Die geheimnisumwitterte Unterwelt-Anlage im Schlossberg beim Junghans-Gewerbepark an der Geißhalde in Schramberg ist noch gut erhalten. Foto: Fritsche

Luftangriffe, Schüsse, Kämpfe und Sirenen - die Menschen in der Ukraine müssen einen neuen, schrecklichen Alltag bewältigen. Die Metro in Kiew wird zuzeit als Bunker genutzt, weil andere Schutzräume fehlen. Wie sieht es mit Schutzräumen eigentlich hierzulande aus? Ein Blick auf die Geschichte ist aufschlussreich.

Oberndorf - Von Deutschland ist der Krieg so weit entfernt, dass er sich hauptsächlich in steigenden Preisen bemerkbar macht. Ein Blick auf die Geschichte aber macht deutlich, dass auch hierzulande längst nicht immer Frieden war. Zwei Weltkriege sowie der Kalte Krieg zum Beispiel haben ihre Spuren hinterlassen. Die sind nicht überall offensichtlich. Von Luftschutzanlagen und Zivilschutzbunkern sind größtenteils nur noch Ruinen übrig.

Auf der Homepage des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) steht zu dem Thema, dass Bund und Länder im Jahr 2007 beschlossen haben, öffentliche Schutzräume nicht weiter zu erhalten. "Mit dem Fall der Mauer und der Beendigung des Ost-West-Konflikts schien das Szenario eines konventionellen Krieges mit großflächigen Bombardierungen und dem Einsatz chemischer und nuklearer Waffen nicht mehr zeitgemäß." Doch auch ohne öffentliche Einrichtungen gebe es Schutzmöglichkeiten. Guten Schutz biete generell die vorhandene Bebauung, sowohl vor fliegenden Objekten als auch "vor Kontamination mit chemischen oder nuklearen Stoffen", heißt es auf der Seite. 

Wenn ein Innenraum ohne Außenwände ebenfalls ausreichend Schutz bietet, warum wurden die Schutzräume damals dann überhaupt gebaut? Diese Frage bleibt vom BBK unbeantwortet.

Russlands Präsident Waldimir Putin scheint das Kriegsszenario jedenfalls durchaus noch für zeitgemäß zu halten, wie die aktuelle Situation in der Ukraine deutlich macht. "Aktuelle Geschehnisse zeigen: Bisherige Annahmen haben nur noch beschränkt Gültigkeit und wir müssen die Herausforderungen, die nun an uns gestellt werden, ernst nehmen", lässt Sprecherin Anthea Paul im Namen des Bundesamts verlauten. "Der Bund muss sich nicht nur militärisch, sondern auch im Zivilschutz neu aufstellen – was für die Fähigkeiten der militärischen Verteidigung gilt, muss auch für die Fähigkeiten der zivilen Verteidigung und für den Schutz der Bevölkerung umgesetzt werden. Die aktuellen Vorkehrungen und Maßnahmen im Zivilschutz in Deutschland müssen überprüft und die Fachbehörden wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk für diese Aufgaben wieder deutlich gestärkt werden."

Zurzeit befinden sich bundesweit rund 620 öffentliche Schutzräume in der Zivilschutzbindung, teilt das BBK auf Anfrage weiter mit. Viele der noch vorhandenen öffentlichen Schutzräume seien als sogenannte Mehrzweckanlagen ausgestaltet, das heiße, es handle sich unter anderem um Tiefgaragen und U-Bahn-Stationen. Diese wurden während des Kalten Krieges erbaut und stehen überwiegend in den alten Bundesländern.

Im Schwarzwald zwischen Villingen-Schwenningen im Süden und Calw im Norden gebe es jedenfalls keine öffentlichen Schutzräume wie Luftschutzbunker mehr, die noch einsatzfähig wären. Die ehemaligen Schutzräume wurden, wie beschrieben, längst aus ihrer Zivilschutzbindung entlassen. Seit dem Jahr 2021 ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) laut BBK mit der Bewirtschaftung der Schutzräume und deren Entwidmung als Zivilschutzbunker beauftragt.

Schwarzwald-Baar-Kreis

Insgesamt gab es im Schwarzwald-Baar-Kreis laut Landratsamt fünf Schutzräume - einer in Donaueschingen und vier in Villingen-Schwenningen. Diese Schutzräume hatten seinerzeit insgesamt 4598 Schutzplätze. Die Stadt Villingen-Schwenningen teilt auf Anfrage mit, dass die Anzahl der Schutzplätze damals je nach Größe zwischen 300 und 2840 Plätze pro Raum gelegen habe. Die vier Räume in Villingen-Schwenningen, ohne den Raum in Donaueschingen, hätten demnach in Summe 4183 Plätze geboten.

Mit dem Ende des Kalten Kriegs sei eine geänderte Betrachtung der Bedrohungslage entschieden worden, wie das Landratsamt schreibt. Das führte dazu, dass die Schutzräume seit Anfang bis Mitte der 2000er-Jahre nicht mehr zu Zivilschutzzwecken eingesetzt wurden. Somit sei damals auch die Übernahme von Kosten für Verwaltung und Unterhaltung der Schutzräume eingestellt worden. Überwiegend werden die Räume laut Stadt und Landratsamt derzeit als Tiefgaragen genutzt. Deshalb würden sie auch nicht mehr vom Landratsamt verwaltet, sondern von den jeweiligen Eigentümern. Gewartet werden die Schutzräume schon seit einigen Jahren nicht mehr, so das Landratsamt.

