Der Eingang des Calwer Kreiskrankenhauses. Foto: Bernklau

53 Mitarbeiter und zwölf Patienten infizieren sich wohl mit Virus-Mutation. Landratsamt ist sehr besorgt.

Wegen eines massiven Corona-Ausbruchs muss die komplette Belegschaft des Calwer Kreiskrankenhauses in Arbeitsquarantäne. Bei den Infektionen könnte es sich um eine ansteckende Virus-Mutante handeln. Im Landratsamt ist man höchst beunruhigt.

 

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Calw - Während bundesweit die Zahl der Neuinfektionen an Sars-Cov-2 kontinuierlich sinkt und der seit Wochen andauernde Lockdown auch zu einer Entspannung der Lage an den Krankenhäusern führte, meldet Calw im Nordschwarzwald den schlechtesten aller Fälle: ein massiver Corona-Ausbruch gleich in fünf Klinikstationen, quer durch sämtliche Abteilungen.

Bereits am Mittwoch war man alarmiert: Eine Station meldete zehn Corona-Fälle. Zwei Tage später explodierten die Zahlen. 53 Mitarbeiter des Krankenhauses in der Eduard-Conz-Straße und 12 Patienten hatten sich mit dem Coronavirus angesteckt.

Von den infiziertenMitarbeitern waren fast alle bereits geimpft

"Dabei", sagt der Calwer Landrat Helmut Riegger (CDU) im Gespräch mit unserer Zeitung, "haben wir alles getan, damit die Hygienevorschriften eingehalten werden" – und damit ein solches Szenario zu verhindern. Alle Besucher der Klinik mussten seit 1. Februar nicht nur eine Maske tragen, sondern am Eingang zudem einen negativen Corona-Test vorweisen. Ein selbst mitgebrachtes Testergebnis durfte nicht älter als 48 Stunden sein. Hinzu kommt, dass laut Riegger fast alle der infizierten Mitarbeiter gegen Corona geimpft waren. Mitarbeiter des Krankenhauses meldeten sich jedoch am Montag bei unserer Zeitung und widersprechen dieser Aussage. Tatsächlich seien demzufolge viele der Infizierten nicht geimpft. Darüber hinaus sei zudem erst die erste Dosis verabreicht worden, die keinen vollständigen Schutz biete. Nötig sind zwei Dosen. 

Und dennoch konnte dieser diffuse Ausbruch nicht verhindert werden. Noch ist völlig unklar, wie und von wem der Virus ins Krankenhaus getragen wurde. Von der allgemeinen Testpflicht, die das Land für alle Kliniken erlassen hatte, war eine Vielzahl von Personengruppen ausgenommen. Nicht nur notwendige Begleitpersonen von Patienten, sondern auch Rettungsdienste, Feuerwehr, Dienstleister und Handwerker hatten ohne das Negativ-Testat Zutritt zum Hospital.

Massiver Ausbruch bereits um die Jahreswende

Noch am Freitagabend rief Kreischef Riegger die Verantwortlichen in einer Videoschalte zu einer Krisensitzung zusammen. Es war nicht das erste Mal: Bereits um die Jahreswende war es im anderen Kreisklinikum, in Nagold, zu einem ähnlich massiven Corona-Ausbruch unter der Mitarbeiterschaft gekommen. Mehr als 60 Personen, darunter ein Drittel Ärzte, waren zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar infiziert worden. Dass die Klinik dennoch ihren Betrieb am Laufen halten konnte, sei vor allem dem Einsatz der Klinikleitung, voran dem Ärztlichen Direktor Hubert Mörk zu verdanken gewesen. Riegger: "Das war eine Top-Leistung." Weil viele seiner Mediziner ausgefallen waren, stellte sich Klinikchef Mörk damals selbst in die Notaufnahme.

