Der Klinikverbund sucht intensiv medizinisches und pflegerisches Fachpersonal. Foto: Fritsch

Klinikverbund sucht weitere Helfer und Unterstützer. "Bereiten uns aufs absolute Maximum vor".

Kreis Calw/Kreis Böblingen - Alle reden von der Ruhe vor dem Sturm in Bezug auf die Corona-Krise. Auch beim Klinikverbund Südwest (KVSW), zuständig für die öffentliche Krankenhausversorgung auch im Kreis Calw, bereitet man sich auf eine massive Erkrankungswelle in den nächsten Tagen und Wochen vor.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

Zum Beispiel mit einem öffentlichen Aufruf in Richtung medizinischem und pflegerischen Fachpersonal, sich beim KVSW als Unterstützer für den erwarteten medizinischen Ausnahmezustand auch in den hiesigen Kliniken etwa in Nagold und Calw zu melden. Zielrichtung seien dabei zum Beispiel die vielen Betriebsärzte in der Region, deren eigentliche Arbeitgeber aktuell die Arbeit eingestellt hätten und die sich damit in Zwangsurlaub befänden.

"Da kommt gerade tatsächlich auch ganz, ganz viel", erläutert Ingo Matheus, Pressesprecher des KVSW. Rund 5000 Beschäftigte habe der Klinikverbund regulär – "die alle aktuell bereits unter absoluter Volllast arbeiten." Ein "üblicher Anteil" falle zwar auch beim KVSW derzeit etwa wegen einer parallel laufenden Influenza-Welle ("normale" Grippe) aus, auch gebe es "einzelne Fälle" von Corona- und/oder Corona-Verdachtsfällen – die sich aber alle im privaten Umfeld angesteckt hätten. "Aber die Quote wird auch bei uns erwartungsgemäß ganz sicher hochgehen", so Matheus. Während gleichzeitig die Zahl der (Corona-)Patienten ebenfalls wachsen dürfte – wenn der weitere Verlauf der Epidemie bei uns nach dem Vorbild etwa in Italien oder Spanien stattfinden würde.

"Wir bereiten uns da auf das absolute Worst-Case-Szenario vor" – also den schlimmsten anzunehmenden Ernstfall. Bis Mitte der vergangenen Woche hatten sich dafür bei der KVSW bereits über 200 Personen als Unterstützer und Helfer "gelistet" – mit jeweils unterschiedlichsten Qualifikationen. Von denen wiederum "ein Drittel auch bereits einen Arbeitsvertrag auf Abruf" erhalten hätten – heißt: "Sie wären bei Bedarf sofort für uns verfügbar." Was beim KVSW aktuell ganz oben auf der Personalwunschliste steht: Pflegekräfte und Ärzte/innen mit intensivmedizinischer Erfahrung. Grund: "Aus den Erfahrungswerten aus den Krisen-Hotspots haben wir gelernt, dass bei den schweren Verläufen der Krankheit die intensivmedizinisch Versorgung entscheidend ist." Und hier vor allem die künstliche Beatmung und Sauerstoffversorgung der Patienten – denn die vom neuartigen Corona-Virus ausgelöste Krankheit "Covid-19" ist vor allem eine extrem schwere Lungenerkrankung, die zum kompletten Lungenversagen und damit zum Tod führen kann.

"Die Kosten sind erst einmal für uns zweitrangig"

Und genau das sei bei der Bewältigung der aktuellen Corona-Krise der "Flaschenhals", der auch die Krankenhäuser des KVSW vor "enorme Herausforderungen" stelle. "Im Augenblick (Stand 25. März) sind bei uns 77 Patienten ›stationär positiv‹ am Corona-Virus erkrankt", rechnet Pressesprecher Matheus vor. "Davon werden 20 intensivmedizinisch versorgt, von denen wiederum 18 Patienten künstlich beatmet werden." Zum Vergleich: "Nur eine Woche zuvor waren es nur zehn Fälle, von denen fünf intensivmedizinisch versorgt und null beatmet wurden." Und diese Kurve geht jetzt jeden Tag weiter steil nach oben. Die große Sorge, "gegen die hier alle mit einem unheimlich Einsatz anarbeiten": Dass irgendwann in den nächsten Tagen und Wochen die Zahl der (kritischen) Patienten die Zahl der Intensiv-Plätze und vor allem der zur Verfügung stehenden Beatmungs-Geräte übersteigen könnte. Und es auch bei uns zu Zuständen wie aktuell etwa in Frankreich kommt, wo bereits alle Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen im Alter von über 80 Jahren nicht mehr behandelt werden (dürfen) – weil es nicht genug Behandlungsmöglichkeiten mehr gibt. Was einem sicheren Todesurteil gleichkommt.

