Sie tauchten vielfach mit Sonnenblumen-Sonnenbrillen oder in Dirndln und Lederhosen auf, doch das wichtigste Accessoire der 2500 Besucher des großen Brassabends beim Sommersound VS war eindeutig die gute Laune.
Die Besetzung dieses Abends liest sich wie das Who is Who der Brass-Szene: LaBrassBanda, Querbeat und die Brass Buebe sowie die Lokalmatadoren Brasstastisch.
Entsprechend euphorisch war das Publikum am Samstagabend in Villingen-Schwenningen. Bei bestem lauem Sommerwetter trudelten die Fans der blechbetonten Unterhaltungsmusik auf dem Gelände des Druckzentrums Südwest ein, wo für den Sommersound VS damit an diesem Abend eine Premiere über die Bühne ging: Noch nie hatte man bei dem Festival diesen Stil bedient.
Es war neu, irgendwas zwischen Fasnet und Oktoberfest, aber mit ganz viel Gespür für Kompositionen und Bläser-Arrangements. Und energiegeladen wie nichts.
Das verbindet
Wenngleich „Brass“ auch auf Englisch für Messing und damit für die Blechblasinstrumente steht, für die stetig wachsende Fangemeinde sind Brassmusiker die Goldmedaillengewinner unter den Blechbläsern, kombinieren sie doch feinen, gekonntem Bläsersound mit unbändiger Lebensfreude wie es keine anderen vermögen. Und so blasen sie den Staub von der Blasmusik und polieren sie mit fettem Sound und Partystimmung auf zu etwas, das plötzlich nicht nur Generationen übergreifend verbindet, Jung und Alt gemeinsam Party machen lässt, sondern sogar die Grenzen zwischen musikalischen Genres mal eben wegpustet.
Querbeat durch die Partynacht
„Radikal positiv“, der Name der aktuellen Querbeat-Tour ist in genau diesem Sinne Programm und die Gruppe das Nonplusultra der modernen Blasmusik. Die 13-köpfige Band um Frontmann Jojo Berger kam als Kölsche Frohnatur daher, eskalierte völlig, sprühte über vor Energie.
Und das Publikum? Das war geflasht, eskalierte mit. Das ganze Druckerei-Areal kochte, wippte, klatschte, sprang mit – und wer tatsächlich einen Moment lang nicht mitgerissen wurde und gnadenlos Party machte, sondern genau hinhörte, musste auch davor seinen Strohhut ziehen und durch die Gläser der Sonnenblumensonnenbrille neidlos anerkennen: Die Jungs – und natürlich die Saxophon-Lady Janine Dornbusch – haben’s selbst musikalisch voll drauf.
Einst waren sie tatsächlich eine Schulband. Aber sie haben ihre Hausaufgaben offenbar gemacht. Und jetzt sind sie Profis. Und meilenweit entfernt von plumpen alkoholgeschwängerten Fasnetsmusiken, Party hin oder her, sondern bieten richtig gute Blasmusik, nur eben radikal modern – und tatsächlich radikal positiv.
Non-stopp Hits mit LaBrassBanda
LaBrassBanda hatten ihren Auftritt schon zuvor gehabt. Und wenn auf dem Druckereigelände zwischen dem badischen Villingen und dem schwäbischen Schwenningen einmal wirklich egal war, für welche Seite das Herz in der Doppelstadt nun schlägt, dann da: Bayrisch war mit dem Leadmusiker Stefan Dettl und seiner vom Chiemsee stammenden Truppe angesagt und das mit ganz viel Charme und Witz des sympathischen Frontmanns. Reggae, Techno, Funk oder Ska, die ganze Palette wurde rauf- und wieder runtergespielt. Gute-Laune-Hits am laufenden Band, Bierzeltstimmung unter freiem Himmel.
Freunde traditioneller Blasmusik dürften trotzdem auf ihre Kosten gekommen sein – wie gut die Musiker ihre Instrumente nämlich beherrschten, wurde an rein instrumentalen Titeln und ganz vielen Soli deutlich. Mal hallte eine einsame Trompete über Villingen-Schwenningen wider, dann wieder stürzte sich eine Tuba in tiefste Tiefen. Klar, sie sind Profis auf der Bühne, und viele von ihnen sogar studierte Musiker. Frontmann Dettl ist einer davon.
Profis hin oder her, die acht Männer kommen ohne Allüren, dafür aber in Lederhosen und sogar barfuß daher. Mit ihren Blasinstrumenten bewaffnet sind sie auch an diesem Abend wieder angetreten, um mit dem Publikum eine riesengroße Blasmusik-Party zu feiern. Non-stopp feuerten sie einen voluminösen Hit nach dem anderen ab – das begeisterte Echo aus dem Publikum war ihnen sicher.
Brass Buebe liefern ab
Softer Abba-Pop mit „Gimme! Gimme! Gimme“, Jan Delays Hip Hop „Oh Johnny“ oder harter Rock, „atemlos“ lieferten die Brass Buebe aus Wehr ab.
Die neun Jungs aus dem Südschwarzwald bedienten sich ohne Hemmungen bei sämtlichen musikalischen Genres, interpretierten rotzfrech, wild und frei trotz hörbaren Respekts vor der eigentlichen Komposition und sorgfältiger Arrangements und so ließen sie Songs so geschickt miteinander verschmelzen, dass musikalische Grenzen vollkommen verschwanden. Vielfalt pur.
Genau das war es, woraus sich die DNA dieses Sommersound-Abends zusammensetzte. Und spürbar war das von Beginn an: „Brass-tastisch, brass-tastisch-brass-tastisch“ – bereits ihr Schlachtruf hinter der Bühne ließ keinen Zweifel an der Euphorie der elfköpfigen Band, die ihren Auftritt an diesem Abend im Vorfeld beim Schwarzwälder Boten gewonnen hatte.
Dass sie jetzt auf der Bühne standen, direkt vor den Großen der Szene, passierte – Glück hin oder her – völlig zu Recht. Die Formation aus Eisenbach gab Gas, einzigartig besetzt mit Bläsersatz neben E-Gitarre und kräftigen Drums, und sie pustete dem Abend mit bekannten Hits wie Falcos „Amadeus“ bis hin zu Eigenkompositionen wie zum Schluss „Zwei Asbach-Cola und ein Bier“ eine kräftige Portion Rock-Brass ein und war der beste Beweis dafür, dass es „die“ Brassmusik gar nicht gibt. Pustekuchen. Brassmusik macht vor gar nichts Halt, echte Brassmusik kann alles sein.