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Serie zum OB-Wahlkampf. Blick hinter Kulissen. Fridi Miller in Sindelfinger Wohnung besucht.

Sindelfingen/Villingen-Schwenningen - Fridi Miller strahlt, als sie die Tür zu ihrer kleinen Wohnung in Sindelfingen für ihr "Heimspiel" im Schwarzwälder Boten öffnet. "Ich habe alles so gelassen, wie es ist", sagt sie, beinahe entschuldigend. Dann gibt sie den Blick frei auf ein ganz privates Stück Fridi: ein kunterbuntes Chaos, in dem doch alles seinen Platz hat.

Auch wenn Tochter Milli seit jenem Tag vor viereinhalb Jahren, an dem Fridi Millers Leben aus den Fugen geriet, nicht mehr bei ihrer Mama lebt: Milli ist hier allgegenwärtig. Von Fotos, die Fridi Miller an die mit Rauhfaser tapezierten Wände gepinnt hat, strahlt sie zigfach zurück. Die Bilder, die sie ihrer Mama schenkte, schmücken die Zimmer. Und auch ihre liebevollen Zettelbotschaften, von der beinahe auf jeder geschrieben steht, dass sie ihre Mama "ganz arg" lieb habe, wurden zum Wandschmuck. Neben dem Sofa, das unter allerhand Werbeutensilien für Fridi Millers Wahlen fast begraben liegt, steht er noch: Der Christbaum, den Töchterchen Milli im November 2013 geschmückt hat, mitsamt rotem Filzhut, buntem Lametta, allerlei Firlefanz und unermüdlich blinkender bunter Lichterkette. Seine Nadeln hat er behalten, auch wenn von der einst grünen Pracht nicht mehr viel übrig ist. "Er lebt noch", sagt Fridi Miller dazu und sieht es als kleines Wunder an. Sie lasse ihn weiter stehen, bis sie endlich wieder das Sorgerecht für ihre Milli habe, betont sie im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten.

Dem Kampf um Tochter Milli, die bei ihrem Vater lebt, hat sie seit über vier Jahren ihr Leben gewidmet. Das wird nicht nur in ihrem Zuhause deutlich, sondern auch, wenn sie davon erzählt, wie ihr das Kind unter "behördlicher Willkür des Systems" weggenommen worden sei. In ihren Augen stehen Tränen.

Trotzdem lässt sie sich ihre gute Laune nicht nehmen. Fridi Miller lächelt viel, kichert zwischendurch, wenn sie sich an Lustiges erinnert und kann sich auch manch hämisches Grinsen nicht verkneifen, wenn sie – neben ihrem Sorgerechtsstreit, der mittlerweile beim Oberlandesgericht liegt – an kleine Erfolge in ihren unzählig erscheinenden juristischen Auseinandersetzungen mit Behörden und Gerichten denkt. "Ich mache mit denen, was die mit mir gemacht haben", sagt sie bissig. Mit dem Ziel, sie für unzurechnungsfähig erklären zu lassen, seien ihre Gegner nicht durchgekommen, sagt Fridi Miller. Und dann erklärt sie, warum sie als "schuldunfähig" eingestuft worden sei. Sie mache sich nämlich gerne "mit Absicht strafbar", weil ihr Fall dann in der Regel an einen neuen Staatsanwalt gehe – "und ich habe immer die Chance, dass es ein Guter sein könnte".

Sie setzt sich für Kinder ein

Das Gute an sich sieht sie in Kindern, für deren Rechte sie sich deshalb als Oberbürgermeisterin einsetzen wolle. Aber bringt die selbst ernannte Familienhelferin, die früher bei Daimler als Bürogehilfin tätig gewesen ist und auch schon einmal eine Gebäudereinigungsfirma mit sieben Mitarbeitern gemanagt hat und nun als Dauerkandidatin durch die Lande zieht mit der Mission, Kanzlerin Merkel zu stürzen, überhaupt das nötige Know-how mit? "Ja natürlich, ich bin multi-tasking-fähig", sagt sie und lacht. Und auch wenn sie gerade mitten im kreativen Chaos sitzt und sich in ihrem Büro unzählige Akten und viele Ordner über ihre Kandidaturen aneinanderreihen, habe ihr Leben doch Struktur.

