Die Stimme mit dem Schweizer Farbklang ist unverkennbar: Emil Steinberger ist zum Interview bereit. Mit 92 zeigt er sich wohltuend gelassen und heiter. Bald kommt er nach Lörrach.
Er ist zweifelsohne der Lieblingsschweizer aller Deutschen. Im Cineplex Kino läuft sein neuer autobiografischer Film „Typisch Emil. Vom Loslassen und Neuanfangen“. Am 2. Juli kommt er ins Kino und steht zum Gespräch bereit. Im Vorfeld verrät er uns unter anderem, warum er keinesfalls die Füße hochlegen will. Wir lachen viel.
Herr Steinberger, in meiner Familie ist das „Ogtern“ (statt Ostern) aus Ihrem berühmten Kreuzworträtselsketch, in dem verzweifelt versucht wird, alles passend zu rätseln, zum geflügelten Wort geworden. Viele Deutsche dachten und denken bis heute: Wie Sie reden – das ist Schweizer Dialekt. Stimmt gar nicht, oder?
Genau, in den deutschen Theatern hören die Zuschauer natürlich nur mein Schweizer Hochdeutsch. Sprachlich nicht immer ganz korrekt – und etwas langsamer als Ihr sprecht, aber es tönt sympathisch mit dieser Färbung. Ogtern ist natürlich kein Dialektwort, sondern ein Wort, das im Zusammenhang mit der Nummer „Der Telegrafenbeamte“ entstanden ist.
Sie leben in Basel. Warum?
Ich bin mit meiner Frau 1999 von New York zurückgekommen. Damals haben wir uns in der französischen Schweiz niedergelassen. In Montreux. Dort lebten wir 15 Jahre lang. Wir gehen sehr gerne ins Theater und ins Kabarett, mussten aber feststellen, dass wir trotz guter Französischkenntnisse nicht alles, nicht jede Nuance verstanden, die wir auf der Bühne hörten. Plötzlich hatten wir richtig Heimweh nach unserer Muttersprache: Das gab den Ausschlag für den Umzug in die Deutschschweiz.
Und warum ging es nicht in Ihre Geburtsstadt Luzern?
In Luzern habe ich 60 Jahre gelebt, ich wollte nicht ins alte Nest zurück. Da kennen mich alle und kommen wieder mit vielen Anliegen an mich heran: Herr Steinberger, wollen Sie nicht, könnten Sie nicht … Genau deshalb bin war ich ja damals nach New York geflüchtet, weil mir das alles zu viel wurde. Nach Zürich wollten wir auch nicht – und so kamen wir auf Basel. Ich habe den Basler Humor schon immer geliebt – mit der Fasnacht, den Schnitzelbängg. Und ich habe viele, viele Abende in Basel gespielt. Und außerdem ist in Basel Kultur großgeschrieben.
Wenn Sie durch Basel spazieren, werden Sie doch sicher erkannt und auch angesprochen. Oder sind die Schweizer zu diskret?
Es gibt verschiedene Menschen. Die einen marschieren mit mir über den Zebrastreifen und sagen: „Schön, dass Sie bei uns in der Stadt wohnen“, lächeln und gehen weiter. Oder wir sitzen im Restaurant, und am Ende ist unser Essen bezahlt, ohne dass wir wissen von wem. In der Tram kam plötzlich eine Frau mit einem Blumenstrauß auf mich zu und meinte: „Eigentlich habe ich die nicht für Sie gekauft, aber wenn ich Sie schon sehe, dann möchte ich Ihnen eine Freude bereiten. Sie haben das verdient.“
Wie reizend
Ja, die Basler sind da ganz liebenswürdig und diskret.
Sie sind derzeit viel in Medien präsent, weil Ihr neuer Film angelaufen ist. Jeder staunt dabei über Ihre Alterslosigkeit. Wie machen Sie das? Liegt das am Humor oder an Ihrer Frau?
