Auch Lieder gehörten zum Auftritt Feindlers. Foto: Haberer

Zuletzt war der Kabarettist und Dichter Michael Feindler im 2022 in Lahr zu Gast. Auch in seinem aktuellen Programm „Durchbruch“ setzt er im Stiftsschaffneikeller konsequent auf die politische Analyse und die Standortbestimmung.

Feindler ist ein Feingeist des politischen Kabaretts und wartet mit ausufernden Gedankenspielen auf, der messerscharfer Logik eines Analysten, der These und Gegenthese ausformuliert, den Mechanismus aufzeigt, der den Konflikt weg von der sachlichen Diskussion zum emotionalen Schlagabtausch führt. Sein Markenzeichen ist die Versform des Dichters, die bildhafte Ausschmückung seiner Überlegungen.

 

Bei einer Hochzeitsfeier, wo einzelne Individuen unterschiedlichster Couleur aufeinanderprallen, Verwandte, Freunde und ehemalige Partner der Brautleute, gesellschaftliche Leistungsträger und Leistungsempfänger, geht das mehr oder weniger glimpflich aus. Der eine oder andere fällt aus der Rolle, andere ziehen sich zurück. Auf der internationalen Ebene droht aber schnell ein Krieg, der immer persönlicher und exzessiver wird, je länger er dauert.

Künstler spricht auch mit dem Publikum

Feindler, der gerne mit dem Publikum plaudert und zum Einstieg erst einmal die Erwartungen abfragt, ein erstes Beispiel für unterschiedliche Wahrnehmungen und Standpunkte in den Raum stellt, eskaliert in Versform, schiebt immer wieder Lieder und Balladen im Geiste eines Georg Kreislers ein, bleibt dabei aber stets am Ball. Da wird der „Leopard II“ als ultimative Familienkutsche des Nachbarn angepriesen, als schlagkräftiges Argument im Berufsverkehr und beim Sonntagsausflug. Er bewirbt die Bundesbahn, den öffentlichen Personennahverkehr und die U-Bahn, als einige der letzten gesellschaftlichen Refugien, wo Klassenunterschiede und politische Ansichten keine Rolle spielen. Im Zweifelsfall kommen immer alle zu spät oder gar nicht erst ans Ziel.

Eindrücklich ist wie Feindler das Thema Gewalt und Gegengewalt anpackt. Über die Revolution zur Unabhängigkeit Haitis und der Abschaffung der Sklaverei, die dazu führte, dass das Land ausgerechnet an Frankreich, das Mutterland aller Revolutionen Reparationszahlungen leisten musste, landet er beim Konflikt in der Ukraine, der Gewaltspirale und der immer stärkeren Identifikation auf persönlicher Ebene mit zunehmender Kriegsdauer.

Revolution beginnt bei Feindler stets in den eigenen vier Wänden

Feindler hetzt weder dem Kalauer, noch der schnellen Pointe hinterher. Das Publikum soll definitiv mehr Fragen als Antworten mit nach Hause nehmen, zwischen den Zeilen aber Strukturen, Zusammenhänge und Widersprüche erkennen. Es wird dabei unterhalten, mit herrlich herausgearbeiteten Spitzen zum Lachen animiert, aber immer auch auf das dünne Eis der politischen Wahrheiten, der gesellschaftlichen Konfliktfelder gelockt. Alles hängt mit allem zusammen, die Welt ist ein Tollhaus, das nach politischen und gesellschaftlichen Visionen schreit.

Feindlers Bestandsaufnahme ist treffsicher und manchmal bitterböse. Sein Plädoyer für Gendergerechtigkeit führt als Giftpfeil über die Frauenrechtsbewegung direkt ins Herz der katholischen Kirche – inklusive eines gewagten Liedes. Irgendetwas ist da auf dem Weg vom Ministranten zu dem von ihm mitgegründeten Schulkabarett wohl schiefgelaufen, gibt der Künstler freimütig zu.

Der im Programm in Aussicht gestellte „Durchbruch“ kommt in allen Bereichen dann, wenn Respekt und Offenheit zu echten Dialogen führen, die hochbrisante Hochzeitsfeier als Picknick ausgerichtet wird, bei dem die Gäste mit Decken ihr Revier festlegen, den eigenen Brotkorb mitbringen. Der Abend endet mit einem Freiheitslied, einem Hoch auf die Revolution, die bei Feindler stets in den eigenen vier Wänden beginnt.

Der Mensch

Feindler wurde 1989 in Münster geboren. Er studierte Politikwissenschaften, Philosophie und Publizistik in Berlin. Der Künstler erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt etwa den Thüringer Kleinstkunstpreis.