärken würde. Parteipolitische Alternativen würden dann bedeutungslos werden.

Ständig ist seit einiger Zeit die Rede von künstlicher Intelligenz (KI). Was glauben Sie: Welche Aufgaben kann eine KI bis 2030 in Rathäusern übernehmen?

Die Erteilung allgemeiner Auskünfte zu Standardvorgängen, gegebenenfalls auch deren Umsetzung, wie beispielsweise die Beantragung von Dokumenten oder Erlaubnissen. Im Bereich der Zahlen (Kämmerei) kann sicher noch das ein oder andere auf die KI übertragen werden. Für viele Einzelvorgänge braucht es jedoch auch weiterhin Personal, welches sich mit Vorgängen befasst und im Einzelfall entscheidet. Weiter werden die Bürger auch nach 2030 erwarten, dass es einen lebendigen Bürgermeister gibt und nicht nur einen Avatar.

Hesse-Bahn und Krankenhaus Calw sollen beide 2025 fertig werden. Sind diese Projekte für Ihre Gemeinde und deren Bürger eher Bereicherung oder finanzielle Belastung?

Beides. Dass diese beiden Projekte für alle 25 Kreiskommunen eine finanzielle Belastung sind, ist unbestritten und hier gibt es auch nichts schön zu reden. Diese beiden Projekte sind aus geografischen Gründen jedoch so angesiedelt, dass unserer Bürgerschaft in Althengstett auch ein großer Nutzen dieser kostspieligen Infrastrukturprojekte zugutekommt, weshalb wir die finanziellen Schmerzen etwas besser ertragen können als andere Gemeinden im Landkreis. Wir wissen und sehen, wofür die uns immer stärker knebelnde Kreisumlage verwendet wird. Die Hermann-Hesse-Bahn wird in unserem Ort halten, der Neubau des Calwer Krankenhauses ist circa drei Kilometer von unserer Gemarkung entfernt. Mir ist bewusst, dass es meine Kollegen im südlichen und westlichen Teil des Landkreises deutlich schwerer haben, ihren Bürgern die hohe Kreisumlage zu erklären und den Solidargedanken unter den 25 Kreiskommunen in den Gemeinderäten und bei der eigenen Bürgerschaft zu verteidigen.

Was sollte der Kreis Calw unbedingt haben – an Gebäuden, Angeboten oder auch Freizeitmöglichkeiten (lassen wir dabei mal außer acht, ob das realistisch wäre)?

Es ist keine Kreisaufgabe, aber ich fände es für die Bevölkerung, aber auch insbesondere für unsere Kinder schön, wenn es wieder mehr Hallenbäder geben würde, weil ich es als wichtig ansehe, dass jeder Mensch schwimmen lernen kann. Hier betrachte ich die Entwicklung, dass immer mehr Hallenbäder schließen müssen, mit Sorge.

Ebenso würde ich mich freuen, wenn es wieder mehr Gasthäuser und Restaurants im Kreis geben würde. Das klassische Dorfgasthaus stirbt nach und nach aus, weil es sich finanziell immer weniger rechnet und keine Nachfolge gefunden wird. Dabei erfüllen die Dorfgasthäuser neben dem kulinarischen auch den sozialen Zweck, da sie als Treffpunkt dienen, wo man sich austauschen kann und zusammen kommt. Diese Entwicklung werden wir wohl leider nicht aufhalten können.

Überall fehlt es an Geld, die Konjunktur schwächelt, die Ausgaben sind hoch. Schnell heißt es in solchen Zeiten, Städte und Gemeinden würden die Kassen mit Bußgeldern füllen. Aber mal in Zahlen: Wie viel nimmt Ihre Gemeinde eigentlich pro Jahr tatsächlich mit Bußgeldern ein? Und wie viel Prozent der Haushaltserträge macht das aus?

Die Gemeinde selbst nimmt keine Bußgelder ein, wir haben diese Aufgabe an den Gemeindeverwaltungsverband übertragen, der sich aus den vier Gemeinden Althengstett, Gechingen, Ostelsheim und Simmozheim zusammensetzt. Demzufolge fließen eingenommene Bußgelder auch nicht in den kommunalen Gemeindehaushalt, sondern in den Haushalt des Gemeindeverwaltungsverbandes. Eine Sanierung der Gemeindefinanzen über Bußgelder findet bei uns im Gemeindeverwaltungsverband nicht statt. Wir nehmen aktuell auch nicht mehr Bußgelder ein oder kontrollieren schärfer, um mehr Bußgelder zu generieren. Diesen Vorhalt muss ich, nicht nur für unsere Gemeinde, sondern für den Gemeindeverwaltungsverband, zurückweisen.

Was wird 2025 die größte Herausforderung für Ihre Gemeinde?

Den kommunalen Haushalt in den Griff zu bekommen und dazu im Gemeinderat über die Streichung von Projekten und Vorhaben zu diskutieren, die nicht populär aber unumgänglich sind. Wir machen es uns weder in der Verwaltung, noch im Gemeinderat leicht, wenn wir Projekte und Vorhaben auf den Prüfstand stellen, aber wir haben als gewählte Mandatsträger auch die Aufgabe, den Haushalt im Griff zu behalten, und ohne Geld können Projekte nicht umgesetzt werden, wenn sie auch noch so schön und wünschenswert sind.

Und zu guter Letzt noch etwas Persönliches: Was war Ihr schönster Moment 2024?

Tatsächlich gab es im Jahr 2024 bislang nicht den schönsten einen Moment, es gab viele Momente und Situationen, in denen ich zufrieden war und die ich als schöne Momente wahrgenommen habe. Das waren Ereignisse wie das Fleckenfest 2024 in Ottenbronn oder Anfang Dezember unser Winterzauber, als ich sehen konnte, dass die Bürgerinnen und Bürger glücklich und zufrieden sind. Oder aber mein Besuch im Mai 2024 in unserer Partnergemeinde Moutiers-les-Mauxfaits, als ich zusammen mit meiner Familie sehr freundlich empfangen wurde. Privat ist es mir eine Freude, dass wir seit Mitte 2024 tierischen Familienzuwachs haben und ich in täglichen Runden meine Gemeinde zu Fuß mit meinem Hund erkunden kann.