Er macht mit seinem Startup „Neura Robotics“ aktuell Schlagzeilen auf der ganzen Welt – und kommt aus Herrenzimmern: David Reger gilt als der „Robotik-Visionär“ schlechthin. Wir haben mit dem 35-Jährigen gesprochen, warum ihm gelingt, wovon andere seit Jahrzehnten träumen.
Um die Dimensionen gleich vorneweg deutlich zu machen: David Reger hat im Juli für sein Unternehmen 50 Millionen Euro neue Investorengelder eingesammelt. Das erzeugte ein Raunen in der Hightech-Branche und der Wirtschaftswelt – auch das Handelsblatt berichtete, wie der 35-jährige Reger als „Pionier der kognitiven Robotik“ Investoren überzeugt und neue Maßstäbe schafft. Das Besondere: Er verbindet Künstliche Intelligenz (KI) mit Robotik.
Doch was heißt das? David Reger erklärt es ganz einfach: „Wir geben der KI einen Körper“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Das Interview halten wir – natürlich – virtuell. Reger ist gerade in München, der Mann ist viel beschäftigt. Neura Robotics ist inzwischen rund um den Globus ein Begriff. Als erster schaffte es Reger mit seinem Unternehmen, marktreife kognitive Roboter zu entwickeln.
Sie heißen Maira, Lara oder Mipa, sie können hören und sehen, die Umgebung und Menschen vollständig wahrnehmen. Sie können autonom handeln und sind dank vieler Sensoren berührungsempfindlich. Und Roboter, die auf der Neura Robotics Plattform basieren, können nicht nur schweißen, verpacken, montieren – sondern zum Beispiel auch im Rahmen der Krebsvorsorge Brüste abtasten, per Ultraschall untersuchen – und gleich auswerten. „In China sollen so 420 Millionen Frauen gescreent werden“, berichtet Reger von einem aktuellen Projekt, das vom chinesischen Staat gefördert wird.
Die KI im positiven Sinne nutzen
Wer sich mit David Reger unterhält, der fühlt sich schnell wie in einer Zeitmaschine. Ein Roboter, der daheim den Müll rausbringt? Natürlich, sagt Reger. Neura Robotics nutzt die – von vielen gefürchtete – KI im positiven Sinne: „Wir geben ihr einen Körper und bringen diesen dazu, das zu tun, was wir selbst nicht gerne tun.“ Er schmunzelt: „Diese Entwicklung kann Ehen retten.“ In erster Linie sieht er in der kognitiven Robotik künftig die einzige Lösung für den Fachkräftemangel in der Industrie – aber auch außerhalb, beispielsweise in der Pflege oder auf dem Dienstleistungssektor.
Auch wenn man sich als Laie beim Gespräch mit Reger oft wie in fernen Zukunftswelten wähnt – so wirkt der 35-Jährige doch ganz bodenständig. Da sitzt kein abgehobener Visionär, sondern einer, der längst bewiesen hat, dass er es kann.
„Ich war kein Musterschüler“
Nach den Anfängen des jungen David im beschaulichen Herrenzimmern befragt, stockt er kurz und lacht. Die Schulkarriere sei nicht unbedingt geradeaus verlaufen. „Ich war kein Musterschüler“, sagt er. Nach der Grundschule ging er auf die Haupt- und Werkrealschule Bösingen. Dort sei er dann „leider mal rausgeflogen“ – in Villingendorf nahm man ihn auf. Reger machte dann eine Ausbildung zum Modellbauer bei der Firma Wilhelmi in Altoberndorf. Danach ging er in die USA – „das hat mir gut getan.“
Um das Jahr 2008, als die Finanzwelt dort zusammenbrach, kümmerte er sich als Sozialarbeiter um Menschen in Not, half ihnen, wieder auf die Beine zu kommen. „Ich habe allen eingeklopft, dass sie alles werden können, wenn sie es nur wollen.“ Er tat dies mit Erfolg. Es gehe darum, Schritt für Schritt an die Umsetzung zu gehen – nicht zu zu warten, und anderen die Schuld zu geben, wenn es nicht vorwärts geht.
Seit der Gründung 2019 geht es rasant nach oben
Kurzum: Reger hat genau das auch in seinem eigenen Leben so gemacht. Er ging in die Schweiz und hatte dort die Chance, für eine Schweizer Familie Produkte zu entwickeln. Er baute drei Firmen auf, knüpfte viele wertvolle Kontakte. 2019 entschloss er sich, mit seinem „Dream-Team“ aus Spezialisten mit gebündeltem Fachwissen im Bereich KI, Software- und Hardware-Entwicklung ein neues, eigenes Unternehmen zu gründen: Neura Robotics. „Und dann ging alles sehr schnell“, sagt Reger.
Inzwischen hat das Unternehmen mit Sitz in Metzingen rund 160 Mitarbeiter. „Und wir werden weiter wachsen.“ Nächster Schritt sei, die derzeit auf sieben Gebäude verteilte Firma in einem Neubau wieder zu vereinen. Das Grundstück gibt es schon.
Reger bekennt sich klar zum „Ländle“ als Standort – und hat sich bei der jüngsten Finanzierungsrunde bewusst auf Investoren aus Europa konzentriert. Der erste Hauptinvestor bei der Gründung von Neura Robotics kam aus China – aus dem Land, das bei neuen Technologien höchst experimentierfreudig ist. „Vor vier Jahren war das das Richtige,“ sagt Reger. Inzwischen hätten es die politischen Veränderungen notwendig gemacht, sich neu aufzustellen.
In China glaubt man als erstes an ihn
Man habe sich aus dieser Verbindung rausgekauft. „Wir sind jetzt nicht mehr verheiratet, aber noch freundschaftlich verbunden“, betont der 35-Jährige. Immerhin seien die Partner aus China, „die ersten gewesen, die an mich geglaubt haben“. Denn: „In Deutschland haben viele immer noch nicht verstanden, was Visionen sind“, bedauert Reger. Man müsse „out of the box“ denken, nicht nur vorsichtig auf Bestehendem aufbauen.
Inzwischen glauben viele an ihn. Nach eigenen Angaben liegen Neura Robotics Aufträge im Wert von rund 450 Millionen Dollar vor. Um diese erfüllen zu können, international zu expandieren und die Innovationen weiter voranzutreiben, waren nun neue Investorengelder notwendig. „Und das ist noch nicht das Ende“, kündigt Reger im Gespräch mit uns neue Entwicklungen an.
Zwischen den Kontinenten muss Zeit fürs Herrenzimmerner Dorffest sein
Bleibt ihm bei all dem auch noch Zeit für die alte Heimat? Natürlich, lacht er. „Ich war kürzlich beim Herrenzimmerner Dorffest, und es war einfach super.“ Er habe etliche Leute aus Metzingen mitgebracht, die ebenfalls ganz begeistert gewesen seien. Und nein, an so einem Abend denke er nicht daran, dass das Bier womöglich bald von einem Roboter ausgeschenkt wird.
Möglich wäre es freilich. Für Reger ist klar: „Das nächste große Ding wird die Robotik sein.“ Gefahren durch die Künstliche Intelligenz gebe es natürlich und sie entwickle sich auch in Bereiche, wo man es nicht möchte. Deshalb gilt für ihn „KI braucht einen Körper – und den muss man auch ausschalten können.“ Er selbst läuft weiter im Dauerbetrieb – um seine vielen Visionen Wirklichkeit werden zu lassen.