Hinter Ihlingen liegt eine anstrengende Nacht. Mit einem Großaufgebot von Polizei und SEK-Einsatzkräften wurde am Donnerstagabend das Haus eines mutmaßlichen Reichsbürgers durchsucht. Der Einsatz dauerte bis in die Morgenstunden. Die neuesten Erkenntnisse.
Es ist eine merkwürdige Stimmung am Donnerstagabend in Ihlingen. Vor den zahlreichen Absperrungen der Polizei herrscht gespenstische Ruhe. Nichts ist vom Einsatz in der Straße Burghalde mitten im Ortskern zu hören.
Anwohner der Burghalde und umliegender Straßen warten stundenlang in ihren Autos vor den Absperrungen. Immer wieder starten sie den Motor, um gegen die Kälte anzukämpfen. „Ich wollte meiner Frau eigentlich nur schnell Zigaretten holen. Nun komme ich nicht mehr nach Hause. Und meine Frau kommt nicht mehr aus dem Haus“, erzählt ein Mann und fragt: „Was ist denn da bitte los?“
Massiver Polizeieinsatz in der Burghalde
Die Polizisten sind verständnisvoll, aber wortkarg. Klar ist: In der Burghalde läuft ein massiver Polizeieinsatz mit zahlreichen gepanzerten Fahrzeugen, die um kurz nach 19 Uhr die Burghalde hochdonnern. Zuvor waren die Einsatzkräfte im Feuerwehr-Zentrum in der Hohenbergkaserne zur Einsatzplanung zusammengekommen – dort, wo die festgenommen Reichsbürger Ralf S. und Steffen W. einst einen „Stützpunkt“ der geplanten „Heimatschutzkompanie“ aufbauen wollten. Sie stehen derzeit in Stuttgart vor Gericht.
Zwangsräumung ist der Auslöser
Was war passiert? Auslöser war eine geplante Zwangsräumung eines Hauses in der Burghalde, wie ein Polizeisprecher auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt. Die Polizei gab dem Gerichtsvollzieher Amtshilfe. Der Polizeisprecher: „Die Gesamtbewertung hat zu einem Ergebnis geführt, dass der Gerichtsvollzieher möglicherweise nicht gefahrenfrei das Objekt begehen könnte.“
Der männliche Bewohner des Hauses könne der Reichsbürger-Szene zugeordnet werden, heißt es in der Pressemitteilung. Vor Ort war niemand anwesend, als der Polizeieinsatz startete. „Weder die männliche Person, noch Bewohner, die dem Mann nahe stehen.“
Wie es zu dem massiven Polizeieinsatz kam
Wieso kam es zu diesem massiven Einsatz? „So handeln wir sicher nicht bei jedem Einsatz. Es gab entsprechende Umstände, sodass wir nicht gänzlich ausschließen konnten, dass eine Gefährdungslage für den Gerichtsvollzieher und die unterstützenden Polizeikräfte vorliegen könnte.“
Das bestätigte sich aber bei der späteren Durchsuchung der Räumlichkeiten nicht. „Es wurden keine gefährlichen Gegenstände gefunden“, so der Polizeisprecher. Dabei betont er das Wort gefährlich, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion bestätigt. Heißt wohl im Umkehrschluss: Möglicherweise wurden Gegenstände gefunden, die auf eine Reichsbürger-Gesinnung hinweisen.
Der Polizeisprecher betont aber: „Es gibt keinen Haftbefehl gegen die Person. Es gilt für den Einsatz und darüber hinaus, dass keine konkrete Gefährdung vorliegt. Es gibt auch keine Erkenntnisse zu möglichen Gewaltdelikten der Person.“ Bei der Durchsuchung habe man auch keine Schusswaffe gefunden.
Der mutmaßliche Reichsbürger
Was ist über den Mann, den die Polizei der Reichsbürger-Szene zuordnet, bekannt? In Ihlingen kennen ihn wohl nicht viele. Sein Facebook-Profil ist unscheinbar. „Das Haus wirkte oft unbewohnt. Die Rollläden waren meistens unten“, sagt ein Ihlinger. Früher soll es in diesem Haus schon einmal eine Razzia gegeben haben.
In der Facebook-Gruppe „Blaulicht News Horb am Neckar“ äußert sich am frühen Freitagmorgen mutmaßlich die Partnerin des Mannes. Sie bestätigt dort die Zwangsräumung am frühen Morgen und kritisiert, dass ihr Haus „vom Völkerrecht gepfändet wurde“ und die Polizei einen Grund gesucht habe, „um gewaltsam in unser Haus einzudringen“.
Ihlinger haben anstrengende Nacht hinter sich
Unterdessen müssen sich viele Ihlinger von der aufregenden Nacht erholen. Am Abend war von Evakuierungen die Rede, Anwohner seien aufgefordert worden, sich in ihre Keller zu begeben. Der Polizeisprecher sagt dazu: „Ich würde nicht von Evakuierungen sprechen. Anwohner wurden im angrenzenden Bereich gebeten, das Gebiet zu verlassen. Das war eine rein vorsorgliche Maßnahme, weil man nicht wusste, wie es sich entwickelt. Ich weiß nicht, ob einzelne Polizisten zu Anwohnern gesagt haben, dass sie sich im Keller aufhalten sollen.“
Eine Turnhalle im Stadtgebiet wurde zur Verfügung gestellt für Ihlinger, die nicht anderweitig unterkommen konnten. Vor Ort kümmerte sich auch die Notfallseelsorge um Betroffene. Andere harrten in der Ihlinger Gaststätte „Grüner Baum“ aus, bis sie irgendwo anders unterkamen.