Kreis Calw

Mit dem Atombunker der Landesregierung bei Oberreichenbach und der Funkstelle Lerchenberg bei Gültlingen gibt es im Kreis Calw gleich zwei Relikte aus der Zeit des Kalten Krieges. Die Funkstelle hat nach wie vor einen 81 Meter hohen Funkmeldeturm, der nicht zu übersehen ist. Von hier aus werden heute laut Landesinnenministerium die Funknetze von Polizei und Feuerwehr in ganz Baden-Württemberg koordiniert. Im Kalten Krieg jedoch, als sich Nato und Warschauer Pakt feindlich gegenüberstanden, hatte die Funkstelle eine ganz andere Funktion: Sie hätte im Falle eines Atomkriegs den Kontakt zwischen Regierung und Bevölkerung aufrecht erhalten.

Unter der Funkstelle wurden Bunkeranlagen für den Zivilschutz angelegt, worüber das Recherche-Team von Ausweichsitz.de, das sich mit der Aufarbeitung von Bauwerken des Kalten Krieges beschäftigt, einiges herausgefunden hat. Der Lerchenberg war damit sozusagen die Antenne für den Atombunker der Landesregierung südlich von Oberreichenbach. Dorthin hätte sich die baden-württembergische Führung zurückgezogen, wenn es zu einem nuklearen Schlag des Warschauer Paktes gekommen wäre. Fünf Stockwerke tief in den Boden reicht der sogenannte Ausweichsitz der Landesregierung – ausgerüstet mit Besprechungsräumen, Fernsehstudio und eigener Energieversorgung. Bis zu 250 Personen hätten hier 30 Tage lang ohne Versorgung von außen überleben können. 

Mehr dazu gibt es hier: "Können Bunker im Kreis Calw reaktiviert werden?"

Laut den Innenministerien von Bund und Land gibt es keine weiteren Bunkeranlagen mehr im Kreis Calw.

Zollernalbkreis

Laut Landratsamt Zollernalbkreis wurden die Schutzräume im Kreis größtenteils ebenfalls entwidmet. Teilweise bestehen die Gebäude noch, werden jedoch anders genutzt. Lediglich in Schömberg gebe es noch Vereinbarungen über vier Schutzräume, teilt Pressesprecherin Marisa Hahn mit.

Zum Thema: "Keine Anlagen mehr im Zollernalbkreis"

Rottweil

Im Kreis Rottweil erinnern noch viele Ruinen sowie teils gut erhaltene Stollenanlagen an historische Ereignisse, wie die Stadtarchivare der Städte auf Anfrage mitteilen. Während Oberndorf mit dem Bau von Luftschutzbunkern so spät dran war, dass die meisten davon vor Kriegsende nicht mehr fertig gebaut wurden, gab es in Schramberg vor allem auf Firmengeländen weit verzweigte Bunkeranlagen, die Platz für tausende von Menschen boten. Der Junghans-Stollen fasziniert heutzutage hin und wieder Besucher bei Führungen.

Die Stadt Rottweil selbst war im zweiten Weltkrieg das Ziel von Luftangriffen, die ganze Gebäude in Schutt und Asche legten. Dementsprechend war man hier auf Luftschutzräume angewiesen, an die noch viele Eingänge erinnern. Die wenigsten Bunker sind noch erhalten. Einige Bunkerröhren wurden nach Ende des Krieges sogar zugemauert, um Unfälle zu verhindern.

Mehr dazu lesen Sie hier: "Erinnerung an frühere Kriege: Zuflucht unter der Erde"

Kreis Freudenstadt

Freudenstadt hat zwar einen "Schutzraum" für Luftangriffe. Er ist allerdings nicht mehr einsatzfähig. Das erklärte Sabine Eisele, Pressesprecherin des Landratsamts, auf Anfrage unserer Redaktion. Der Bunker befindet sich bei den Tiefgaragen des Kreishauses in der Landhausstraße.

"Der Schutzraum wurde in den 70er-Jahren gebaut, finanziert durch ein Programm des Bundes", so Eisele. Seine Funktion erfülle er nicht mehr. Ihn für einen Ernstfall wieder einsatzfähig zu machen, wäre mit hohen Investitionen verbunden. Ohne Zuschüsse werde der Kreis dies nicht schultern. Stattdessen solle der Bunker ebenfalls "entwidmet", also ganz aufgegeben werden.

Eisele sagt, sie sei vor vielen Jahren mal in dem Raum gewesen. Ihrer Erinnerung zufolge handele es sich um einen "etwas größeren Raum", der vielleicht 20 Menschen Unterschlupf biete. Im Gedächtnis geblieben seien ihr "viel Beton, extra-dicke Wände und eine superdicke Tür aus Panzerstahl". Die Atmosphäre im Bunker habe sie als "eher gruselig" empfunden.