Waren Ende 2014 rund 36 700 Ortenauer ohne deutschen Pass verzeichnet, stieg deren Zahl zum 31. Dezember 2024 auf fast 72 300 – am Dienstag präsentierte der Kreis aktuelle Zahlen.
Der Anteil von Ausländern an der Kreisbevölkerung stieg in der zurückliegenden Dekade von knapp neun auf mehr als 16 Prozent Ende 2024. Rund jeder sechste Ortenauer hat damit keinen deutschen Pass. Das geht aus einer Zusammenfassung des Landratsamts hervor.
Migrationsdezernentin Alexandra Roth präsentierte Mitgliedern des Verwaltungsausschusses am Dienstagnachmittag aktuelle Zahlen rund ums Thema Zuwanderung. Insbesondere die Entwicklung der Flüchtlingszahlen lasse die Verwaltung „etwas optimistischer in die Zukunft blicken“.
So habe sich der Zuzug von Asylbewerbern im Vergleich zu den Vorjahren reduziert. Der Zugang in die vorläufige Unterbringung des Ortenaukreises (Asyl und Ukraine) zum Stand 31. August belief sich auf 554 Menschen. Bis Jahresende rechnet der Kreis mit einem Gesamtzugang von rund 830 Personen.
Kreisverwaltung geht zunächst von weiterer Entspannung aus
Noch im vergangenen Jahr lag die Zahl bei rund 1680 Menschen – 584 Ukrainer, 1094 aus anderen Ländern der Welt (2023 bei 2089 Menschen, 2022 bei 2741). „Wir gehen von einer Beruhigung aus – und hoffen, dass die Situation in der Ukraine nicht noch mehr eskaliert“, so Roth. Insbesondere die Krisenjahre 2015/16 – 4150 respektive 2083 Zugänge in die vorläufige Flüchtlingsunterbringung – forderten Kreisverwaltung und Kommunen im vergangenen Jahrzehnt.
Ende 2024 habe sich zudem erstmals ein bundesweiter Trend abgezeichnet, berichtete die Dezernentin. „Die Zuwanderung aus der Europäischen Union geht zurück.“ Im Ortenaukreis lag der Anteil der EU-Bürger an den Ausländern zwischen 2014 bis einschließlich 2021 bei rund der Hälfte.
Durch die EU-Erweiterung erhöhte sich vor allem der Anteil der Zuwanderer aus Rumänien, die seit 2018 die stärkste Nationalität im Ortenaukreis darstellt – lange gefolgt von der Türkei. Mit dem umfänglichen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine 2022 änderte sich das Bild: Seither stellen die Ukrainer die zweitstärkste Nationalität im Kreis (Stand Ende 2024) dar.
Kapazitäten in der vorläufigen Unterbringung sollen schrumpfen
Gegenwärtig verfügt der Kreis bei der vorläufigen Unterbringung von Flüchtlingen über eine Kapazität von 2204 Plätzen. Die Unterkünfte des Kreises sind derzeit mit 1111 Personen belegt. Anders als 2018 gesteht das Land den Kreisen mit Blick auf die sinkenden Zugangszahlen ein „agiles Liegenschaftsmanagement“ zu.
Konkret sollen gut geeignete Unterkünfte, die wirtschaftlich sowie sparsam sind und die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen, als Notfallreserven beibehalten werden. „Wir sind aufgerufen, uns zu konsolidieren, ohne eine Mindestauslastungsquote erfüllen zu müssen“, so Roth. „Das halten wir für sinnvoll. Wir können nicht alle fünf Jahre wieder auf- und abbauen.“
Da Containeranlagen sehr kostenintensiv sind, plant der Kreis bis zum Ende des Jahres fünf abzubauen (Kehl, Rust, Schwanau, Seelbach, Steinach). Zudem werde eine unwirtschaftliche feste Unterkunft in Friesenheim aufgegeben, im Gegenzug ein neues Objekt in Achern in Betrieb genommen. Der Landkreis wird ab Januar über 1912 Plätze verfügen.
Kreisräte sehen Kommunen nach wie vor gefordert
Die Kreisräte nahmen die Entwicklung der Zahlen am Dienstag positiv auf – viele wiesen aber auch auf die nach wie vor großen Herausforderungen für die Kommunen hin. So wechselten etwa alleine seit 2022 fast 5500 Flüchtlinge von der Zuständigkeit des Kreises in die Anschlussunterbringung der Städte und Gemeinden.
„Die Verdopplung der Ausländerzahlen in den letzten Jahren steht auch für eine Riesen-Arbeitsbelastung – für Kreis, Kommunen und Gesellschaft“, betonte CDU-Kreisrat und Acherner OB Manuel Tabor. Friesenheims Rathauschef Erik Weide, Fraktionschef der Freien Wähler, sah im Rückgang der Flüchtlingszahlen Gelegenheit, um „etwas Luft holen zu können als kommunale Familie“. Er zeigte sich überzeugt, dass Deutschland ohne die Zuwanderung nicht mehr funktionieren könne – schränkte aber ein: „Die Migration muss geregelt werden.“
Lahrs Alt-OB Wolfgang G. Müller bezeichnete die Statistik für die SPD-Fraktion als „mutmachend“. Grünen-Fraktions sah in den Zahlen den Nachweis, „welche große Herausforderung Kommunen und Kreis in der Vergangenheit zu bewältigen hatten“. Hofstettens Bürgermeister Martin Aßmuth wünschte sich für die FDP-Fraktion bei der Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen eher „Einzelfallbetrachtung“ als „ein Durchdrücken“.
Rekord-Einbürgerung
1261 Menschen haben 2024 im Kreis die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten – ein neuer Höchststand. Sie stammen aus 87 Nationen. Aufgrund der großen Zahl neuer Deutscher fand die Einbürgerungsfeier vergangene Woche nicht im Landratsamt, sondern in der Brumatthalle in Ohlsbach statt.