Eine Kriminaloberkommissarin sitzt vor einem Auswertungscomputer bei Ermittlungen zu Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch. Foto: Arne Dedert/dpa

Mehr als 27.000 kinder- und jugendpornografische Fotos und Videos fanden Ermittler auf den Datenträgern eines 72-Jährigen. Bei seinem Prozess am Amtsgericht Horb sind unter anderem fragwürdige Filmaufnahmen aus Kinderfreizeiten Thema.

Amtsgerichtsdirektorin Jennifer Dallas-Buob muss sich schwer wundern, als der 72-jährige Angeklagte ihr erzählt, welche Filme er sich mit seinem Bruder gemeinsam angeschaut habe. Zunächst klingen seine Schilderungen harmlos. Er habe sich gemeinsam mit seinem mittlerweile verstorbenen Bruder, „hauptsächlich Urlaubsfilme“ angeschaut. Die Urlaubsfilme stammen aber nicht etwa von gemeinsamen Ferien mit seinem Bruder, sondern aus seiner Zeit als Beschäftigter in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Laut Richterin zeigen die Filme unter anderem „Szenen am Strand, in denen in nicht angemessener Weise an Kinder herangezoomt wurde“. Der Angeklagte findet daran nichts Ungewöhnliches. Er sagt: „Ich habe mir die Filme auch mit Kindern und Eltern angeschaut.“

 

Die Urlaube mit fremden Kindern sind für den Angeklagten längst Vergangenheit. Sie sind auch nicht der Grund, warum der 72-Jährige jetzt angeklagt ist. Doch in der Beweisaufnahme vor Gericht vermitteln sie ein Bild des Mannes, auf dessen Datenträgern Ermittler insgesamt mehr als 27.000 kinder- und jugendpornografische Dateien fanden. Die Aufnahmen zeigen laut Gericht schweren Missbrauch von Mädchen im Alter von etwa 14 Jahren.

Angeklagter ist in Rente Seit rund zehn Jahren ist der Mann mittlerweile in Rente. Ein Zustand, den der Angeklagte als „Verlust der Arbeit“ und „Leerlauf“ bezeichnet. Er berichtet von seinem Alkoholproblem, das er lange vor seiner Familie versteckt habe und der „Sammelsucht“ von kinder- und jugendpornografischen Dateien aus dem Internet.

Richterin Dallas-Buob fragt, ob er während seiner beruflichen Zeit bereits das Gefühl gehabt habe, sich „in dieser Weise“ für Kinder zu interessieren? Das verneint der Mann.

US-Organisation meldet sich bei BKA Der Ermittlungsbericht, den die Richterin verliest, offenbart, wie der Angeklagte überführt wurde: Im Oktober 2021 meldet die US-amerikanische Organisation National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) dem Bundeskriminalamt (BKA), dass eine kinderpornografische Datei auf einer Internetseite hochgeladen wurde. Über die IP-Adresse identifiziert das BKA den Mann. Es folgt eine Hausdurchsuchung im März 2022. Die Ermittler beschlagnahmen sämtliche Datenträger und werten das Material aus. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft zeigen die Aufnahmen Vergewaltigungen von Kindern und Jugendlichen. Unter den beschlagnahmten Aufnahmen sollen sich auch Dateien befinden, auf denen die Stimme des Angeklagten zu hören sei.

Wie der Angeklagte schildert, habe er sich in psychotherapeutische Behandlung begeben. Er sagt: „Ich bin mit dem Alkohol immer wieder auf diese Internetseiten geschlittert.“ Mittlerweile habe er den Alkoholentzug hinter sich und auch dem Sammeln der Dateien habe er entsagt. „Ich bin zufrieden damit, da der moralische Druck weg ist. Ich werde garantiert nicht rückfällig werden“, sagt er.

Das Urteil Die Einsicht des Angeklagten und auch die Tatsache, dass nicht alle gefundenen Dateien ausschließlich ihm zuzuordnen seien, da er die Datenträger mit seinem Bruder geteilt habe, berücksichtigen Staatsanwaltschaft und Gericht bei der Urteilsfindung.

Richterin Dallas-Buob verurteilt den Mann zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, ausgesetzt zu einer dreijährigen Bewährung. Außerdem muss er 4500 Euro an die Kinderschutzstiftung Hänsel und Gretel bezahlen und seine Psychotherapie fortsetzen.