Wenn ich das sagen könnte, würde ich eine Medizin auf den Markt bringen. Ja, aber im Ernst, ich denke schon, dass der Humor da seinen Anteil hat. Es ist ja bewiesen, dass der ein Gesundbrunnen ist.
Und das Glück guter Gene.
Vermutlich. Meine Großtante ist noch mit 80 aufs Matterhorn geklettert. Aber ich muss schon sagen, alles was ich mache und warum ich auf Euch so jung wirke, wäre ohne die wahnsinnige Unterstützung durch Niccel seit nunmehr 30 Jahren gar nicht möglich.
Trotzdem die Frage: Warum liegen Sie nicht am Vierwaldstättersee mit Ihrer Frau und lassen es sich gut gehen?
Ach nein, das wäre ja langweilig.
Oder aufs Kreuzfahrtschiff?
Nein! Ich will doch nicht nur liegen. Ich liege schon genug, wenn ich ins Bett gehe. Es passiert so viel und gibt so viel zu tun. Und ich habe immer noch Spaß daran, meinen Fans Freude zu bereiten. Sie senden so viele positive Strahlen zu mir auf die Bühne. Das wirkt stärker als Ferien in der Hängematte.
In Ihrem Film blicken Sie zurück. Ist da auch Melancholie dabei? Gibt es etwas zu bereuen?
Wenn ich den Film sehe, freue ich mich über die vielen guten Momente in meinem Leben, die ja der Film – gut und interessant geschnitten – zeigt. Natürlich gibt es Szenen und Geschichten, die ich noch gerne im Film gehabt hätte. Aber alles passt ja nicht hinein. Melancholisch werde ich nicht. Ich kann alles gut verdauen, was in meinem Leben passiert ist. Auch die negativen Seiten. Die konnte ich gut beiseitelegen und mich davon befreien. Ich will mich damit auch gar nicht dauernd beschäftigen. Ich finde den Rhythmus und den Inhalt des Films gut, obwohl ich auf einige Aspekte aus meinem Leben verzichten musste. So viel Leben passt ja kaum in einen knapp zweistündigen Film hinein.
Sie kommen am 2. Juli auch nach Lörrach ins Cineplex Kino. Mögen Sie solche Begegnungen mit dem Publikum?
Oh ja, sehr. Es ist schön zu erleben, dass mir meine Fans seit über 60 Jahren treu geblieben sind und immer noch über meine Sketche lachen können. Es ist auch kostbar, was sie mir bei diesen Begegnungen aus ihrem Leben erzählen. Da gibt es oft lustige Anekdoten. Ich mag das.
Ihre Sketche aus den 70er Jahren funktionieren immer noch. Woran liegt das?
Ja tatsächlich, daran merkt man, dass sich die Menschen gar nicht so sehr verändert haben. Was man damals lustig fand, findet man immer noch witzig. Auch, wenn ich den Film „Die Schweizermacher“ (Der Film von 1978 nimmt die Schweizer Einbürgerungspraxis aufs Korn, Anm. d. Red.) ansehe: Das Thema ist immer noch gleich. In den 50 Jahren hat sich scheinbar so wenig verändert. Das ist allerdings tatsächlich traurig. Dass sich politisch einfach nichts bewegt. Jede Gemeinde hat ihr eigenes Programm, wie sie testet, ob die Antragsteller einbürgerungsreif sind oder nicht.
Sie sind in Ihrer Komik nie böse, nie herabwürdigend. Haben Sie Spaß an den heutigen Comedians?
