Ein kaum begehbarer und noch weniger bebaubarer Steilhang neben dem früheren Personalwohnheim des Kreiskrankenhauses. Da könne ein Bodenrichtwert von 135 Euro für diese Fläche nicht passen, ist sich Eigentümer Hans-Jochem Steim sicher. Foto: Fritsche

Was in der Theorie hinsichtlich des Bodenrichtwerts als Grundlage für die Grundsteuer stimmig klingen mag, kann in der Praxis zu bizarren Ergebnissen führen: Ein nicht nutz- und begehbares Flurstück in Steillage bekommt denselben Wert wie der daneben liegende bebaute Bereich.

Diese Erfahrung machte nach dem Erhalt des Grundsteuerbescheids für das neben dem Gut Berneck liegende ehemalige Personalwohnheim des früheren Kreiskrankenhauses nicht nur Eigentümer Hans-Jochem Steim, diese Erfahrung dürften in diesen Tagen viele Grundstückbesitzer der Stadt teilen, die für kaum oder gar nicht nutzbare Teilflurstücke ihres Gesamtgrundstücks einen hohen Bodenrichtwert haben.

 

In Baden-Württemberg wurde bei der Grundsteuerreform der Bodenrichtwert zur zentralen Bemessungsgrundlage. Festgelegt wurden die Bodenrichtwerte für Schramberg vom „gemeinsamen Gutachterausschuss bei der Stadt Rottweil“, in dem für Schramberg Patrick Fleig aus Tennenbronn, Jürgen Kaupp aus Waldmössingen, Peter Motzer aus Sulgen, Emil Rode aus Heiligenbronn und Hans Rohrer aus Waldmössingen Mitglieder sind.

Für die Bewertung von Grundstücken hat der Ausschuss das Stadtgebiet in verschiedene Bodenrichtwertzonen unterteilt. Innerhalb einer solchen Zone liegen Grundstücke, die nach Art und Maß der Nutzung weitgehend übereinstimmen sollen.„Die Spielregeln kommen vom Land, das eine besonders ausgeprägte Gerechtigkeit einführen wollte. Es werden nur noch Flächen erfasst und nicht das, was drauf steht“, kommentierte Hans-Jochem Steim, Hausherr von Gut Berneck, diese Vorgehensweise.

„Untaugliche Verwaltungslösung“

„Es tut mir leid, ich bin normalerweise sehr staatstreu, aber in diesem Fall muss die Wahrheit auf den Tisch kommen über eine untaugliche Verwaltungslösung“, erklärte Hans-Jochem Steim beim beim Termin mit unserer Redaktion vor Ort.

Alles pauschal eingestuft

Beim ehemaligen Personalwohnheim am „Bühle“ wurden die gut 11 000 Quadratmeter des in verschiedene Flurstücke aufgeteilten Grundstücks alle pauschal mit 135 Euro Bodenrichtwert eingestuft. Für 5500 Quadratmeter davon kann Steim das nachvollziehen, für die anderen 5500 Quadratmeter, die aus zwei Flurstücken bestehen, nicht.

135 Euro versus 20 Euro

Das eine mit rund 3000 Quadratmetern ist im Grundbuch als „Erholungsfläche“ beschrieben. „Eine Begehung ist auf Grund der Steillage von circa 45 Grad nicht möglich, auch nicht der Einsatz von größeren oder schwereren Geräten“, schreibt der Gutachter, den Steim bestellt hat. Es sei auch unmöglich, Wege oder Pfade anzulegen. Als Erholungsfläche oder für eine Bebauung sei es völlig ungeeignet.

Das andere Flurstück mit gut 2500 Quadratmetern ist als „Landwirtschaftsfläche“ eingetragen, aber als Steilhang mit circa 45 Grad könne es nicht bewirtschaftet oder bebaut werden. Für beide Flurstücke hält der Gutachter einen Bodenwert von 20 Euro pro Quadratmeter für angemessen. „Es zeit sich auch hier, dass bei der Erstellung der Bodenrichtwertinformation überhaupt keine Ortskenntnisse vorhanden waren“, stellt der Gutachter fest.

Widerspruch möglich

„Bei der Fläche bedeutet das eine Abweichung von 50 Prozent, beim Wert von 44 Prozent“, rechnete Steim für das Gelände um den Gebäudekomplex vor. Sein Steuerberater habe ihm mitgeteilt, dass sich bei einer Abweichung des Werts von über 30 Prozent ein Widerspruch gegen den Bescheid lohne. Allerdings müsse man den Gutachter aus eigener Tasche bezahlen. Im übrigen, so berichtet Steim, hätten betroffene Eigentümer beim Einlegen ihres Widerspruchs diesen so begründet, dass ihrer Ansicht nach das in Baden-Württemberg zur Anwendung kommende modifizierte Bodenwertmodell gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstoße und damit verfassungswidrig sei.

Einst Mitglied im Finanzausschuss des Landtags

„Als langjähriges Mitglied im Finanzausschuss des Landtages habe ich keinerlei Verständnis für eine solche unausgegorene Regelung. Sie beschäftigt Stadt, Finanzamt und das Land mit Verwaltungsarbeit, die zu keinerlei Erfolg führen kann. Sie kalkuliert von vorn herein mit ein, dass der einzelne sich mit einem selbst finanzierten Gutachten wehren kann, aber so wird kein guter Staat gemacht“, kritisierte Steim die neue geltende Verfahrensweise bei der Grundsteuer.

Bodenrichtwertzonen

Auf Frage unserer Redaktion zur Festlegung der Bodenrichtwerte und der Zonen verwies die Stadt Schramberg auf den gemeinsamen Gutachterausschusses. Vor gut fünf Jahren war dieser von 15 Kommunen im Kreis Rottweil gegründet worden. Rottweil und Schramberg entsenden je fünf Mitglieder, die übrigen Gemeinden drei.

Wichtige Frage offen

Die wichtige Frage, wer wann und nach welchen Kriterien die Zonen eingeteilt habe, ließ sich bis zum Redaktionsschluss nicht klären. Ein dazu befragtes Mitglied des Gutachterausschusses teilte mit, dass er die Zoneneinteilung schon beim Einstieg in seine Gutachteraufgabe vorgefunden habe und verwies auf Jürgen Peterwitz, den Geschäftsstellenleiter des gemeinsamen Gutachterausschusses bei der Stadt Rottweil. Ein Anruf am Mittwoch in dessen Büro ergab, dass dieser im Urlaub ist und dass es keine Vertretung gebe.