Fehlendes Engagement und Interesse am Schießsport hat Konsequenzen: Ein traditionsreicher Verein wirft die Flinte ins Korn und zieht einen Schlussstrich unter die Vereinsgeschichte.
Einen schweren, aber unausweichlichen letzten Schritt ging der Schützenverein Edelweiß Boll bei seiner 117. Mitgliederversammlung am vergangenen Samstag und beschloss seine Auflösung zum 30. Juni 2025. Gleichzeitig wurden die Modalitäten für die teilentgeltliche Übertragung des Schützenhauses auf den Musikverein Harmonie Boll festgelegt.
Das Vorstands-Trio Markus Danner, Kai Danner und Marc André Wallum stellte die Beschlussfähigkeit der 19 anwesenden stimmberechtigten Mitglieder fest. Schriftführer Markus Danner trug den Bericht des Vorstands für das Geschäftsjahr 2024 vor und informierte ausführlich über die problematische Entwicklung der letzten Jahre.
Keine Vereinsaktivitäten mehr
Personalengpässe bei der Besetzung vakanter Führungspositionen hatten den lückenhaften Ausschuss 2019 dazu bewogen, über eine Satzungsänderung drei gleichberechtigte Vorsitzende anstatt eines Oberschützenmeisters zu ermöglichen. Alle drei standen seither in Doppelfunktion in der Pflicht und fanden über das bestehende Gremium hinaus keine Mitglieder, die zur Mitarbeit im Ausschuss bereit waren.
Vereinstypische Aktivitäten fanden 2024 nicht mehr statt. Auf die letzte sportliche Beteiligung an der Wettkampfrunde 2023/2024 folgten nur noch vereinzelte externe Starts von Boller Schützen.
Keine Lösung in Sicht
An der letzten Mitgliederversammlung Ende Dezember zeigten neben fünf Ausschussmitgliedern, einem Kassenprüfer und dem Ortsvorsteher nur sechs weitere von 69 gemeldeten Mitgliedern Interesse. Verbandsabgaben, der Unterhalt des Schützenhauses und gestiegene Energiekosten hatten zu einem Kassenrückgang geführt.
Trotz zahlreicher Fragen und Wortmeldungen konnte keine konstruktive Lösung für den Fortbestand des Vereins gefunden werden. Bis Jahresende gingen weitere Kündigungen ein, fünf Mitglieder verstarben.
Fusion nicht möglich
Der Mitgliederstand ging von 88 Personen Anfang 2019 auf 60 Personen zu Jahresbeginn 2025 zurück. Darunter fallen 32 Ehrenmitglieder und 40 beim Verband gemeldete Schützen, aber keine Schützenjugend.
„Nach der schweren Corona-Zeit gab es kein aktives Erwachen mehr“, bedauerte Markus Danner. Der Musikverein probte regelmäßig in der Luftgewehrhalle. Eine Verschmelzung beider Vereine erwies sich jedoch als nicht umsetzbar. Es konnten keine Ausschussmitglieder gefunden werden.
Es braucht Rechtsbeistand
Das Interesse am Schießsport lag nahezu bei Null. „Bei Wirts- und Arbeitsdiensten waren die Helfer oft an einer Hand abzuzählen“, berichtete Danner. Für die Schießstände lägen keine gültigen Abnahmen mehr vor. Auch die teure Sanierung des Geschossfangs der KK-Anlage sei für den Verein nicht zu stemmen.
Die Vorstandschaft führte zahlreiche Gespräche und visierte notgedrungen mit Unterstützung eines Rechtsbeistands die Vereinsauflösung und Übertragung der Immobilie an den Musikverein an. Der Gutachterausschuss ermittelte für den Wirtschaftsbetrieb im Schützenhaus einen Zeitwert von 22 000 Euro.
Versammlung stimmt zu
Kassier Gerhard Schmieder legte die Vereinsfinanzen dar. Ohne den Verkauf von Waffen und Zubehör wäre der Jahresverlust deutlich höher ausgefallen. Die Fixkosten werden den Kassenbestand im ersten Halbjahr weiter belasten.
Anwalt Jürgen Werner aus Herrenzimmern erläuterte die fünf Beschlussvorschläge des Vorstands, die Markus Danner jedem Mitglied mit der Sitzungseinladung persönlich überbracht hatte, und beantwortete Fragen. Die Versammlung stimmte allen Beschlüssen mehrheitlich zu.
Schenkung kann widerrufen werden
Das Flurstück Nr. 137/1 mit dem Schützenhaus und einer Gesamtfläche von 1505 Quadratmetern wird teilentgeltlich zum Kaufpreis von 22 000 Euro auf den Musikverein übertragen. Außerdem erhält er eine Barzuwendung zu steuerbegünstigten, gemeinnützigen Zwecken in Höhe von 21 850 Euro.
Der Schenkungsvertrag kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn das Vermögen des Schützenvereins im Rahmen der Liquidation zur Tilgung der Verbindlichkeiten nicht ausreichen sollte. Der Vereinsauflösung stimmten mit 15 Mitgliedern zwei mehr als die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu.
Nach dem Sperrjahr ist das Restvermögen laut Satzung für kulturelle und sportliche Zwecke bestimmt. Fünf Prozent sollen dem TSV Boll zugewendet werden. Auf Antrag aus der Versammlung wird auch der Gesangverein Liederkranz Boll mit fünf Prozent berücksichtigt. Die restlichen 90 Prozent kommen dem Musikverein zugute. Kai Danner und Alexander Bilger wurden zu gesamtvertretungsberechtigten Liquidatoren bestimmt.