Gesundheitsamtsleiterin Birgit Walter-Frank (von links), Tübingens Landrat Joachim Walter und Lisa Federle, DRK-Vorsitzende und leitende Notärztin informieren über die neuste Maßnahme: Eine Fieberambulanz. Foto: Lück

Landrat wegen Verhalten mancher Bürger fassungslos. Neue Maßnahme startet nächste Woche.

Rottenburg/Kreis Tübingen - "Wenn man die Bilder aus der Fußgängerzone von Rottenburg sieht, dem Neckarufer oder den Baggerseen, provoziert das weitere Maßnahmen!" Tübingens Landrat Joachim Walter ist fassungslos über den Leichtsinn mancher Bürger. Den Kampf gegen die Folgen des Virus gibt er trotzdem nicht auf. Neueste Maßnahme: Eine Fieberambulanz.

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Was ist da los im Landkreis? Nach aktuellen Zahlen gibt es schon 126 Bürger im Landkreis, die positiv auf Corona getestet wurden. Landrat Walter geht aufgrund dieser Zahl schon von 1500 bis 2000 angesteckten Bürgern aus. Doch es sind wahrscheinlich noch viel mehr!

Lisa Federle, DRK-Vorsitzende und leitende Notärztin: "Die Testlabore sind derzeit überlastet. Wir bekommen die Ergebnisse im Schnitt erst fünf Tage später. Deshalb wissen wir nicht, wie hoch die tatsächliche Infektionsrate heute schon ist."

Daher zeigt sich Landrat Joachim Walter auch fassungslos über das Verhalten mancher Mitbürger. Er sagt: "Wir stellen fest, die Gesellschaft ist gespalten. 50 bis 60 Prozent sind in Panik, die andere Hälfte nimmt es auf die leichte Schulter. Wenn ich die Bilder von den Baggerseen, vom Neckarufer oder aus Rottenburg vom Eisessen sehe – das geht wirklich nicht und provoziert weitere Maßnahmen! Es ist irritierend, wenn wir Schulen, Kitas und die Uni schließen, um die Ansteckung zu verlangsamen, und die Menschen treffen sich am Neckarufer. Das ist unverantwortlich – denn wir versuchen alles, um das Gesundheitssystem am laufen zu halten. Auch für Menschen, die Krankheiten haben, die für die meisten gefährlicher als Corona sind. Herzinfarkt, Schlaganfall. Wir müssen uns so verhalten, dass wir das Gesundheitssystem nicht überlasten!" Federle: "Wenn die Menschen nicht merklich Rücksicht nehmen und Abstand halten, machen sie unsere Arbeit als Ärzte kaputt!"

Landrat, Gesundheitsamtsleiterin Birgit Walter-Frank sowie DRK-Vorsitzende und die leitende Notärztin Lisa Federle bereiten jetzt schon den nächsten Schritt vor, um die Gesundheitsversorgung für die Corona-Krise in den Griff zu bekommen: die Fieber-Ambulanz! Landrat Walter: "Wir haben mit einem Containerhersteller alles soweit klar gemacht: Er stellt uns eine Lösung zur Verfügung, die geeignet ist, um Patienten zu behandeln. Dieser Container wird auf dem Festplatz – wo sich schon die Teststelle befindet – aufgestellt." In dieser Fieberambulanz arbeiten Medizinstudenten, Ehrenamtliche vom DRK sowie zwei erfahrene Ärzte – Julia Martin und Gisela Schneider – die hier die Corona-Patienten behandeln können. Und auch das Personal vom Klinikum hilft mit – bei der Abrechnung. Diese Fieber-Ambulanz soll – wenn sie steht – täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet haben. Allerdings: Zugang gibt es nur nach der Einweisung vom Hausarzt, von der Teststelle auf dem Festplatz oder durch die Rettungsleitstelle.

Laut Walter-Frank haben schon drei Arztpraxen im Landkreis wegen Erkrankungen oder Verdacht auf Corona-Virus geschlossen.

Federle: "Wir wollen mit der Fieberambulanz mögliche weitere Praxisschließungen abfangen. Und den Ärzten, die mangels Schutzkleidung oder anderer Faktoren keine Corona-Patienten behandeln können, eine Entlastung geben."

Landrat Walter: "In anderen Landkreisen sind solche Fieberallianzen teilweise 100 Meter vor den Kliniken. Aber wir wollen vermeiden, das Menschen gleich in die Klinik gehen. Wegen der Ansteckungsgefahr. Wir merken schon jetzt, dass die medizinische Notfallambulanz einen sehr hohen Zulauf hat."

Deshalb wird jetzt die Fieberambulanz aufgestellt. Federle: "Die ist einmal als erste Anlaufstelle gedacht, um Patienten mit Symptomen zu untersuchen. Wir haben sogar eine Vereinbarung mit einer radiologischen Praxis, dass Patienten dort geröntgt werden können oder CT bekommen. Zweitens dient die Fieberambulanz dazu, nicht so schwere Erkrankungsfälle durch das Coronavirus laufend überwachen zu können, ohne dass die Patienten beispielsweise zum Hausarzt oder ins Krankenhaus müssen und dort das Ansteckungsrisiko für Pfleger und Ärzte erhöhen!"

Ist solch eine Fieberambulanz auch an anderen Standorten – beispielsweise in Rottenburg – geplant? Landrat Walter: "Nein. Das ist eine Notlösung. Wir sind froh, dass es so viele Spender gibt, die uns dabei unterstützen." Federle: "Kollegen haben drei Behandlungsliegen gespendet. Der Chef der Firma CHT hat mir sogar persönlich eine 5-Liter-Kanister mit Desinfektionsmitteln vorbeigebracht – für meine Mitarbeiter. Und heute morgen hat Wolfgang Grupp, der Chef von Trigema, persönlich angerufen und hat uns 200 Schutzmäntel für die Ärzte zugesagt."