Selbstverteidigungskurse findet sie wichtig: Mechthild Frey. Foto: Beatrice Ehrlich

Die Jiu-Jitsu-Abteilung der TSG Ötlingen bietet einen Selbstverteidigungskurs für Frauen und Mädchen an. Mechthild Frey von der Frauenberatungsstelle erklärt, warum das wichtig ist.

In der Frauenberatungsstelle Lörrach haben Mechthild Frey und ihre Kolleginnen mit Frauen zu tun, die Opfer von Übergriffen wurden. Im Gespräch mit unserer Redaktion benennt sie die Vorteile, aber auch die Grenzen fraulicher Selbstverteidigung.

 

Frau Frey, wann und wo sollten Frauen wehrhaft sein?

Überall da, wo es geht. Bei jedem Übergriff. Da gibt es keinen Allgemeinplatz. Jede Frau ist anders. Für die eine ist klar, wo sie die Grenze zieht. Andere trauen sich in einer bestimmten Situation vielleicht nicht, „Nein“ zu sagen, etwa in einem Abhängigkeitsverhältnis am Arbeitsplatz. Daher steht für mich die Frage im Mittelpunkt: Wie geht es, die innere Stärke weiterzuentwickeln, die ich auch habe?

Geht es um konkrete Handgriffe oder vielmehr doch um eine Haltung, die vermittelt werden sollte?

Konkrete Handgriffe und Abwehrtechniken zu kennen, ist schon gut. Sie können es einem ermöglichen, sich zu befreien und dann vor einem Angreifer wegzulaufen. Wenn jemand mit einer Pistole vor mir steht, würde ich das allerdings nicht empfehlen. Da helfen einfache Handgriffe nicht. Um die innere Einstellung geht es aber auch: Mein subjektives Empfinden in Gefahrensituationen ist sicher anders, wenn ich einen Selbstverteidigungskurs besucht habe. Grundsätzlich sollten wir uns aber vor Augen führen, dass um die 90 Prozent aller Übergriffe auf Frauen in deren unmittelbarem Nahfeld stattfinden. Das passiert nicht, wie viele es sich vorstellen, vorwiegend nachts und auf der Straße.

Was für eine Einstellung ist da gefragt?

In den meisten Fällen braucht es weniger Selbstverteidigungstechniken, dafür aber die Klarheit, „Nein“ zu sagen. Wichtig ist auch, dass man sich traut, Hilfe zu holen. Betroffene Frauen können sich an das rund um die Uhr besetzte Hilfetelefon (Tel. bundesweit: 116 016), an die Frauenberatungsstelle Lörrach (Tel. 07621/ 87105) oder im Fall von Übergriffen auf Kinder, an Wendepunkt, die Fachstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen, in Lörrach an der Psychologischen Beratungsstelle (Tel. 7621/410 5353 ) wenden. Empfehlenswert ist es in solchen Fällen auch, sich Freundinnen oder Angehörigen anzuvertrauen.

Als Frauenberatungsstelle haben Sie viel mit Frauen zu tun, die in Schwierigkeiten geraten. Hat das in jüngster Zeit zugenommen?

Generell kann ich das nicht beantworten, da ist die Polizei die richtige Ansprechpartnerin. Ganz zu schweigen vom Dunkelfeld, in das wir keinerlei Einblick haben. Was ich aus unserer Sicht sagen kann, ist, dass sich bei uns mehr Frauen und Mädchen melden, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Das zeigt uns auch, dass unser Netzwerk, das wir über viele Jahre aufgebaut haben, etwa mit der Polizei, funktioniert. Denn eine ganz zentrale Frage lautet ja, wie erfahren Frauen, dass sie Unterstützung bekommen können, und wo?

Inwiefern bringt sich die Frauenberatung mit ein?

Bei dem Workshop bei der TSG Ötlingen am Samstag stelle ich die Frauenberatungsstelle vor und gebe Hinweise, wohin sich Frauen und Mädchen im Notfall wenden können. Ich stehe dort außerdem für die Fragen der Teilnehmer zur Verfügung. Ich werde auch darauf hinweisen, dass eine Anzeige bei der Polizei, etwa nach einer Vergewaltigung, sinnvoll sein kann, aber dennoch aus Sicht der Betroffenen nicht immer das beste sein muss.

Warum?

Im Falle einer Anzeige kommt auf die betroffene Frau eine Menge zu. Sie ist dann Zeugin, sie muss aussagen und viel aushalten. Womöglich kommt es erst etliche Monate später zu einer Gerichtsverhandlung. Dort muss die Betroffene den Beweis führen, dass die Vergewaltigung tatsächlich stattgefunden hat. Um Frauen in einer solchen Situation zu entlasten, gibt es die anonyme Spurensicherung im Elisabethen-Krankenhaus in Lörrach oder in Freiburg. Dort kann eine Frau sich untersuchen und Beweise sichern lassen. Danach kann sie in Ruhe überlegen, ob sie wirklich Anzeige erstatten will.

Stichwort Prävention: Gibt es aus Ihrer Sicht Situationen, die man als Frau lieber meiden sollte?

Grundsätzlich: nein. Frauen sollten alles tun können, was Männer auch tun, und auch überall hingehen können. Dazu kann die Allgemeinheit beitragen. Im Projekt „Nachtsam – Sicheres Feiern“ schulen wir Veranstalter, die große Feste organisieren, darin, wie ein Umfeld sicherer für Frauen und Mädchen gestaltet werden kann. Es gibt Möglichkeiten, vorausschauend zu handeln, so dass gefährliche Situationen nach Möglichkeit eingeschränkt werden. Wichtig ist auch, füreinander Sorge zu tragen. In Workshops, die ich in Klassen gebe, appelliere ich immer: Guckt aufeinander! Bietet anderen an: „Ich bringe Dich heim“ oder „Ich passe auf Dich auf!“ Was nicht sein darf, ist, dass Frauen sich verstecken müssen.

Zur Person:

Mechthild Frey (65) ist Diplom-Heilpädagogin mit diversen Zusatzausbildungen, unter anderem zur Traumatherapeutin. Seit neun Jahren ist sie bei der Frauenberatungsstelle Lörrach tätig, die von einem gemeinnützigen Verein getragen wird. Dort arbeitet sie unter anderem zu sexualisierter Gewalt und Essstörungen. Sie ist verheiratet.

Der Kurs:

Die Jiu Jitsu-Abteilung der TSG Ötlingen bietet für Mädchen und Frauen ab 16 Jahren am Samstag, 17, und Samstag, 24. Januar 2026, einen Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurs in der Ötlinger Mehrzweckhalle an. Die Kursgebühr beträgt 75 Euro, für Mitglieder der TSG 65 Euro. Anmeldungen nimmt Yvonne Haas unter der E-Mail-Adresse Yvonne.Haas@axa.de entgegen. Hinweis: Der Kurs war ursprünglich für den 11. und 12. Oktober geplant, musste aber wegen vieler krankheitsbedingter Absagen verschoben werden.