Ein Lahrer wurde auf einem Markt von einem Rottweiler in den Bauch gebissen. Da der Hundebesitzer keine Einsicht zeigte und dem Geschädigten einen versuchten Diebstahl vorwarf, kam der Fall vors Amtsgericht. Der Tierhalter muss nun eine Strafgebühr zahlen.
„Das ist kein Hund, das ist eine Schmusekatze.“ Das wiederholte der Besitzer eines Rottweilers vor dem Amtsgericht immer wieder. Der Rentner arbeitet hin und wieder an einem Marktstand in der Ortenau und hat stets seinen Hund dabei. Ein 60-jähriger Lahrer schätzt das Tier anders ein: Er wurde vergangenen Sommer von ihm in den Bauch gebissen, war danach mehrere Wochen arbeitsunfähig. Gegen den Halter des Hundes wurde ein Strafbefehl erlassen, gegen den er Einspruch eingelegt hat. Der Vorwurf lautet fahrlässige Körperverletzung.
Als Zeuge berichtete der Angegriffene, dass die Attacke des Tieres plötzlich gekommen sei, der Halter sei zu dem Zeitpunkt nicht da gewesen. Kurz darauf sei er aufgetaucht, entschuldigt habe er sich aber nicht. Dass das Gegenüber von seinem Hund gebissen worden sei, sei ihm egal gewesen, er habe nur gesagt, dass er eine Versicherung habe.
Das Tier sollte als einWachhund dienen
Der Zeuge erklärt, dass das Tier nicht am Stand, sondern im öffentlichen Raum angebunden gewesen sei. Vor Ort nahm ein Polizist mehrere Zeugenaussagen auf. Der Angegriffene erhielt eine Tetanusspritze und im Krankenhaus eine Grundversorgung. Ihn stört besonders, dass er vom Halter des Hundes keine Entschuldigung gehört habe. Vielmehr habe dieser behauptet, dass er versucht habe, ihn zu bestehlen. „Wir würden heute nicht hier sitzen, hätte er sich bei mir entschuldigt“, so der Geschädigte.
Vor der Zeugenaussage hatte der Angeklagte die Aufrichtigkeit des Angegriffenen in Zweifel gezogen. Er habe seinen Stand nur kurz verlassen, um sich einen Kaffee zu holen, so der Hundehalter. Die Wunde, die der Angegriffene ihm später zeigte, sei seiner Meinung nach schon ein oder zwei Tage alt gewesen. Richterin Monika Turcotte betonte dagegen, dass die Polizei an der Kleidung des Angegriffenen Blut festgestellt habe.
In der Anklageschrift erklärte Staatsanwalt Broß, dass der Hund nur mit einer etwa drei Meter langen Leine gesichert gewesen sei. Der Halter erwiderte, dass das Tier mit einem Gerüstseil angebunden gewesen sei, dieses sei ohne Schleife rund einen Meter lang gewesen. Es sei zudem der erste Vorfall mit dem Hund gewesen. Mehrere Male wollte der Angeklagte Turcotte ein Video zeigen, das belegen solle, wie zahm der Hund sei und dass regelmäßig Kinder mit ihm spielen. Es scheiterte an der Technik – wobei Turcotte erklärte, dass sie ein solches Video ohnehin nicht für relevant halte.
In seiner Abwesenheit solle der Hund am Stand auch als Wachhund dienen, um Diebe abzuschrecken, so der Angeklagte weiter. Auf die Frage, wie das bei einem so lieben Tier möglich sei, erklärte er, dass ein „schwarzer großer Hund“ als Abschreckung ausreiche.
Bei weiterem Vorfall fällt die Strafe wohl höher aus
Erst auf den Hinweis des Staatsanwalts, dass eine Entschuldigung nett gewesen wäre, entschuldigte sich der Angeklagte bei dem Angegriffenen – dieser stand zu diesem Zeitpunkt schon in der Tür und war dabei, den Saal zu verlassen.
Nach der Zeugenaussage erklärte Verteidiger Thomas Tock, dass man den Einspruch auf die Höhe der Tagessätze beschränken werde. Wegen der geringen Einnahmen des Angeklagten verhängte Turcotte letztlich 20 Tagessätze à 20 Euro – Tock hatte für 20 Tagessätze à zehn Euro plädiert. Zudem muss der Hundehalter die Kosten des Verfahrens tragen.
Die Richterin betonte, dass die Strafe bei weiteren Vorfällen sicher deutlich höher ausfallen werde. Der Angriff im öffentlichen Raum hätte für den Betroffenen auch schlimmer ausgehen können, schließlich übertragen Hunde oft Krankheiten. Der Halter müsse in Zukunft dafür Sorge tragen, dass das Tier niemanden verletzt, so Turcotte abschließend.
Umgang mit gefährlichen Hunden in Lahr
Listenhunde, oft Kampfhunde genannt, sind Tiere, bei denen aufgrund rassespezifischer Merkmale von gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit auszugehen ist. Mancherorts werden Rottweiler als Listenhunde geführt. „Gefährliche Hunde“ gelten durch aggressives Verhalten und Beißattacken als gefährlich. Für solche sowie für Listenhunde wird eine höhere Hundesteuer fällig. Das Thema war in den vergangenen Monaten sehr präsent. Nach zwei heftigen Beißattacken dürfen im Kanton Zürich keine Rottweiler mehr angeschafft werden, auch die Zucht ist verboten. Eine Recherche unserer Redaktion ergab Anfang Februar, dass in Lahr 2043 Hunde leben, 33 sind Kampfhunde, vier „gefährliche“ Hunde. 2024 gab es in Lahr neun Hundeangriffe, ein Listenhund war nicht beteiligt. Laut Katrin Exner-Grundwald vom Lahrer Tierheim ergeben die Klassifizierungen keinen Sinn mehr. Ihre Forderung: Allgemeine Prüfungen sollen Rasselisten ersetzen, um zu beurteilen, ob jemand über ausreichend Kenntnisse verfügt, um einen Hund zu halten.