Sybille Dreher sitzt in ihrem Wohnzimmer auf dem Sofa. Seit knapp zwei Jahren lebt sie mit der Diagnose Lungenkrebs. Foto: Günzel

Sybille Dreher hat Lungenkrebs. Bis zu ihrer Diagnose hat sich die Grundschullehrerin stets fit und gesund gefühlt, hat nie geraucht. Letztendlich war es eine Genveränderung, die ihr Leben schlagartig auf den Kopf stellte. 

Balingen-Frommern - Der Duft von frischem Kaffee liegt in der Luft. Davon steht eine ganze Kanne voll auf der Anrichte der modernen Küche, die stilvoll in den Altbau integriert wurde. Am Kühlschrank und an der Wand hängen Familienbilder. Unbeschwerte, lachende Gesichter sind darauf abgebildet - nichts lässt erahnen, dass hier eine Frau lebt, die an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet: Lungenkrebs. 

Seit fast zwei Jahren lebt Sybille Dreher nun mit dieser Diagnose. Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember 2019, erfuhr sie, dass sie einen knapp zehn Zentimeter großen Tumor in der Lunge hat. Ein Schock für sie und ihre Familie. "Ich hatte längere Zeit einen Hustenreiz, der nicht mehr weg ging. Mein Hausarzt hat nichts festgestellt", erinnert sich die zweifache Mutter. Zunächst wurde vermutet, dass es sich um eine Lungenembolie handeln könnte. "Daraufhin wurde ein EKG gemacht und ich wurde zum CT geschickt und dann noch mal zum Hausarzt." Dort erhielt sie dann die Schock-Diagnose.

Lungenkrebs kann jeden treffen

Dass die damals 49-Jährige überhaupt Krebs bekommen könnte, war für sie sehr unwahrscheinlich: "Ich hab mich eigentlich gesund gefühlt. Ich war immer drei Mal pro Woche sechs Kilometer weit joggen, habe nicht geraucht und mich gesund ernährt. Als ich die Diagnose bekommen habe, dachte ich, dass das doch nicht sein kann", erinnert sich Sybille. Tatsächlich sei es jedoch so, dass Lungenkrebs jeden treffen kann: "Nur 20 bis 30 Prozent der Raucher bekommen Lungenkrebs. Ich bin in einer Zoom-Selbsthilfegruppe und dort gehöre ich zu den älteren Mitgliedern", erzählt die heute 51-Jährige. Die jüngste Teilnehmerin sei gerade einmal 28 Jahre alt. 

Doch was vermuten die Ärzte, warum Sybille trotz eines gesunden Lebensstils an Krebs erkrankte? "Grundsätzlich wird auch vermutet, dass Lungenkrebs durch Pestizide in der Luft ausbrechen kann", erklärt Sybille. Bei ihr war es jedoch anders: "Nach der Diagnose musste ich direkt übers Wochenende ins Krankenhaus und dort wurde eine Biopsie gemacht." Anhand der entnommenen Gewebeprobe konnte festgestellt werden, dass eine Genveränderung die Ursache für den Krebs ist. "Vor dem Befund war angedacht, dass ich direkt mit einer Chemotherapie anfangen soll. Dann hat sich aber rausgestellt, dass der Tumor auch mit Tabletten behandelt werden kann." Deshalb entschied sie sich gegen die Chemotherapie. "Mein Arzt sagte zu mir: Krebs kommt nicht über Nacht, dann muss er auch nicht über Nacht bekämpft werden."

Sybille will einen Teil zu ihrer Gesundheit beitragen

Nach ihrer Biopsie erkrankte Sybille dann an einer schweren Lungenentzündung. Ihr damaliger Zustand war lebensbedrohlich. Der Tumor sei in dieser Zeit stark gewachsen und habe ihre Bronchien zugeschnürt. Ein Drittel ihres Lungenvolumens sei komplett zusammengefallen. Als es ihr besser ging, wurde Tumorgewebe entfernt. Der Tumor selbst könne nicht operiert werden, weil er so ungeschickt liegen würden, erklärt die Familienmutter. Doch die Tabletten verkleinern ihn: "Es ist so eine Art Gentherapie. Der Tumor wurde ja auch durch eine Genveränderung hervorgerufen. Die Tabletten schalten die sozusagen aus und der Tumor lernt damit umzugehen." Inzwischen sei er nur noch ein bis zwei Zentimeter groß. 

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Ihr Schicksal jedoch nur in die Hände von Ärzten zu legen und von den Tabletten abhängig zu machen, kam für Sybille nicht in Frage: "Mich hat ein Buch wachgerüttelt und dazu animiert, selbst tätig zu werden und einen Teil zu meiner Gesundheit beizutragen." Seither ist der Alltag der Familienmutter durchzogen von Atemtrainings, Meditationen, Yoga-Übungen und einer kalten Dusche am Morgen. Vor allem sei ihr jedoch eine bewusste Ernährung wichtig: "Ich lege viel Wert auf biologische und regionale Produkte, verzichte auf Fleisch, Milch und Käse und reduziere stark Zucker." Ganz vegan sei ihre Ernährung aber nicht. 

"Ich hätte nie mit so einer Diagnose gerechnet"

Besonders freut sich die verheiratete Mutter darüber, dass ihr Mann und ihre beiden 16 und 18 Jahre alten Töchter dabei mitziehen und sie immer unterstützen. "Mein Mann und ich waren uns auch von Anfang an einig, dass wir unseren Töchtern ehrlich sagen, wie es um mich steht. Damals wusste ich ja noch gar nicht, ob ich nur noch ein halbes Jahr oder zwei, drei Jahre zu leben habe", erzählt Sybille. 

Überhaupt habe ihr die Diagnose erst mal den Boden unter den Füßen weggerissen: Die Grundschullehrerin stand mit beiden Beinen im Leben, war gesund und erzählt, dass ihre Großmutter sogar 105 Jahre alt wurde. "Ich hätte nie mit so einer Diagnose gerechnet."

Ein Geschenk von dem Tumor

Mittlerweile ginge es ihr damit besser und sie habe durch die Tabletten viel Lebensqualität gewonnen: "Ich lebe noch mal ein zweites Leben und weiß viele Dinge viel mehr zu schätzen und schenke auch Kleinigkeiten mehr Beachtung." Durch ihren veränderten Alltag habe sie nun viel mehr Zeit dafür, sich um sich selbst zu kümmern, "das hört sich vielleicht komisch an, aber ich sage immer, das ist das Geschenk von dem Tumor an mich", meint Sybille und lächelt. 

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Doch sie hat noch eine Erkenntnis aus ihrer Diagnose gezogen: "Jeder kann Lungenkrebs bekommen. Und Gesundheit ist nichts Selbstverständliches, sie ist ein Geschenk. Wir haben nur einen Körper und sollten den mit Liebe umsorgen und pflegen. Es gibt immer Möglichkeiten noch mehr für sich selbst zu tun. Wenn man so eine Diagnose bekommt, muss man versuchen die Kraft zu finden, das Beste aus der Situation zu machen." 

Wir waren zusammen mit #imländle bei Sybille Dreher zu Hause: