Das ist Hanni – die Blindenführhündin begleitet Vanessa Buer in ihrem Alltag. Foto: Simone Neß

Mit Hanni kann Vanessa Buer selbstbestimmter und mobiler durchs Leben gehen. Die 25-Jährige erzählt von ihrem Alltag mit der Blindenführhündin – und erklärt, warum Aufklärung über Assistenzhunde so dringend notwendig ist.

Wenn Vanessa Buer mit ihrer Hündin Hanni unterwegs ist, spürt man sofort: Die beiden sind ein eingespieltes Team. Geschickt lenkt Hanni die 25-Jährige um Baustellen und andere Hindernisse, erkennt Ampeln und Zebrastreifen und zeigt Gefahren und Abgründe zuverlässig an.

 

Hanni, das ist Vanessa Buers dreieinhalbjährige Goldendoodlehündin, die einen besonders wichtigen Job hat. Sie ist Blindenführhündin und gibt Vanessa Buer nicht nur ein großes Stück Selbstständigkeit, sondern vor allem Lebensqualität zurück.

Vanessa Buer leidet an der Augenkrankheit Retinitis Pigmentosa, einer Degeneration der Netzhaut. Die 25-Jährige ist auf dem rechten Auge vollständig erblindet, auf dem linken Auge hochgradig sehbehindert. Seit eineinhalb Jahren ist Hanni an ihrer Seite – dadurch ist sie mobiler, unabhängiger und muss nicht mehr um Begleitung bitten, wenn sie das Haus verlässt. „Der Hund gibt mir wahnsinnig viel Sicherheit“, sagt sie.

Negatives überschattet die Selbstbestimmtheit

Doch das große Stück an neuer Lebensqualität und Flexibilität war für die 25-Jährige anfangs überraschend negativ behaftet. „Ich war unheimlich dankbar, glücklich und bin selbstbestimmt durchs Leben gerannt“, erinnert sich Vanessa Buer an die erste Zeit mit Hanni. „Und dann habe ich leider so viele negative Erfahrungen in der Gesellschaft gemacht, dass ich mir manchmal überlegt habe, ob ich überhaupt rausgehen soll“, gibt Vanessa Buer einen Einblick. „Und das ist ja total absurd. Erstens muss der Hund raus – und zweitens habe ich Hanni ja genau dafür bekommen.“

Vanessa Buer leidet an der Augenkrankheit Retinitis Pigmentosa. Foto: Simone Neß

Unwissenheit und mangelnder Respekt anderer Menschen brachten die 25-Jährige in ihrem Alltag immer wieder an ihre Grenzen. Gleichzeitig hat sie in dieser Zeit gelernt, für sich selbst und ihre Hündin Hanni einzustehen. Deshalb ist es der 25-Jährigen so wichtig, über den richtigen Umgang mit Blindenführhunden aufzuklären – und so für mehr Verständnis zu sorgen.

Die Sache mit dem Hundehäufchen

Vor allem beim Thema Hundekot scheint bei vielen Menschen die Zündschnur kurz zu sein. Und das nimmt solche Ausmaße an, dass ihr Passanten wütend hinterherschreien oder sie sogar beschuldigen, sich auf ihrer Behinderung auszuruhen – oder sie trotz sichtbarer Kennzeichnung als Simulantin bezeichnen. Denn was viele nicht wissen: Für Menschen mit Blindenführhund gilt in Sachen Hundehäufchen in der Regel eine Ausnahme, die sie davon befreien, die Hinterlassenschaften des Hundes mitnehmen zu müssen. Denn wie soll eine fast blinde Frau ein Häufchen finden, das sie nicht sehen kann?

Zugleich betont Vanessa Buer: Blindenführhunde seien von Grund auf so erzogen, dass sie ihr Geschäft nicht an ungeeigneten Stellen verrichten – schon gar nicht im Nachbargarten oder im frisch gepflanzten Blumenbeet der Stadt. Außerdem kann Hanni ein Kommando, mit dem sie auf Knopfdruck ihr Geschäft verrichtet. So kann Vanessa Buer bewusst abgeschiedene Orte dafür wählen.

Inzwischen, erzählt sie, habe sich die Lage um dieses Thema etwas entspannt: „Ich glaube wirklich, dass sich das in Villingen herumgesprochen hat.“

Richtiger Umgang mit Blindenführhunden

Wenn Hanni ihr weißes Führgeschirr trägt, dann bedeutet das sowohl für den Vierbeiner als auch für Vanessa Buer höchste Konzentration. In diesem Arbeitsmodus darf die Hündin nicht abgelenkt werden.

Hanni ist eindeutig als Blindenführhund gekennzeichnet. Foto: Simone Neß

„Ein Blindenführhund darf nicht gestreichelt, gerufen oder angelockt werden. Im besten Fall sollte er nicht mal angeschaut werden“, sagt Vanessa Buer, auch wenn sie eingesteht, dass letzteres eine Herausforderung ist. Der Grund: Ablenkung könnte die Hündin von ihrer eigentlichen Aufgabe – ihre Besitzerin sicher zu führen – abhalten. Und das kann dazu führen, dass Vanessa Buer die Orientierung verliert. „Ich verstehe, dass das die Leute nicht wissen, aber ich verstehe nicht, warum sie nicht mit mir sprechen können“, sagt die 25-Jährige.