Gewöhnlich schlafe sie bis 9.30 Uhr, dann mache sie sich eine Tasse Kaffee "und hole die ans Bett". Noch in den Federn liegend, checkt sie übers Handy ihre Mails, und um 10 Uhr kommt dann ihre Meldung von Google Alert – eine Liste von Beiträgen im Internet, die ihr verrät, was wer wo über Fridi Miller geschrieben hat. "Das sind manchmal zehn auf einmal", sagt sie grinsend. Sind die gelesen, geht es ab in die Badewanne, wo sich Fridi Miller erst einmal die Zähne putzt. Sie lacht, als sie über diesen leicht schrulligen Tick erzählt. Wenig später sitze sie an ihrem Arbeitsplatz: Der Computer im ehemaligen Kinderzimmer, das dem rosaroten Plüsch zum Trotz längst zum Wahlbüro mutiert ist. Das verlasse sie oft den ganzen Tag über nicht. Dort häufen sich Presseanfragen – über Fridi wird derzeit sogar eine TV-Dokumentation gedreht. Sie hat viel Fanpost – entsprechend liebevolle und Rückhalt gebende Briefe haften auch zwischen Tochter Millis Liebes-Zettelbotschaften an den Wänden. Und es häufen sich Anfragen von Bürgern. Immer wieder wenden sich einzelne mit ihren Problemen an die streitlustige Blondine. Und auch mit ihren eigenen Rechtssachen habe sie natürlich jede Menge zu tun. Erzählt sie, während sie einen der unzähligen Ordner zur Seite räumt.

Milli beim Exmann

So beengt hat sie nicht immer gelebt. Zusammen mit ihrem Exmann, bei dem nun Tochter Milli lebt, nannte sie eine große Luxuswohnung ihr eigen. "Bei mir konnte man vom Fußboden essen, nichts lag rum, es war alles geordnet, genau das Gegenteil von heute", schildert sie ihr früheres Leben, bevor Scientology ihrem Ex den Kopf verdreht habe. Als ihre Ehe schon nicht mehr stimmte, begann die Gewinnspiellaufbahn von Fridi Miller. Die sollte sie deutschlandweit bekannt machen. "Ich habe einen neuen Kick gesucht", erzählt sie. Und sie habe gelernt, die Jury-Mitglieder von diversen Gewinnspielen zu "manipulieren" – sie bastelte mit viel Hingabe Riesenkarten und Collagen, manchmal sogar ganze Bücher, die sie bei Gewinnspielen einsandte. Mit Erfolg: ein Fertighaus, diverse Fern- oder Wellnessreisen, exklusive Aufenthalte bei Promi-Spektakeln wie der Tribute-to-Bambi-Party oder bei Autorennen in Monaco, ein Motorrad... Die Liste ihrer Gewinne ist noch viel länger. "Ich glaube, ich bin sogar die Erfolgreichste in ganz Deutschland gewesen", erzählt sie. Und sie schüttelte die Hände von Günther Jauch bei "Wer wird Millionär", wo sie 32.000 Euro abräumte, und Jörg Pilawa bei dessen Quiz. Es war ihr großes Hobby.

Wenn Fridi Miller heute entspannen möchte, dann tut sie das in der Therme. Bewaffnet mit einem guten Buch oder einer Zeitung geht sie in die Sauna und "tankt Kraft". "Ich gehe da bestimmt dreimal die Woche hin." Und abends? Da möge sie es abgesehen von geselligen Abenden mit Freunden am liebsten gemütlich – im Bett liegend Daily Soaps schauen oder Frauenfilme, das ist genau ihr Ding. Die schönste Freizeit aber, die gehört Töchterchen Milli. "Wenn ich sie mal vier, fünf Tage habe, gehe ich mit ihr in ein Kinderhotel", erzählt Fridi Miller übers ganze Gesicht strahlend. Gerne nehme sie dabei auch eine Freundin von Milli und ihre eigene Mutter mit, die verzweifelt Fridi Millers "Kampf gegen das System" beobachte. "Es geht nicht in ihren Kopf rein, wie so etwas bei uns geht, wenn man ein ganz normaler, korrekter Mensch ist", sagt die "Aufklärungspolitikerin" Miller mit Blick auf das, was sie "Kindesentzug" nennt. Und was machen all die Beleidigungen im Internet, die schnellen vernichtenden Urteile nach nur oberflächlicher Betrachtung ihrer Person oder das Credo vieler Wahlbeobachter mit ihr, wonach "Eine wie sie" unwählbar sei? "Nichts, das macht mir nichts mehr, das bin ich gewöhnt", sagt sie resolut – und vielleicht spielt ja auch mit hinein, dass sie ganz bewusst ein spannendes Leben lebt: "Sonst würdest Du das nicht überleben, wenn Dir das Kind weggenommen wird."

Mit ihrem künftigen Oberbürgermeister wählen die Villingen-Schwenninger nicht nur das neue Stadtoberhaupt, sondern auch einen Menschen. Aber wie tickt er/sieüberhaupt? Wie lebt derjenige, der das Leben der Villingen-Schwenninger in Zukunftmitgestalten möchte, denn selbst? In unserer Serie zum OB-Wahlkampf in Villingen-Schwenningen gewähren die Kandidaten einen Blick hinter die Kulissen und zeigen ihr privates Gesicht.