Das Thema Windkraft zieht rund 250 Gegner und Befürworter zur Gemeinderatssitzung in die Gemeindehalle, wo über einen Bürgerentscheid beschlossen wird.
Vorausschauend hat Bürgermeister Jens Häußler die jüngste Gemeinderatssitzung in die Gemeindehalle verlegt. Ging es doch um das Thema schlechthin der vergangenen Wochen – den gemeinsamen Windpark Lindenrain, für den die Gemeinden Gechingen und Wildberg zusammen mit der Stadt Calw bereits einen Nutzervertrag mit der Firma Alterric Deutschland GmbH geschlossen haben. Es stand die Entscheidung über die Zulassung eines Bürgerentscheids an zur Frage, ob Gechingen kommunale Flächen für die Errichtung einer Windenergieanlage (WE) verpachten solle oder nicht. Der Gemeinderat beschloss einstimmig, dass das Bürgerbegehren unzulässig ist, weil der Nutzungsvertrag vor Einreichung des Bürgerbegehrens bereits geschlossen war, es wird also kein Bürgerentscheid durchgeführt.
Hintergrund
Gechingen, Wildberg und Calw haben sich zusammengetan, um auf den von Regionalverband Nordschwarzwald ausgewiesenen Vorrangflächen für die Windkraft WC 16, WC 17 und WC 28 auf ihren kommunalen (Wald)-Flächen den gemeinsamen Windpark „Lindenrain“ zu betreiben. Insgesamt sind bis zu acht WE geplant, eine davon auf Gechinger Gemarkung. Der gemeinsame Nutzungsvertrag der drei Kommunen mit Alterric Deutschland wurde am 2. Mai geschlossen. Die Bürgerinitiative „Gechingen bewahren“ (BI) lehnt den Windpark ab und will die Gechinger Bürger mit einem Bürgerentscheid darüber entscheiden lassen, ob Gechingen Waldfläche an den Betreiber verpachten soll. Das Quorum an Unterschriften für ein Bürgerbegehren wurde erreicht, am 24. Juni beantragte die BI den Bürgerentscheid und der Gemeinderat hatte jetzt innerhalb der gesetzlichen Frist über die Zulässigkeit eines solchen zu entscheiden.
Rechtliche Situation
Die Sitzungsvorlage legt umfassend und mit anwaltlichen Statements die rechtliche Situation und eventuelle Konsequenzen dar. Der Gemeinderat hat kein Ermessen, so der Tenor, ein Bürgerentscheid wäre rechtswidrig, weil der Nutzungsvertrag bereits abgeschlossen war und keine Ausstiegsklausel enthält, der Bürgermeister müsste einem solchen Gemeinderatsbeschluss widersprechen.
Gegner und Befürworter
Vor der Abstimmung der Räte hatten sowohl die Gegner wie die Befürworter noch mal ausgiebig Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge und ihre Argumente vorzutragen. Die Sprecher der BI, Rolf Gommel, Ricardo Richter und Annette Schorpp, forderten Basis-Demokratie in Form des Bürgerentscheids ein. Die fehlende Ausstiegsklausel wurde von ihnen kritisiert wie auch der schnelle Vertragsabschluss drei Tage nach dem Beschluss des Gemeinderats.
Er könne nicht sagen, warum keine Ausstiegsklausel vereinbart wurde, sagte Häußler dazu, der Vertrag sei von einer Rechtsanwaltskanzlei geprüft worden im Vorfeld. „Jetzt setzen sich alle hin wie die Unschuldslämmer und sagen, jetzt kann man nichts mehr machen“, so der Vorwurf einer Gegnerin an den gesamten Gemeinderat nebst Bürgermeister, die sich nicht vehement genug für ihre Bürger einsetzen würden. Wiederholt wurden auch die Vorwürfe der mangelnden und unzureichenden Information.
Der Vorsitzende der BUND-Ortsgruppe Armin Winterstein warf der BI vor, die Möglichkeiten zur Einflussnahme nicht genutzt zu haben. Er selbst sei in allen drei Gemeinderatssitzungen zum Thema Vorranggebiete und Windkraft gewesen, er habe sich demokratisch verhalten und Einwände geschrieben, „ich frage mich, warum ich das tue, wenn ich der einzige bin“.
Vorwürfe
Die Bürger hätten viele Möglichkeiten gehabt, sich zu informieren, widersprach auch Klaus Theurich als Sprecher der seit drei Jahren bestehenden Klimainitiative Gechingen, die sich auch in der BI „Pro Windkraft“ in den drei Gemeinden engagiert, den Vorwürfen. „Wir haben Sie gewählt, um Entscheidungen zu treffen“, ging eine Befürworterin auf „den Shitstorm“ ein, den die Räte „erleben mussten.“ Die Befürworterseite warf den Gegnern weiter vor, mit falschen Zahlen zu argumentieren und Angst zu schüren.
Das sagen Bürgermeister und Gemeinderat
Der Schultes nahm erneut Stellung zu wichtigen Punkten, unter anderem zur angeblich gefährdeten Wasserversorgung und der Zerstörung von Wald. Auch Wildberg und Calw hätten sich anwaltlich beraten lassen – dort werden auch Bürgerentscheide gefordert –mit dem gleichen Ergebnis, dass ein BE rechtswidrig ist. Er rief alle Seiten zu einem fairen Umgang und zu angemessenem Verhalten auf.
Bettina Schöttmer fragte in ihrer längeren Stellungnahme, wo alle waren, die sich jetzt um Gechingen sorgen. Angefangen vom Bürgerdialog vor drei Jahren „gibt es den Rahmen, den Sie hätten schon jahrelang nutzen können.“ Gerhard Mörk sprach den ökonomischen Punkt an: „Wenn wir es nicht machen, macht es der Forst. Dann bekommen wir den Vorwurf: Warum macht ihr es nicht.“ Er freue sich auf Geld, das durch die Beteiligung in die Gemeindekasse kommt, das für soziale Zwecke eingesetzt werden kann.
Aufruf zur Fairness
Klaus Böttinger sagte für die GFW-Fraktion: „Wir haben auch die Argumente der Gegner abgewogen.“ Gechingen könne nicht alleine einen Windpark realisieren, deshalb „stehen wir zur Entscheidung, uns am Windpark Lindenrain zu beteiligen.“ Simon Klass bat in Richtung der Gegner, fair zu sein und nicht einzelne Gemeinderäte an den Pranger zu stellen. Er habe in einem vorherigen Einwohnergespräch „erstaunt gehört, wie wir uns als Gemeinderäte zu verhalten haben von Leuten, die noch nie selbst Gemeinderat waren oder kandidiert haben.“ 2029 gebe es wieder die Chance.