Hundebegegnungen sind ein großes Problem

Ein großes Problem in diesem Zusammenhang seien Hundebegegnungen. Denn Hanni soll weder an der Leine noch im Führgeschirr Kontakt zu anderen Hunden haben. Dass das von vielen Hundehaltern nicht berücksichtigt wird, muss Vanessa Buer immer wieder erfahren. „Ich finde die Dreistigkeit und Kopflosigkeit von manchen Hundehaltern wirklich gigantisch“, sagt sie.

Ihr Wunsch: „Bitte sprecht mich doch an. Ich sehe doch nicht, wenn ihr mit einem Hund auf mich zukommt.“ Und wenn sie doch mal einen fremden Hund bemerke, könne sie manchmal eben gar nicht mehr einschreiten.

Wenn sie dann zu hören bekommt, „der Hund muss doch auch mal Hund sein“, platzt der 25-Jährigen manchmal fast der Kragen. „Der Hund darf ganz viel Hund sein“, versichert Vanessa Buer. Schließlich habe sie einen sehenden Partner, mit dem sie viel Zeit draußen verbringt – und dabei darf Hanni ihre Freizeit in vollen Zügen genießen.

Auch Streicheleinheiten von fremden Menschen seien ein großes Problem. Vanessa Buer erinnert sich an eine Situation, als sie an einer roten Ampel stand und eine Frau im Vorbeigehen Hanni ohne zu fragen streichelte. Dabei steht auf dem Führgeschirr eindeutig: „Blindenführhund im Dienst. Nicht streicheln! Ich arbeite“. Denn auch das kann die Hündin aus dem Konzept bringen.

Die Aufschrift auf dem Führgeschirr der Blindenführhündin ist eindeutig – trotzdem missachten Passanten den Hinweis regelmäßig. Foto: Simone Neß

Sie wünscht sich, dass Menschen erst fragen, bevor sie Hanni ansprechen und auch ein „Nein“ akzeptieren. Denn ihre Hündin arbeitet, wenn sie gemeinsam unterwegs sind. Jede Ablenkung des Hundes kann für die 25-Jährige gefährlich werden.

Zutrittsrecht ist ein Kampf im Alltag

Ein großes Thema ist für Vanessa Buer auch nach über einem Jahr noch das Zutrittsrecht in öffentlichen Einrichtungen, Praxen und Co. In Paragraph 12e des Behindertengleichstellungsgesetzes ist geregelt, dass Menschen mit Assistenzhund der Zutritt nicht verweigert werden darf. In der Realität sehe das jedoch oft anders aus – wie Vanessa Buer aus eigener Erfahrung berichten kann. Vor allem bei Ärzten sei die Begleitung durch Hanni manchmal noch immer ein Kampf. Dabei ist Hanni ein Allergikerhund, haart dadurch kaum und begleitet Vanessa Buer auch an ihren Arbeitsplatz – der in in einer psychiatrischen Klinik ist.

Auch im Fitnessstudio ist Vanessa Buer auf die Begleitung von Hanni angewiesen, wenn sie nicht gerade mit einer Freundin trainieren geht. Auch dort stieß sie anfangs zunächst auf Vorbehalte – inzwischen werde ihre Hündin akzeptiert.

Im Villinger Hallenbad hingegen ist man der 25-Jährigen von Anfang an sehr entgegen gekommen, erzählt sie. Für die Zeit, in der sie schwimmen geht, kann sie Hanni nun bei den Mitarbeitern abgeben.

Für Vanessa Buer ist Hanni ein Glücksgriff

Für Vanessa Buer ist Hanni ein echter Glücksgriff. Zwischen den beiden stimmt die Chemie, und die 25-Jährige ist froh, dass sie den Vierbeiner an ihrer Seite hat. „Es macht einfach Spaß mit ihr zusammenzuarbeiten“, sagt die Villingerin.

Bis die Hündin zehn Jahre alt ist, darf Hanni auf jeden Fall als Blindenführhündin arbeiten. Danach wird in Abhängigkeit von ihrem Gesundheitszustand jährlich entschieden, ob sie Vanessa Buer weiterhin durch den Alltag führen darf oder in Rente gehen muss.

Für die 25-Jährige steht jedoch längst fest, dass die Hündin auch im Ruhestand bei ihr bleiben wird: „Ich möchte, dass sie so lange sie lebt bei mir sein kann.“ Denn zwischen den beiden besteht schon jetzt eine intensive Bindung. „Sie passt ihr ganzes Leben auf mich auf“ – und dafür ist Vanessa Buer Hanni unendlich dankbar.

Neues Projekt in Kindergärten und Schulen

Kinder sensibilisieren
Nachdem Vanessa Buer anfangs viele schlechte Erfahrungen mit Blindenführhündin Hanni in der Gesellschaft machen musste, hat die 25-Jährige ein neues Herzensprojekt gestartet. Gemeinsam mit Hanni besucht sie nun Kindergärten und Schulen, um schon den Kleinsten den respektvollen und richtigen Umgang mit einem Blindenführhund nahezubringen. Gestartet ist sie damit an der Klosterringschule.

Dort durften die Kinder verschiedene Hilfsmittel testen und beispielsweise mit einem Blindenlangstock und verbundenen Augen einen Parcours bewältigen. Vanessa Buer wünscht sich, dass die Kinder ihr neues Wissen weitertragen – denn die meisten schlechten Erfahrungen habe sie bisher mit Erwachsenen gemacht. Die Resonanz in der Schule war durchweg positiv. Ein schönes Ergebnis: Auf dem Pausenhof spielen die Kinder jetzt nicht mehr „Pferdchen“, sondern „Blindenführhund mit blinder Person“.