Beim Prozess am Landgericht Tübingen fiel jetzt das Urteil. Foto: Felix Biermayer

Ein 37-jähriger Rumäne, der seine Frau in Bad Liebenzell getötet hat, muss für zwölf Jahre in Haft. Die Schwurgerichtskammer am Landgericht in Tübingen sieht für eine Verurteilung wegen Mord zu wenige Beweise.

Zwölf Jahre muss ein 37-jähriger Rumäne ins Gefängnis. Wie der vorsitzende Richter Armin Ernst am Mittwoch bei der Urteilsverkündung am Tübinger Landgericht erklärte, sieht es die Schwurgerichtskammer als erwiesen an, dass der Mann seine Ex-Frau umgebracht hatte. Er hatte die 30-jährige am 18. Juni mit mindestens 22 Messerstichen in Bad Liebenzell attackiert. Sie hatte sich kurz zuvor von ihm getrennt.

 

Mordmerkmale nicht erfüllt

Doch viele andere Vorwürfe, die während des Prozesses diskutiert wurden, sah die Kammer als nicht belastbare Beweise an. „Vieles konnte nicht genau geklärt werden“, so Ernst. Dazu zählte er, wo und wie genau sich die Tat abgespielt hatte. Sowohl der Netto-Parkplatz als auch der Parkplatz in den Talwiesen seien mögliche Tatorte. Zudem könne sich die Attacke im Auto oder auch im Freien abgespielt haben. Auch sei unklar, ob der Mann dem Opfer zuerst in den Rücken gestochen oder sie von vorn angegriffen habe – die Frau also vom Angriff überrascht wurde oder sich noch wehren konnte.

Deshalb habe sich die Kammer vom Mordmerkmal der Heimtücke nicht überzeugen können, sagte Ernst. Das hatte die Staatsanwaltschaft geltend gemacht und für den Mann eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes gefordert. Ernst sah zudem das weitere Mordmerkmal der niederen Beweggründe als nicht erfüllt an – wenn auch nur „haarscharf“.

Aus Eifersucht gehandelt

Zwar habe der Mann aus Eifersucht gehandelt. Allerdings gebe es ein ganzes „Motivbündel“. Es könne auch sein, dass er Angst hatte, nach der Trennung seine Kinder zu verlieren. Außerdem sei Eifersucht an sich laut BGH-Rechtssprechung kein niederer Beweggrund. Deshalb habe man den Mann „in Anführungsstrichen nur wegen Totschlag“, nicht aber wegen Mordes verurteilt. Der Kammer sei sehr wohl die Problematik von Gewalt im Zuge von Trennungen bewusst, erklärte Ernst – auch, dass diese vor allem Frauen treffe. „Besonders für Frauen ist das eine gefährliche Situation“, sagte er.

Er verwies aber auf die BGH-Rechtssprechung. Das entsprechende Gesetz ließe sich leicht ändern. Allerdings bezweifelte Ernst, ob eine generelle Einstufung solcher Verbrechen als Mord und die damit einhergehende höhere Strafe Täter von Straftaten wirklich abhalte.

Täter zeigt keine Emotion

Der Mann nahm das Urteil äußerlich regungslos hin. Die 15-jährige Tochter – das Paar hat zwei minderjährige Kinder – war bei der Urteilsverkündung anwesend. Die beiden sind aktuell in einer Pflegefamilie untergebracht. Die Tochter befindet sich zudem in Therapie. Sie hatte auch als Zeugin ausgesagt und letztlich im Prozess mit ihrem Vater gebrochen. „Du bist nicht mehr mein Vater“, hatte sie zu ihm gesagt. Auch damals kam von dem Mann keine Reaktion. Er hatte sich vor Gericht generell nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Der Prozess zeichnete das Bild einer zerrütteten Ehe voller Streit, Gewalt und Alkohol. Die Frau hatte sich letztlich nach vielen Jahren getrennt und war eine Beziehung mit einem neuen Partner eingegangen. Der Verurteilte fühlte sich dadurch betrogen und war auch schon vor der Tat sehr eifersüchtig. Das zeige laut Ernst auch, dass der Mann gegenüber einem Zeugen gesagt habe, dass er 16 Mal zugestochen habe – einmal für jedes Jahr der Beziehung.

Es war eine „Übertötung“

Ernst unterstrich zudem das Maß an Gewalt, mit welchem der Täter vorgegangen ist. Er habe bei den Stichen Knochen durchdrungen, Organe und Arterien verletzt sowie mit einem Schnitt an der Kehle Speise- und Luftröhre durchtrennt. Die Frau war letztlich verblutet. Die einzelnen Verletzungen seien aber schon für sich tödlich gewesen, so Ernst. Er nannte es eine „Übertötung“. Am Tattag holte die Frau den Mann, der aus beruflichen Gründen in Bad Liebenzell lebte, ab. Das Paar wollte in Villingen-Schwenningen eine gemeinsame Versicherung auflösen. Danach brachte sie ihn wieder zurück. In Liebenzell kam es zur Attacke.

Der Mann versuchte danach, sich mit einem Stich in die Brust umzubringen. Das misslang. Er lud die Leiche auf die Rückbank und fuhr über die A81 gen Süden in Richtung des Wohnortes der Frau und der Kinder. Warum er dies tat, konnte der Prozess letztlich nicht aufklären. Allerdings steuerte er auf der Autobahn in Suizidabsicht das Auto in die Mittelleitplanke. Danach stach er sich mit dem Messer in den Hals. Ersthelfer am Unfallort retteten ihm jedoch das Leben.

Noch nicht rechtskräftig

Nebenklageanwalt Christian Kinkelin, der die beiden Kinder vertritt, will gegen das Urteil keine Revision einlegen. Das Urteil sei „juristisch korrekt“, auch wenn er gerne eine höhere Strafe für den Mann gesehen hätte. Staatsanwältin Tabea Hill ließ offen, ob sie gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen möchte. Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig. Der Mann bleibt aber weiterhin in Haft.