Die Zahlen liegen auf dem Tisch: Stündliche Busverbindungen zwischen 5 und 24 Uhr im ganzen Kreis sind nicht finanzierbar. Bereits der Erhalt der bestehenden Linien und Taktung wird wohl zum Kraftakt.
„E ine ganz neue Dimension“, „eine kleine Revolution“, „ein Meilenstein“ – die Sitzung des Umwelt- und Technikausschusses (UTA) des Kreistags im Juni 2023 war geprägt von Superlativen. Da hatten sich Verwaltung und Kreistag nach der Tarifreform 2021 ein neues ÖPNV-Ziel gesetzt: Jedes Dorf sollte in der Zeit von 5 bis 24 Uhr im Stundentakt an den Nahverkehr per Bus angebunden werden.
Die Idee vom „kreisweiten Stundentakt“ stammt aus einer finanziell rosigeren Zeit. Angesichts eines auf Kante genähten Kreishaushalts, war zwischenzeitlich bereits abzusehen, dass sich das Mammutprojekt nun nicht mehr umsetzen lassen wird.
Das Konzept für den neuen Nahverkehrsplan hat für Gewissheit gesorgt: Rund 12,5 Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr errechnete die Firma PTV Group für die „Variante 1-Plus“. Experte Rimbert Schürmann präsentierte den Entwurf am Dienstag den Ausschussmitgliedern. „Das ist schon eine ganze Menge Geld“, konstatierte der Ingenieur. Rund zwei Millionen zusätzlich gefahrene Buskilometer würde die „Variante 1-Plus“ bedeuten.
Verschlechterungsverbot kostet bereits rund sechs Millionen Euro
In Voraussicht der sich verschlechternden Lage hatte der UTA bereits vor einem Jahr auch die Prüfung einer abgespeckten Version – die „Variante 1“ – bestellt. Wenn der Stundentakt nur von Montag bis Freitag zwischen 6 bis 20 Uhr umgesetzt würde, kämen laut PTV immerhin nur vier Millionen Euro Mehrkosten pro Jahr auf den Kreis zu.
„Der Nahverkehrsplan bietet Ihnen zunächst die Option, das Weiterfahren zu können, was sie bereits haben. Sie haben aber auch die Möglichkeit den Nahverkehr weiter auszubauen, wenn es die finanziellen Möglichkeiten zulassen“, fasste Schürmann zusammen.
Der Plan kalkuliert mit einem Verschlechterungsverbot für Bestandslinien. Dafür seien im Doppelhaushalt 2025/26 insgesamt fast sechs Millionen Euro eingeplant, berichtete Landrat Thorsten Erny und betonte: „Das war schon ein Kraftakt.“
Im Gremium sorgten die Zahlen für gedrückte Stimmung. „Wir können keinen Hehl daraus machen, dass das ein gewisses Maß an Frustration mitbringt“, erklärte CDU-Sprecher Stefan Hattenbach. Trotz Kreisumlageerhöhung sei das Geld für die „Variante 1-Plus“ nicht da. „Nicht weil schlecht gewirtschaftet wird, sondern weil das Geld an anderer Stelle – den Sozialausgaben, den Kliniken – fehlt.“ Er plädierte dafür an der „Variante 1-Plus“ definitiv festzuhalten und sie umzusetzen, so es irgend finanziell geht.
Landrat fordert von Grünen „Realitätssinn“
Matthias Gutbrod, Sprecher der Freien Wähler im UTA, fand deutliche Worte: „Es ist völlig unrealistisch, dass wir jemals mit einer ‚Variante 1-Plus‘ ins Rennen gehen.“ Der Kreis werde versuchen, die bestehenden Linien halten zu können. „Mehr wird einfach nicht drin sein, das ist die harte Realität“, so der Kippenheimer Bürgermeister.
Kai-Achim Klare plädierte im Namen der SPD für Abstriche: „Aus unserer Sicht hat die Angebotsverbesserung – also ein dichterer Takt – Priorität. Dann muss halt auch mal noch ein Dieselbus fahren, wenn wir uns keinen E-Bus leisten können.“ Darüber müsse man noch weiter nachdenken.
Frank Himmelsbach, UTA-Sprecher der Grünen, forderte vom Kreis eine „klare Botschaft, dass eine starke Mobilitätswende eine prioritäre Aufgabe des Kreises“ sei. Er forderte mehr Mut dabei, die bestehenden Linien und Konzepte ganz neu zu denken.
Das wollte Landrat Erny so nicht stehen lassen: „Ich möchte hier nicht Bedürfnisse wecken, die wir nicht erfüllen können.“ Es sei schlicht kein Geld da – Realitätssinn sei nötig. Dafür erntete der Verwaltungschef Applaus.
So geht’s weiter
Der UTA befürwortete den Entwurf des Nahverkehrsplans einstimmig und beauftragte die Verwaltung, die die zu beteiligenden Stellen – etwa Städte und Gemeinden – anzuhören. Noch vor der Sommerpause im Juli soll der Kreistag endgültig über den Nahverkehrsplan abstimmen.