Ich sehe gerne beispielsweise die Heute-Show. Aber was viele heutige Comedians machen, ist schon eine andere Art. Ich hatte auf der Bühne einen Tisch, Kleider, Hüte, ein Telefon, das klingelte. Da habe ich viel mit der Mimik, mit dem Körper, mit Gestik gearbeitet. Heute nutzen viele nur noch ein Mikro und Sprache. Das finde ich ein bisschen schade. Doch ich habe das Gefühl, der Trend ändert sich wieder. Es kommen wieder Künstler, die mehr agieren. Gewisse Inhalte bleiben nur hängen, wenn sie auch optisch präsentiert werden. Reine Sprache geht oft zum einen Ohr rein und zum anderen raus. Die Art, wie ich spiele, bleibt dagegen mehr im Herzen. Da ist es dann über Jahre hinweg gut eingebettet. Ich staune manchmal selbst, wie gut das immer noch funktioniert.
Kennen Sie Ihre Landsfrau Hazel Brugger?
Ja selbstverständlich, ich habe mehrere ihrer Programme gesehen. Eine ganz andere Art der Komik. Aber sie zeigt, dass man auch frech sein darf als Frau, da hat sie Türen geöffnet.
Was ist das größte Missverständnis zwischen Deutschen und Schweizern?
Wenn es um meine Programme geht, dann gibt es keines. Ich spiele jede Nummer genau gleich, und es wird immer an genau den gleichen Stellen gelacht. In Sachen Humor ist das Verständnis absolut gleich. Ich weiß, es gibt da Vorurteile.
Es gibt aber doch Unterschiede in der Mentalität?
Ja, ihr könnt viel schneller reden, auch wenn man dann vielleicht nicht alles versteht. Wir haben dafür viele kleine Wörter, die es bei euch nicht gibt, und die das Unterhalten etwas sympathischer machen, nicht so geschäftsmäßig, etwas weicher.
Und die Schweizer sind höflicher?
Höflicher vielleicht nicht. Aber wir nehmen uns einfach mehr Zeit in einem Gespräch – und das wirkt höflicher. Statt „Ein Bier“, sagen wir „Kann ich bitte ein Bier haben?“
Nach dem großen Filmprojekt ist jetzt ein bisschen Ruhe angesagt?
Nein, wir machen jetzt in der Schweiz bis Mitte September eine Open Air-Tournee. Außerdem habe ich vor vier Jahren damit angefangen, meine Autobiografie zu schreiben. Die ist jetzt lange liegengeblieben, weil wir nur für den Film gearbeitet haben. Das war und ist immer noch eine Riesenarbeit.
Sie sprechen immer von wir. Ihre Frau Niccel ist ein unverzichtbarer Faktor.
Ja, ohne sie ginge es nicht. Sie hilft immer mit, denkt immer mit, klärt Ideen ab, es tut mir fast weh. Sie malt so gut und hat dazu viel zu wenig Zeit, weil sie immer nur mit dem Emil beschäftigt ist. Das muss sich mal ändern.
Herr Steinberger, trotz der Weltlage: Sie bleiben heiter?
Es muss weiterhin Gründe zum Lachen geben – trotz ein paar Dummköpfen in der Welt.
„Typisch Emil. Vom Loslassen und Neuanfangen“: Am Mittwoch, 2. Juli, 18 Uhr im Lörracher Cineplex, Am Alten Markt 1-2, mit dem Besuch von Emil Steinberger
Der Film
Typisch Emil
ist mehr als eine Hommage, es ist ein Porträt eines Mannes, dessen Humor, Sprache und künstlerische Vision Generationen geprägt haben. Emil besitzt eine unnachahmliche Art, das Alltägliche wahrzunehmen und in außergewöhnliche und zeitlose Momente der Komik zu verwandeln. Durch seine Geschichten, seine Liebe zu den Menschen mit all ihren Fehlern zeichnet der Film das Bild eines Künstlers, der das Lachen als universelle Sprache versteht.
Inhalt:
Der Film geht über den nostalgischen Blick auf die bekannten Bühnen-Figuren hinaus und taucht ein in eine Welt, in der Emil gegen die Schatten seiner Kindheit und den Druck des Erfolgs kämpft, um seinen Platz als gefeierter Komiker zu finden. Nicht zuletzt ist er die Geschichte einer großen, romantischen Liebe.