Sandro de Lorenzo sprach mit unserer Redaktion über die verrückten Ideen hinter dem Buch. Foto: Göpfert

Was wäre, hätte sich deutsche Musik weltweit durchgesetzt? Damit setzt sich das Friesenheimer Comedy-Kollektiv Luksan Wunder in „Eine mögliche Geschichte der deutschen Popmusik“ auseinander. Den Leser erwarten viele irrsinnige Einfälle – auch zum Anhören.

Punk als Teil eines Franchise, bei dem die Musik nur dazu dient, um Schuhe zu bewerben. Deutsche Texte, durch die die englischsprachigen Hits der Beatles erst richtig bekannt werden. Oder Gangster-Ghostwriter, die sich zusammenschließen und so Chansons mit freundlicher Musik und harten, kruden Gangstertexten herausbringen: Im Buch „Eine mögliche Geschichte der deutschen Popmusik“ wurde eine Reihe verrückter Einfälle zu Papier gebracht. Doch das war Luksan Wunder nicht genug. Weil man Musik auch hören muss, um sie zu verstehen, hat das Comedy-Kollektiv rund 40 Musikvideos aufgenommen, die auf Youtube passend zu den Kapiteln angehört werden können. Unsere Redaktion hat mit Sandro de Lorenzo, dem Autor des Buches und Initiator des multimedialen Projekts, gesprochen.

 

Herr de Lorenzo, bevor wir über Ihr Buch reden: Können Sie uns erst einmal Luksan Wunder vorstellen?

Luksan Wunder ist ein etwa zehnköpfiges Comedy-Kollektiv. Ein Teil von uns ist direkt in Friesenheim ansässig, ein Teil in Berlin und ein anderer Teil in Freiburg. 2015 haben wir angefangen, fürs Internet Videos zu drehen. Wir hatten ein paar Serien, die relativ bekannt wurden. Inzwischen bespielen wir unterschiedliche Medien wie Fernsehen und Radio, haben ein Hörspiel herausgebracht, Bücher geschrieben und machen sehr viel live.

Und wie kamen Sie darauf, Buch, Musik und Videos zusammenzubringen?

Wir hatten schon zuvor Videoformate mit alternativen Realitäten gemacht. Dazu kommt: Viele von uns sind Musiker. Da schien es für uns völlig logisch, Comedy und Musik zusammenzubringen. Hinsichtlich des Mediums haben wir lange überlegt: Wir wollten keine Doku drehen, weil wir das schon mal gemacht haben. Inspiriert durch ein nie erschienenes Kunstbuch kam ich auf die Idee, ein Buch im Stil einer Feuilleton-Kritik zu schreiben. Der Satyr-Verlag, der auch unsere anderen Bücher herausgebracht hat, fand die Idee hübsch. Eigentlich sollte es ein Bildband mit erfundenen Menschen, Covern und Geschichten werden. Doch beim Schreiben bemerkte ich, dass es überhaupt keinen Sinn macht, so etwas zu schreiben, wenn man die Musik nicht hören kann. Deshalb haben wir den multimedialen Ansatz gewählt. In dem Buch sind QR-Codes, über die man die Songs, die dort besprochen werden, anschauen kann.

„Es war ein irrsinniges Projekt“ erklärt der Autor

70 Songs aus verschiedenen Genres der Popmusik aufzunehmen und dazu auch noch 40 passende Musikvideos zu drehen. Das klingt nach jeder Menge Arbeit...

Ja, es war ein irrsinniges Projekt. Das halbe Jahr, in dem ich geschrieben, wir die Cover und Bands erfunden und die Videos aufgenommen haben, war für uns alle sehr intensiv – vor allem, da wir noch zwischendurch auf Tour waren. Da blieb nicht viel Zeit für etwas anderes. Zumal wir uns bewusst dafür entschieden haben, keine KI zu verwenden, sondern alles selbst zu machen und zu bearbeiten.

Gab es irgendein Genre, das Ihnen besonders schwer gefallen ist, zu parodieren?

