Revoluzzer, Rentnercop und Rollen-Wechsler: Schauspieler Hartmut Volle ist auf vielen Bühnen und Drehorten zu Hause. Seine Wurzeln hat er aber nie vergessen. Ein spannendes Künstlerleben mit Erfolgen, Brüchen und Schicksalsschlägen.
Das Gesicht kenne ich doch! Wer Hartmut Volle begegnet, bei dem fällt schnell der Groschen. Man kennt ihn zum Beispiel als Horst Jordan, Chef der Spurensicherung im saarländischen ARD-Tatort. Oder als Kriminalhauptkommissar Klaus Schmitz bei den „Rentnercops“.
Viele Gastrollen, Spielfilmeinsätze und Serienrollen pflastern seine Vita, wie beispielsweise in der beliebten SWR-Serie „Die Kirche bleibt im Dorf“.
Schauspiel-Karriere nicht vorgesehen
Apropos Kirche. Die Schauspielkarriere war im Leben von Hartmut Volle nun wirklich nicht vorgesehen. Und bis dahin sollte es noch ein langer Weg mit einigen Abbiegungen sein. Denn ursprünglich war für den gebürtigen Freudenstädter eine andere Aufgabe vorgesehen.
„Ich stamme aus einer großen Pfarrerfamilie mit sieben Geschwistern“, erzählt Volle im Gespräch mit unserer Redaktion. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er in Freudenstadt, dann bekam Vater Volle eine neue Aufgabe in Calw-Stammheim.
Auch Sohn Hartmut sollte den theologischen Weg einschlagen. Im Alter von 15 Jahren ging er aufs Internat Maulbronn. „Ich sollte Pfarrer werden.“ Ein Platz in einem Stift in Tübingen nach dem Abitur war ihm schon sicher.
Ein Pfarrerssohn mit Revoluzzer-Herz
Doch in ihm schlug schon da ein Revoluzzer-Herz. Das konnte sein Vater erahnen. Er wusste, dass sein Sohn einen eigenen Kopf hat.
„Mein Vater gab mir mal Geld für den Friseur. Doch ich kam wieder mit langen Haaren zurück. So wie man es von den damaligen Fußballbildern kennt. Er fragte mich, wo das Geld ist und ich antwortete, dass ich es verloren habe. Damals hat er mir dann eine getafelt. Ich musste meine Taktik ändern: Ich bin ins Badezimmer, hab das Fenster aufgerissen und auf die (leider menschenleere) Pfarrgasse geschrien: Der Pfarrer schlägt seine Kinder! Mein Vater wurde sehr blass – das Internat in Maulbronn war für beide die Lösung.“
Von der Schreinerwerkbank auf die Bühne
Volle löst sich dann endgültig von den väterlichen Plänen, als er den Ersatzdienst Bethel in Bielefeld antritt. Er studiert Soziologie, ist eine „rote Socke“, macht bei Hausbesetzungen mit. In der Uni-Fußballmannschaft spielt er zusammen mit der späteren Fußball- und Trainer-Ikone Ewald Lienen. „Ein toller Typ. Die langen Haare flogen, die Zunge immer raus.“
Nach dem Studium geht es auf den nächsten beruflichen Weg. Der Schwarzwälder macht eine Schreiner-Ausbildung. Seine Hand gerät in die Kreissäge. Er verliert zwei Finger, legt dann trotzdem noch seine Gesellenprüfung ab.
Über Demos zur Schauspielerei
Bei Demonstrationen kommt er in Berührung mit der Schauspielerei. Dort gibt es eine Straßentheatergruppe. Volle macht mit. „Das, was wir da gemacht haben, war eigentlich oberpeinlich.“
Doch er hat Blut geleckt und startet 1981 eine private Schauspielausbildung an der Schauspielschule „Der Kreis“. Nach einem „verunglückten Vorsprechen“, wie er selbst berichtet, lernt er den bekannten Schauspieler Otto Sander kennen, der ihn unter seine Fittiche nimmt.
Die Schauspielerkarriere nimmt an Fahrt auf. Und auch der Vater macht seinen Frieden mit Sohn Hartmut. „Als er mich in ,Nathan der Weise‘ gesehen hat, hat ihn das ziemlich geflasht.“ Vater Volle muss sich damit abfinden, das keines seiner Kinder in die Fußstapfen tritt. Sohn Michael beispielsweise wird ein berühmter Bariton, Sohn Dietrich ebenso.
Doch wie wichtig ist Hartmut Volle noch seine Heimat? Den schwäbischen Akzent habe er für Rollen immer noch drauf. „Zu Beginn musste ich mir die Sprachmelodie richtig abgewöhnen.“ Auch die schwäbische Denkweise habe er immer noch verinnerlicht. „Der Schwabe in mir, der an die Zukunft denkt und seine Familie absichern will.“
Seine alte Heimat besucht er gerne. Beim lokalen Filmprojekt „Mordkommission Calw“ hat er schon ein paar Mal mitgewirkt. Im Sommer 2025 erneut.
Schwerer Schicksalsschlag richtet das Leben neu aus
Wie blickt der 71-Jährige auf seine beruflichen Wege zurück? „Die Karriere hatte viele Brüche und Abstürze. Ich bin auf Fehlwegen gewesen, aber es hat alles seinen Sinn gehabt.“ Vor zwölf Jahren kam es für die Volles zu einem schweren Schicksalsschlag: Der Sohn machte bei einem Kurzurlaub einen Handstand auf einem Balkongeländer und stürzte ab. Seither ist er querschnittsgelähmt. „Diese Unfallnacht hat vieles relativiert und das Leben neu ausgerichtet.“
Doch es geht weiter – mit „Gottvertrauen“. In Frankfurt, wo er heute mit seiner Frau Andrea Wolf, ebenfalls Schauspielerin, lebt, ist der Schauspieler im Kirchenvorstand.