Darf das "Fahrrädle" bleiben, oder muss es weg? Foto: Danner

Diskussion ob "Rädle" an Urnenwand geduldet werden kann. Frage wo man die Grenze zieht.

Oberndorf - Erwin Moos ist für sein Leben gern Rad gefahren. Als er im April im Alter von 81 Jahren starb, lag es für seine Witwe Renate nahe, ein "Rädle" auf der Abdeckung der Mauernische in der Urnenwand anbringen zu lassen. Das sorgt nun für Diskussion.

Der bekannte Oberndorfer Elektromeister hatte schon zu Lebzeiten den Wunsch geäußert, in der Urnenwand auf dem Talfriedhof beigesetzt zu werden. "Und ein Kreuz wollte er nicht drauf haben", berichtet Renate Moos im Gespräch mit unserer Zeitung. "Vielleicht ein Fahrrad", habe er gesagt.

Fahrrad soll von Grabstein entfernt werden

Seine Witwe gab also die Abdeckung der Mauernische bei einem Steinmetz in Auftrag und staunte nicht schlecht, als ihr Post von der Stadt ins Haus flatterte. Gemäß der Friedhofssatzung hätte es einer vorherigen schriftlichen Genehmigung bedurft, schrieb ihr die Friedhofsverwaltung. Diese hatten der Steinmetz - oder der Bestatter - nicht eingeholt.

Renate Moos rief also im Rathaus an. Dort hieß es, es handle sich bei dem Fahrrad nicht um ein sakrales Motiv, weshalb es wieder zu entfernen sei. Die 76-jährige Witwe sprach daraufhin bei Bürgermeister Hermann Acker vor. Er habe auf die Friedhofsverwaltung verwiesen.

Frage was geduldet werden kann

Auf Nachfrage des Schwarzwälder Boten teilt der Bürgermeister mit, er habe das Thema in den Kernstadtbeirat getragen. Ihn persönlich, so betonte Acker, störe das Fahrrad nicht. Eigentlich war es auch zunächst gar nicht das Objekt, das sich das beratende Gremium des Gemeinderats vor Ort ansehen wollte. Vielmehr war eine kleine Blumenvase am Nachbargrab moniert worden. Dabei sei der Blick der Kernstadträte eben auch auf Erwin Moos’ Grab gefallen. Schließlich habe es eine Abstimmung gegeben. Und die Mehrheit der Kernstadträte sprach sich für die Entfernung von Väschen und Fahrrad aus. Man wolle damit auch sicherstellen, dass keine extremen Darstellungen - etwa von rechts- oder linksgerichteten Gruppierungen - Einzug auf dem Friedhof hielten. "Es ist immer die Frage, was duldet man, und was lässt man nicht zu", so Acker. Er sehe dies pragmatisch und könnte mit Fall-zu-Fall-Entscheidungen leben. Die Friedhofsverwaltung hätte hingegen gerne klare Richtlinien, an die sie sich halten könne.

Die SPD-Fraktion wollte den abschlägigen "Beschluss" des Kernstadtbeirats aber so nicht hinnehmen. Sie hat laut Acker einen Antrag gestellt, das Thema nochmals grundsätzlich im Gemeinderat aufzugreifen. Es soll nun in einer der Sitzungen nach den Sommerferien auf der Tagesordnung stehen.

Witwe kämpft um "Rädle" für ihren Mann

Zum Thema sakrale Motive haben wir beim katholischen Diakon Thomas Brehm nachgefragt. Er hatte seinerzeit die Beerdigung von Erwin Moos abgehalten. Es handele sich ja nicht um einen rein christlichen Friedhof, sagt Brehm. Das "Fahrrädle" gehe auf das Leben von Erwin Moos ein. Das sei kein "modisches" Symbol, sondern habe ihn ausgemacht. Deshalb könne er persönlich das unterstützen.

Renate Moos jedenfalls ist über die ganze Diskussion "hell entsetzt". Sie will für das "Rädle" auf dem Grab ihres Mannes kämpfen.

In der städtischen Friedhofssatzung heißt es an entsprechender Stelle: Für die Mauernischen der Urnenwand werden einheitliche Frontplatten vorgeschrieben. Die Inschrift darf nur mit aufgesetzten Buchstaben (braun oder grau patiniert) und einer Schriftgröße bis maximal 30 Millimetern erfolgen. Außerdem sind nur noch sakrale Zeichen zugelassen. Schrift und sakrale Zeichen sind aus Bronze oder Aluminium zugelassen. Das Ablegen von Blumen und Grabschmuck ist nicht gestattet.

Bei Gott

Es gibt allerhand »Baustellen«, die die Stadtverwaltung beschäftigen - vom Brauerei-Areal über den geplanten Aldi-Umzug. Da sollte man doch meinen, die  Rathaus-Mitarbeiter müssten  ausgelastet  sein. Nun scheint man aber doch tatsächlich keine andere Sorge zu haben, als ein kleines Fahrradsymbol auf einer Grabstelle zu monieren. Das stört - bei Gott - niemanden. Nicht mal den katholischen Diakon. Eine Diskussion darüber, was sakral ist und was nicht, erscheint da müßig. Natürlich darf  der Verewigung  von extremen Darstellungen nicht Tür und Friedhofstor geöffnet werden. Das lässt sich  sicher von Fall zu Fall entscheiden - ganz pragmatisch.   Solange wir  in Oberndorf keine anderen Probleme haben, ist ja alles gut.  Wäre  es nicht so ein trauriger Anlass, wäre das ein gefundenes  Fressen für Schmotzigen-Gruppen und Schantle.