Auch bei den mysteriösen Gedenktafeln zu dem möglichen Soldatenmord am Oberen Blindbergweg spielt vielleicht der Verschluss auf 100 Jahre von französischen Untersuchungsberichten eine Rolle.
Auf den kürzlich erschienenen Beitrag in dieser Zeitung über einen vermeintlichen zehnfachen Soldatenmord am 10. Mai 1945 am Oberen Blindbergweg unweit der Bundesstraße 296 zwischen Calmbach und Oberreichenbach haben sich mehrere Leser gemeldet. Unter ihnen war der frühere Forstrevierchef Karl Günther aus Naislach. Seine Erkenntnisse stützen die Annahme, dass es sich bei den namentlich auf einer Erinnerungstafel Festgehaltenen um Mitglieder der Waffen-SS gehandelt haben könnte. Auch der Heimatforscher Roland Bühlmaier aus Nagold meint im Zusammenhang mit den französischen Lilien-Symbolen, dass es sich um „Namen von Elsässern oder Lothringern“ handelt.
Kein Zufall Karl Günther konnte 1995 ein Foto vom damals erneuerten Schild aufnehmen mit der Aufschrift in Französisch: „Das Rauschen des Waldes trägt Eure Namen davon“; in Deutsch folgt: „Gott kennt Euch alle.“ Wie bei mehreren zuvor angebrachten, immer wieder nahezu gleich gestalteten Tafeln weisen die im Text erkennbaren SS-Runen auf SS-Angehörige hin. Dass diese eckig gehaltenen Buchstaben „S“ kein Zufall sind, belegt in Günthers Aufnahme auf der inzwischen ganz verschwundenen Tafel zusätzlich die kleine, zuvor nicht enthalten gewesene Überschrift „Waffen-SS“. Diese oberste Schriftzeile sowie zwei Hakenkreuze darunter fehlten ebenfalls bei den Schildern zuvor, unter denen anfangs ein kleiner Pfeil als Hinweis auf die 200 Meter entfernte Tafel mit den zehn Namen verwies.
Immer wieder Blumen niedergelegt
Tafeln erneuert Karl Günther, historisch Interessiert und auch Mitglied des Kreisgeschichtsvereins Calw, hat schon mit dem 2021 verstorbenen Calmbacher Geschichtsfreund und Heimatbuchautor Fritz Barth und noch früher mit dem Heimatforscher Ernst Güse aus Schömberg über das Geschehen gesprochen. Zusätzlich hat er besonders im Wald die Dinge verfolgt und erläutert wörtlich: „Die Tafeln wurden immer wieder erneuert. Die schöne Tafel beim Kuchenbrückle wurde 2018 angebracht. Ich habe aber nie jemanden getroffen, obwohl immer wieder Blumen bei den beiden Tafeln niedergelegt wurden.“ Es sei schon sehr eigenartig, dass alles so lange im Dunkel bleiben könne, „obwohl es offensichtlich sehr stark Betroffene gibt, die nach so langen Jahren immer wieder neue Tafeln anbringen.“ Die letzte Namenstafel stamme von 2018.
Absolutes Tabuthema Weiter weiß Karl Günther von Bemühungen Güses Licht ins Dunkel zu bringen. Dazu habe dieser über Verbindungen aus seiner Fliegervergangenheit Kontakte nach England und Frankreich zu nutzen versucht, nachdem Tafeln und Namen auf elsässische SS-Leute hindeuteten. Besonders beim französischen Roten Kreuz habe Güse Näheres zu erfahren probiert. Günther fasst zusammen: „Er hat zwar viel Verständnis gefunden, und er hatte das feste Gefühl, dass denen das Ereignis sehr wohl bekannt war, aber niemand mehr daran rühren wollte. Elsässer in der SS und das Datum 10. Mai – eindeutig ein Kriegsverbrechen – ist in Frankreich anscheinend ein absolutes Tabuthema.“ Auch Versuche beim DRK-Suchdienst fündig zu werden verliefen vor Jahrzehnten im Sand.
Parallelen zum Rombachhof
Grausige Bluttat Allem Anschein nach könnte es sich um einen Parallelfall zu den Morden auf dem Rombachhof oberhalb von Enzklösterle vom 24. auf den 25. April 1945 handeln. Von dort ist bekannt, dass die grausige Bluttat im Forsthaus an ebenfalls zehn erschossenen oder erschlagenen Menschen zwischen zwei und 64 Jahren von der französischen Polizei, der Sécurité, untersucht wurde.
Trotz aller Bemühungen von Forschern und Presse bis hin zum Fernsehen bei französischen Stellen konnte keine Einsicht in die oder Auskunft aus den bekanntermaßen vorhandenen Ermittlungsakten erreicht werden. Beim Klärungsversuch um das Geschehen blieb einziges Resultat, dass die entsprechenden Unterlagen für 100 Jahre strikt unter Verschluss bleiben.