Überraschenderweise der Hip-Hop. Ich bin selbst ein Alt-Hip-Hopper mit einer Band, deshalb dachte ich, dass dieses Genre eigentlich das einfachste wäre. Allerdings: Da ich so viel wusste, musste ich aufpassen, dass ich mich nicht verzettle und die Parodie dann nicht nur für die paar Leute schreibe, die genau so viel wissen wie ich. „Eine mögliche Geschichte der deutschen Popmusik“ ist ein Nerd- und Liebhaberprojekt. Auf der einen Seite ist es für Nerds geschrieben, die das Wissen haben, um alle Anspielungen zu verstehen. Auf der anderen Seite sollen aber auch die, die sich nur vage für Popmusik interessieren, viele Gags erkennen und Spaß zu haben. Diese Balance zu finden, war nicht leicht und besonders schwer, wenn man viel über eine Sache weiß.

Der Song „Gurken entsaften, gesund“ von Kardiokasettendeck wurde im Buch der meistverkaufte Song der gesamten NDW-Bewegung. Foto: Luksan Wunder

Und was kam beim Publikum am besten an?

Der Beat: Bei diesem hat die Band Klappschemel Lieder der Beatles auf Deutsch herausgebracht und dazwischen eigene Texte geschmuggelt wie das Lied „Mittelstand schafft Sicherheit“. Wenn wir im Radio gespielt werden, dann ist es meistens dieser Song. Ansonsten gibt es noch einen Song im Austro-Pop, der relativ häufig gespielt wird „Mein Schädel ist ein Hurenhaus“ – ein an Falco angelehntes Cover.

Das Buch beschreibt auch die Zukunft: 2030 übernimmt die KI den Musikmarkt und löscht bei der Gelegenheit die gesamte Menschheit aus. Wie stehen Sie selbst zu KI-generierter Musik oder Kunst?

KI ist eine Bedrohung für alle Künstler. Diese Musik wird inzwischen schon ganz gut, es gibt manche Sachen, die mich von der Qualität her wirklich verblüffen. Allerdings habe ich noch nie erlebt, dass KI-generierte Musik etwas mit mir macht – mich überrascht oder berührt. Aber ich fürchte, das wird irgendwann kommen und dass so nach und nach bestimmte Bereiche der Kreativwelt sterben werden. Aber ich glaube, dass Humor sich noch ein bisschen hält. Denn da ist ja das Unerwartete das Witzige. Ich hoffe aber, dass generell die Übernahme nicht so bald kommt oder dass es dann Regelungen gibt, die die Künstler unterstützen. Im Bereich Musik etwa, dass die GEMA Gebühren für die Lieder verlangt, die die KI benutzt hat, um daraus neue Lieder zu schaffen.

Die „Highway Cowboys“ prägten im Buch den „Landler“ - den Country-Schlager. Foto: Luksan Wunder

Noch ist ja nicht 2030, noch hat die KI nicht übernommen. Dafür seid ihr gerade auf Tour. Ist das neue Buch bereits Teil eures Bühnenprogramms?

Noch nicht. Unsere aktuelle Liveshow ist eine Mischung aus allen Genres der Comedy sozusagen. Von der Interaktion mit Inhalten auf einer Leinwand in der Mitte bis hin zu klassischen Sachen wie Sketch, Stand-up, Krimskrams. Es ist wie eine Revue-Show: Sehr schnell hintereinander passiert sehr viel. Die Sachen sind sehr kurz, aber sie ballern. Ich würde behaupten, unsere Show ist sehr witzig, unser Publikum lacht jedenfalls sehr viel. Ab Oktober sind wir mit einem neuen Programm unterwegs. Dort werden wahrscheinlich zumindest Teile aus der Popgeschichte auftauchen.

Markenzeichen

Der Brokkoli ist das Markenzeichen von Luksan Wunder geworden. Das führt auf ein Video des Comedy-Kollektivs zurück, bei dem thematisiert wurde, wie man Kiwi schälen würde, wenn man statt Hände Brokkoli hätte. Auch wenn das schon Jahre her ist, gibt es immer noch Fans, die mit Brokkoli-Händen zu Auftritten von Luksan Wunder kommen, berichtet de Lorenzo.