"Wir hatten ursprünglich insgesamt 55 Beatmungsplätze über alle unsere Kliniken hinweg", erläutert Inge Matheus. "Mittlerweile haben wir 81 Geräte einsatzbereit." Die zusätzlichen Beatmungsgeräte stammen etwa aus privaten Praxen der Region. Ein nächstes Ziel seien 96 Beatmungsgeräte. Dann eine Verdoppelung der ursprünglichen Kapazitäten – also 110 Geräte. "Eine echte Herkules-Aufgabe", wie Matheus unterstreicht. Denn "da soll noch mehr gehen! Wir bereiten uns auf das absolute Maximum vor." Wofür beispielsweise "die Abteilung Einkauf des KVSW 14 bis 15 Stunden am Tag arbeitet" – wie eigentlich alle Beschäftigten derzeit mindestens.

Denn auch Schutzausrüstungen, Desinfektionsmittel und die Versorgung mit Medikamenten bedeuten aktuell "außergewöhnliche Herausforderungen". Und eine enorme, auch finanzielle Belastung für die Kliniken. Denn dieser unfassbare Mehraufwand für den KVSW verursachen schon jetzt außerplanmäßige Kosten "deutlich im siebenstelligen Bereich". Auch in finanzieller Hinsicht "ein echter Kraftakt", für den aber die Landkreise Calw und Böblingen als Träger des KVSW die notwendige Liquidität auch zuverlässig bereitstellten. "Die Kosten sind somit erst einmal für uns zweitrangig" – die Sicherstellung der medizinischen Versorgung alternativlos. Zumal ja auch der "normale" Krankenhausbetrieb weiterläuft, wenn auch im "reduzierten Notfallmodus" – also nur echte Notfälle wie Infarkte oder Trauma-Patienten versorgt würden.

304 bestätigte Fälle im Kreis

Weshalb man wirklich sehr eindringlich zum Beispiel darum bittet, dass sich Mitglieder des Rettungsdienstes, Sanitäter, Pflegekräfte oder Ärzte, die momentan außer Dienst oder in Rente sind, Studierende der Medizin, Medizinische Fachangestellte, medizinisch-technische Assistenten, pharmazeutische Fachkräfte "und und und" – kurz: alle Personen, die bereits Erfahrung in der medizinischen und/oder pflegerischen Versorgung von Patienten sammeln konnten und bereit sind, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kliniken tatkräftig vor Ort zu unterstützen, sich beim Klinikverbund Südwest zu melden. Interessierte können sich mit Namen, Kontaktmöglichkeit, fachlicher Qualifikation und dem Wunsch des Einsatzortes und -umfangs unter der Telefonnummer 07031 / 98-11000 (werktags zwischen 8 und 15 Uhr) oder per Mail an gemeinsam@klinikverbund-suedwest.de an den Klinikverbund Südwest wenden. Auch auf der Website www.klinikverbund-suedwest.de können Hilfsangebote ganz einfach in ein Kontaktformular eingegeben werden.

Vierter Corona-Todesfall im Kreis

Im Landkreis Calw gibt es 20 weitere bestätigte Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2). Damit liegt die Zahl am Montag, 30. März, bei 304 bestätigten Infektionen im Kreis. In Nagold kamen sieben Neuinfektionen dazu, in Calw vier und in Bad Liebenzell drei. Am Sonntag, 29. März, wurde der vierte in Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung stehende Todesfall aus dem Kreis Calw bekannt. Es handelt sich um eine 64-jährige Frau aus Simmersfeld, die am Abend des 28. März in den Kliniken Nagold verstarb.