Zehn Stunden lang hängen Jugendliche am Smartphone – jeden Tag. Das ist nicht nur viel zu viel, sondern gefährlich für die Gesundheit, warnt der renommierte Psychiater Manfred Spitzer.
„Der Fortschritt sollte uns nicht vom Denken abhalten“, meinte Landrat Günther-Martin Pauli. Er eröffnete die sechste Bildungskonferenz des Zollernalbkreises in der Schlossparkhalle. Stargast des Abend war der emeritierte Professor Manfred Spitzer, einer der führenden Gehirnforscher Deutschlands.
Säuglinge unter einem Jahr, das belegt Spitzer anhand von Studien, werden bereits eine Stunde am Tag vom „Babysitter Smartphone“ betreut. In Japan kommen die Babys am vier Stunden Bildschirmzeit. Jugendliche hängen durchschnittlich bis zu zehn Stunden täglich vor Bildschirmen, Konsolen oder Handys.
Spitzer findet deutliche Worte
Das hat verheerende Folgen, sagt Spitzer, sowohl für die Gesundheit, als auch für die Psyche und Bildung. Diabetes, Bluthochdruck, Haltungsschäden sind nur einige Folgen, die der exzessive Medienkonsum haben kann. „Wer sein Kind lange ans Smartphone lässt, begeht Körperverletzung mit Ansage“, findet der Medienpädagoge deutliche Worte.
Dass das viele Starren auf einen Bildschirm schon im Kleinkindalter zur späteren Erblindung fühlen kann, hat wohl die meisten Zuhörer erstaunt. Spitzer hat es erklärt: „Die Augen wachsen, bis sie scharf gestellt sind.“ Schaut man zu viel auf ein Display, denkt also das Auge, dass dieser relativ kurze Abstand das Maß der Dinge sei und entwickle sich nicht weiter.
Macht die Dosis das Gift?
In Korea, führt Spitzer aus, seien 90 Prozent der Jugendlichen kurzsichtig und müssten eine Brille tragen. Experten gingen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 die Hälfte der Weltbevölkerung eine Brille braucht.
Macht nicht, wie bei so vielem, die Dosis das Gift? Der Experte verneint: „Sobald man hinschaut, macht man etwas falsch.“
Auch das Gehirn verändere sich. Es entwickle sich verzögert bei der Nutzung von „sozialen Medien“. Bei Kindern litten die Motorik. Die Fähigkeit, zu kommunizieren und Probleme zu lösen, sei geringer ausgeprägt als bei Heranwachsenden, die kein Handy nutzen.
Das berichtet Spitzer aus Wuhan
Die Lösung? Spitzer verweist auf eine Studie aus Wuhan: Während des Lockdowns in der chinesischen Stadt, in der 2019 der erste Coronafall bekannt wurde, wurde genau zu jener Zeit eine Untersuchung zur Entwicklung von Kindern beendet, die Smartphones nutzen. Einen Tag später hat die Regierung die Handynutzung für Menschen unter 15 Jahren verboten.
„Das wäre so bei uns nicht möglich“, weiß Spitzer. Er verweist darauf, dass durch die späteren Schäden zehn Lebensjahre verloren gehen könnten.
Und dann wird der Forscher beim Thema „Instagram, TikTok & Co.“ eindringlich: „Wollen wir wirklich unsere Aufmerksamkeit, unsere Gesundheit und unser Geld an US-Milliardäre verschleudern?“
Das hält Spitzer vom Digitalpaket
Vom sechs Milliarden Euro schweren Digitalpaket für die Schulen hält der Medienpädagoge nichts. Die Digitalisierung, zitiert er Studien, würden die schwächsten Schüler nicht auffangen. Im Gegenteil: „Die Noten werden bei allen Schülern schlechter, die Schwächsten daddeln nur.“
Australien und Neuseeland waren die ersten Staaten, die auf Digitalisierung an Schulen setzten. Jetzt, da Deutschland erst zu investieren beginnen wolle, hätten diese und weitere Länder das Konzept längst wieder abgeschafft.
Was also braucht es Spitzers Ansicht nach? Basteln, Mathe, Musik und Sport würden die Intelligenz fördern. Und Theaterspielen: „Wer als Jugendlicher auf der Bühne schon mal Liebeskummer gespielt hat erschrickt später im echten Leben nicht darüber.“