Doch dieses Mal, in Calw, blieb Riegger nichts anderes übrig, als die ganze Klinik unter Quarantäne zu stellen. Dazu wurde auch der Calwer Oberbürgermeister Florian Kling (SPD) in den Krisenstab aufgenommen, weil er als Chef der Ortspolizeibehörde die Allgemeinverfügung erlassen musste, mit der eine weitere Verbreitung des Coronavirus im Landkreis verhindert werden soll. Noch am selben Abend schrieb Landrat Riegger einen Brief an alle Mitarbeiter des Krankenhauses und warb um Verständnis für die notwendigen Schritte. Im Vorfeld waren sämtliche Mitarbeiter getestet worden. Die Folge: Alle Nichtinfizierten, mehr als 250 Ärzte und Pfleger, müssen in Arbeitsquarantäne. Will heißen: Sie dürfen nur noch zur Arbeit und in ihrer Wohnung bleiben – kein Einkauf, kein Tankstopp zwischendurch. Zudem müssen alle ihre Angehörigen mit in Quarantäne. Insgesamt sind mehr als 800 Menschen von dieser Anordnung betroffen, die vorerst bis Mittwoch gilt.

Britische Mutation dieser Tage nachgewiesen

Weil das Ausbruchsgeschehen im Calwer Hospital so massiv und vor allem so rasant verlief, geht man davon aus, dass eine Virus-Mutante im Spiel war. "Das beunruhigt uns sehr", gesteht Riegger. Eventuell handelt es sich um die Variante B.1.1.7, die in Großbritannien das Infektionsgeschehen dominiert und dort in fast 90 Prozent der untersuchten Proben nachgewiesen wurde. Im Kreis Calw ist B.1.1.7 bereits definitiv angekommen: Bei einem Mitarbeiter in einer Spedition im südlichen Landkreis wurde die britische Mutante dieser Tage nachgewiesen.

Wie auf Kohlen sitzt man deswegen im Landratsamt und wartet stündlich auf Nachrichten aus dem Landesgesundheitsamt. Dort werden die Proben aus dem Calwer Klinikum derzeit auf die Frage hin untersucht, ob die hoch ansteckenden Virus-Mutanten Ursache für den Ausbruch sind. Auch die südafrikanische Variante B.1.351 hat sich in Deutschland schon eingenistet.

Sollte vom Landesgesundheitsamt Entwarnung kommen und kein Mutant im Spiel sein, könnte man die Klinikmitarbeiter separieren. Wer positiv ist, bleibt in Quarantäne. Die anderen und auch deren Angehörige könnten wieder – freilich unter den strengen Lockdown-Bedingungen – ihrem Alltag nachgehen. Riegger: "Dann kriegen wir die Sache in den Griff." Anders sieht es aus, wenn Mutationen unter den Proben aus der Hesse-Stadt sind. Dann bleiben 800 Menschen, Ärzte, Pflegekräfte und Angehörige, 14 Tage in Quarantäne und werden regelmäßig getestet.

Inzidenz des Landkreises Calw schnellt wieder in die Höhe

Im Klinikum in der Eduard-Conz-Straße bleibt es so lange bei einem Aufnahmestopp. Nur in Ausnahmefällen, wenn ein Patient im Sterben liegt, darf von der strengen Regel abgewichen werden. Auch jene Patienten, die sich am Freitag eigentlich schon auf ihre Entlassung nach Hause freuten, müssen sich weiter gedulden und bleiben mit in Klinik-Quarantäne.

Die Inzidenzzahl des Landkreises Calw schnellt damit wieder in die Höhe. Schon Anfang des Jahres war man einer der am stärksten von Corona betroffenen Kreise in Baden-Württemberg. Als Ursache dafür sind auch die religiösen Strukturen im Nordschwarzwald ins Blickfeld geraten. Vor allem freikirchliche Gemeinden fühlen sich oft nicht an Hygienevorschriften gebunden. Erst vor wenigen Tagen war im Nachbarkreis Freudenstadt ein Gottesdienst der freikirchlichen "Agape Christliche Internationale Gemeinde" von der Polizei aufgelöst worden.

Landrat Riegger macht derweil in Zweckoptimismus: "Krise ist bekanntlich die Königsdisziplin im Landratsamt. Auch diese Situation müssen wir überstehen. Bislang haben wir’s ja immer hingekriegt. Dann kriegen wir das auch hin."